Название: Die beliebtesten Jungmädelgeschichten von Else Ury
Автор: Else Ury
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
isbn: 9788027238576
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»Was – meine Lotte will mich morgen also wirklich allein lassen und in die weite Welt hinausfliegen?« fragte Vater und nahm sein Nesthäkchen zärtlich auf den Schoß.
»Mutti bleibt ja bei dir,« tröstete Annemie, »und du fährst doch dann auch selbst mit ihr fort in die Schweiz. Aber wenn du so schrecklich gern willst, lasse ich Fräulein und Klaus allein zu Onkel und Tante aufs Gut fahren und komme lieber mit euch mit.«
»Möchtest du das denn so gern?«
»Ja, schrecklich gern!« Annemie schlang beide Ärmchen um Vaters Hals.
Doktor Braun war ganz gerührt.
»So schwer wird dir die Trennung von uns, Lotte?«
»Ach, bewahre,« Annemies lachendes Gesichtchen zeigte nichts von Abschiedsweh, »aber weißt du, Vatchen, in der Schweiz, da kann ich doch den ganzen Tag Schweizerkäse essen, soviel ich nur will! Den esse ich so schrecklich gern, und die Löcher esse ich am liebsten!« Damit sprang Nesthäkchen davon, weil sie noch so furchtbar viel bis morgen zu tun hatte.
Fräulein packte mit Mutti im Kinderzimmer den Koffer. Annemie holte ihren kleinen Puppenkorb herbei und begann die Kleider ihrer Kinder hineinzustopfen. Aber der war im Umsehen voll.
»Fräulein, hast du noch viel Platz? Ich kriege Irenchens Schulmappe gar nicht mehr hinein, und Babys Soxlet klemmt sich auch schon«, jammerte das Puppenmütterchen voll Eifer.
»Aber Annemiechen, was willst du denn bloß mit all dem Zeug, Tante Kätchen hat schon an euch beiden Krabben genug!« lachte Mutti.
»Ja, aber meine Kinder wollen doch auch aufs Land. Irenchen muß sich rote Backen holen, Mariannchen soll mit ihren schlimmen Augen viel ins Grüne gucken, und Lolo will ich auf die Bleiche legen, damit sie weiß wird und kein Negerkind mehr ist. Baby soll tüchtig im Regen wachsen, und Kurt, der Strick, kann sich dort mal wenigstens ordentlich austoben. Gerdachen aber, von der trenne ich mich überhaupt nicht!«
»Was – und das halbe Dutzend Puppenjören willst du Tante Kätchen mit ins Haus schleppen?« fragte Mutti und versuchte vergeblich, ernst zu bleiben.
»Ja, natürlich, sie wird sich sehr freuen, und Kusine Elli auch, wenn sie auch schon zwölf Jahre alt ist.«
»Nein, Lotte, das geht nicht. Eine Puppe magst du mitnehmen, die anderen bleiben hier. Nun suche dir eine aus!« sagte Mutti in bestimmtem Ton.
Nesthäkchen machte ein enttäuschtes Gesicht, und die Puppen saßen ebenfalls mit enttäuschten Mienen da. Sie hatten sich schon so auf die Reise gefreut.
Das ist eine schwere Aufgabe für eine Mutter, die Wahl unter ihren Kindern, die sie doch alle lieb hat, zu treffen. Am notwendigsten war sicher dem blassen Irenchen die Reise aufs Land. Aber Annemie wollte doch die schwarze Lolo auf die Bleiche legen, denn, wenn Wäsche dort weiß wurde, wie Frida ihr erzählte, warum sollte Lolo nicht auch weiß werden! Da aber fiel ihr Blick auf Gerda. Die saß ganz still auf ihrem Stühlchen und schaute ihre kleine Mama ängstlich an.
»Nein, Gerdachen, hab’ keine Furcht, du kommst mit, wie werde ich mich denn von meinem süßen Nesthäkchen trennen!« rief die Kleine und zog die Lieblingspuppe an ihr Herz.
Aber da fühlte sich Annemie selbst ans Herz gezogen, und zwar an Muttis. Die flüsterte: »Und ich muß mein Nesthäkchen hergeben!« Dabei hatte sie sogar Tränen in den Augen.
»Dafür kriegst du ja soviel Schweizerkäse!« Ob nun Annemies Trost ihr einleuchtete, oder ob Mutti daran dachte, daß Vater, der so angestrengt in seinem Beruf war, eine Erholung ohne seine lebhaften Sprößlinge durchaus nötig hatte, sie wischte die Tränen schnell wieder fort. Wußte sie doch auch die Kinder bei ihrer Schwester und unter Fräuleins Aufsicht vorzüglich aufgehoben. Hans, der Große, machte inzwischen eine Wandertour mit seinem Turnlehrer und mehreren anderen Jungen.
»Fräulein, da hättest du bald was Schönes gemacht, den hättest du doch ganz sicher vergessen, nicht?« Keuchend brachte Nesthäkchen, als der Koffer fast schon voll war, ihren großen Puppenwagen angeschleppt.
»Aber Annemie, das Riesending können wir doch nicht mitnehmen – und was bringst du denn jetzt noch herbei, bist du denn ganz und gar nicht gescheit?« Halb belustigt, halb ärgerlich griff Fräulein nach dem Vogelbauer mit Mätzchen, den Annemie bereits in den Koffer mitten auf ihre schön geplätteten Sommerkleidchen befördert hatte.
»Ja, aber meine Gerda muß doch spazierenfahren, und Mätzchen verhungert sicherlich, wenn ich ihm nicht Futter und Wasser gebe«, behauptete die Kleine und warf ihre kleinen Holzpantinen noch hinterdrein in den Koffer.
Fräulein hatte alle Mühe, sie davon zu überzeugen, daß Frida Mätzchen gerade so gut versehen würde wie sie, und daß Gerda noch lieber in dem kleinen Leiterwagen der Vettern ausfahren würde. Vielleicht fand sich auch noch in Arnsdorf ein alter Puppenwagen von Kusine Elli in der Rumpelkammer. Auch die Holzpantinen konnte sie entbehren, da sie doch wohl da nicht scheuern würde.
Als aber Klaus, der zweite junge Reisende, nun ebenfalls erschien, unter dem einen Arm seine Schmetterlingssammlung und unter dem anderen die Festung mit sämtlichen Regimentern, die er mit in den Koffer zu verpacken wünschte, da wurde es dem Fräulein denn doch zu bunt. Schmetterlinge, Festung und sämtliche Regimenter wanderten ins Jungenzimmer zurück, und Klaus dazu. Annemie aber wurde auf Besuch zu Hanne geschickt, weil die sie doch nun so lange entbehren mußte. Jetzt hatte Fräulein endlich Ruhe zum Packen, nur die Puppen durften zugucken.
Eigentlich war es schon am Tage vor der Reise so schön, daß man gar nicht erst zu verreisen brauchte. Vater und Mutter waren noch zärtlicher als sