Название: Die Sebalduskirche in Nürnberg
Автор: Friedrich Wilhelm Hoffmann
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 4064066113568
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Nun liegt allerdings zwischen der 1326 mit dem Schiffe und 1351 mit dem Chor begonnenen Heiligkreuzkirche zu Gmünd und dem 1361 begonnenen Ostchor von St. Sebald der Bau der Nürnberger Liebfrauenkirche. Man fragt sich unwillkürlich, ob nicht diese Kirche das Bindeglied zwischen den beiden verwandten Bauten darstellte, d. h. ob denn ohne den Vorgang der Liebfrauenkirche die Fortschritte am Bau von St. Sebald wohl denkbar gewesen wären.
Innerhalb der schwäbisch-bayerischen Gruppe, und nur diese kommt hier in Betracht, ist die Liebfrauenkirche der erste Hallenbau mit gleich weiten Jochen, in die Länge wie in die Breite gemessen: der Grundriß besteht aus neun großen Quadraten. Abgesehen von diesem besonderen Punkte besteht im übrigen eine engere Verwandtschaft dieser Kirche mit der Heiligkreuzkirche in Gmünd. Es sei hier nur an die gleiche Bildung der Gewölbestützen in Form zylindrischer Schäfte oder runder Säulen mit Blattwerkkranz als Kapitäl und vor allem an die Gestaltung der Fassade erinnert. Die Verschiedenheit im Verhältnis des Mittelschiffes zu den Seitenschiffen hat aber aller Wahrscheinlichkeit nach darin ihren Grund, daß in Schwäbisch-Gmünd zum Teil der Grundriß der abgebrochenen romanischen Kirche, vielleicht auch deren Grundmauern mit in den Neubau aufgenommen wurden, und daß dem Baumeister die Anlage mit schmäleren Seitenschiffen gar nicht unwillkommen war wegen der einfachen Lösung der Frage der Umführung derselben um den Binnenchor, während an der Nürnberger Frauenkirche, als an einer Hallenkirche mit vorgeschobenem Chor, ohne Schwierigkeit das Prinzip des gleichen Maßes bei Mittel- und Seitenschiff zur Durchführung gelangen konnte.
Und dennoch wird man zugeben müssen, daß in der Entwicklung von der Heiligkreuzkirche in Gmünd zur Sebaldkirche in Nürnberg die Frauenkirche ein Zwischenglied nicht bildet. Denn der einzige übereinstimmende Punkt bei den zwei Nürnberger Kirchen ist eben das bei Seitenschiffen und Mittelschiff gleiche Maßverhältnis.
Wie oben bereits angedeutet, hängt beim Ostchor von St. Sebald die Teilung in drei gleiche Schiffe mit dem Anschluß an das vorhandene, in den Neubau übernommene romanische Querschiff zusammen. Von dem romanischen Querschiff wurde beim Neubau verwertet die ganze Westwand und die beiden Schmalwände. Auf das relativ hohe Gewölbe verzichtete man, da das neue Gewölbe im ganzen Chor durchweg noch um 1·5 m höher gelegt werden sollte. Dagegen ließ man die Mitteldienste an den Seitenwänden bestehen und, um sie nicht ohne Bestimmungszweck zu lassen, teilte man wie beim romanischen Bau die beiden äußeren Gewölbeviertel wiederum in je zwei Achtel.
Daß die östlichen Vierungspfeiler neuen Pfeilern weichen mußten, erscheint selbstverständlich. Jedoch steht, wenn auch bei Errichtung der neuen Pfeiler das Fundament der alten Pfeiler mitbenutzt wurde, die Achse des nördlichen Pfeilers außerhalb der Achse des alten.
Bei näherer Betrachtung des Grundrisses findet man zunächst, daß sich der ganze Chor von Westen nach Osten fortschreitend verbreitert, sowie ferner, daß seine Achse um einige Grade nach Norden verschoben ist.
Was das Abbiegen der Längsachse anlangt, die man auch bei anderen mittelalterlichen Kirchen, wenn auch nicht in so starkem Maße, beobachten kann, so gibt es dafür verschiedene Erklärungsversuche, die sich auf die Annahme schlechten Baugrundes oder von Mängeln in der Visierung stützen. Einwandfrei ist jedoch diese Frage bis jetzt noch nicht gelöst worden.
Die andere Unregelmäßigkeit in der Anlage des neuen Chors mag vielleicht darin ihren Grund gehabt haben, daß einer allzu großen Ungleichheit der Gewölbefelder bei dem sich verengernden Chorumgang dadurch vorgebeugt und zugleich für die am Hochaltar vorzunehmende Kulthandlung Raum gewonnen wurde. Ebenso beabsichtigt erscheint die allmähliche Verringerung der Abstände der Mittelpfeiler von Westen nach Osten, die es bewirkt, daß sich die Zwischenräume zwischen den Abschlußpfeilern des Binnenchors harmonisch dem Rhythmus der Pfeileranlage einpassen.
Dabei wurden diese offenbaren Unregelmäßigkeiten vom Baumeister von St. Sebald in so unauffälliger Weise vorgenommen, daß wir, im Innern der Kirche stehend, von den einzelnen Verschiebungen, Verkürzungen und sonstigen Unregelmäßigkeiten, ohne vorher darauf aufmerksam gemacht zu sein, gar nichts wahrnehmen.
Zeigen schon diese Maßnahmen, die sich zum Teil aus der Notwendigkeit ergaben, eine Choranlage von fortentwickelten Raumabsichten mit der ganz anders gearteten Raumwirkung der älteren Kirche in Einklang zu bringen, den Baumeister von St. Sebald als überlegenen Geist, dem wir ohne Zweifel auch einen wesentlichen Anteil an der Entwicklung der Baugedanken seiner Zeit zutrauen dürfen, so wird diese Vermutung auch durch die Betrachtung der Durchbildung des Aufrisses bestätigt.
Wie bereits oben erwähnt, ist es uns bei der Gmünder Kirche nicht mehr möglich, die vom Meister Heinrich Parler ursprünglich geplante Wölbung mit Sicherheit zu rekonstruieren; wir wissen nicht, war ein komplizierteres oder ein einfacheres System gewählt worden. Mit Bezug auf die, wenn auch in kleineren Verhältnissen gehaltene, aber mit der Gmünder Kirche noch verwandte Nürnberger Frauenkirche wäre dort im allgemeinen das vierteilige Kreuzgewölbe, für den Abschluß des Binnenchores die Verbindung von Kreuz- und Sterngewölbe anzunehmen. Was nun den Chorumgang anlangt, so wäre die einfachste Lösung gewiß die: anschließend an die Seitenschiffe zunächst je ein vierteiliges Kreuzgewölbe mit ungleichen Seiten und Diagonalen, dann je zwei dreiteilige Gewölbe und zum Schlusse wieder ein vierteiliges Kreuzgewölbe. Die Stützen der Gewölbe sind runde Säulenschäfte, deren Kapitäle meist aus zwei Blattwerkkränzen mit polychromer Platte bestehen. Also von einer organisch-konstruktiven Verbindung von Gewölbe und Gewölbstütze keine Rede.
Anders bei St. Sebald. Das Wölbungssystem stimmt mit dem an der Gmünder Kirche eben rekonstruierten so ziemlich überein, bis auf den Chorumgang, dessen Einwölbung sich hier infolge des für den Binnenchorabschluß gewählten Achtecks natürlicher gestalten mußte: es wechseln vier dreieckige Felder mit drei rechteckigen ab. Der Hauptunterschied liegt jedoch darin, daß hier das Gewölbe nicht auf runden, sondern auf polygonalen Stützen ruht, d. h. nicht auf Säulen, sondern auf Pfeilern, und zwar haben diese Pfeiler achteckige Form mit vier vorgelegten Diensten. Ferner ist der Ansatz des Gewölbes nicht durch ein Kapitäl markiert, sondern Scheidbögen, Gurtbögen und Rippen wachsen gleichsam unmittelbar aus den Diensten, zum Teil auch aus dem polygonalen Pfeiler selbst heraus. In Anbetracht der dem Wesen des Hallenbaues zugrunde liegenden Tendenz der Vereinfachung alles Konstruktiven bedeuten also die Pfeiler im Chor von St. Sebald gegenüber den Säulen der Gmünder Kirche einen Fortschritt in der Entwicklung.
Vorbildlich für die Pfeilerbildung im Ostchor von St. Sebald mag die Frauenkirche in Eßlingen gewesen sein. Bekanntlich besteht die Schwäbische Schule des 14. und 15. Jahrhunderts aus zwei Gruppen, von welchen der einen die Hallenbauten mit Chorumgang, der andern diejenigen mit vorgeschobenem Chor und einem in der Mitte der Fassade stehenden Turm angehören. Die erstere Gruppe wird vor allem vertreten durch die Heiligkreuzkirche in Schwäbisch-Gmünd, die letztere wird repräsentiert durch Bauten wie die Frauenkirche in Eßlingen und das Ulmer Münster. Wohl war die Gmünder Kirche zugleich auch der Ausgangspunkt für die große zumeist auf bayerischem Boden befindliche Gruppe von Hallenbauten, wie den Kirchen St. Georg in Nördlingen und Dinkelsbühl, St. Lorenz in Nürnberg, St. Martin in Landshut, der Frauenkirche in München. Allein bei den engen baugeschichtlichen Beziehungen zwischen den beiden Schwäbischen Schulen ist es ja ganz natürlich, daß auch Elemente der zweiten Schule bei Bauten der bayerischen Gruppe Eingang gefunden haben. So ist z. B. die Fassade der Nürnberger Frauenkirche nicht nur, wie bereits oben erwähnt, von der Gmünder Kirche, sondern in viel höherem Grade von der Frauenkirche in Eßlingen beeinflußt.
Was nun die vorbildliche Bedeutung der letztgenannten Kirche für den Ostchor von St. Sebald in Bezug auf die Pfeilerbildung anlangt, so sei zunächst darauf hingewiesen, daß zwischen der Gmünder Kirche und der Eßlinger Frauenkirche trotz Verschiedenheit in der Anlage eine nahe Verwandtschaft besteht. In die Augen springend ist dieselbe — СКАЧАТЬ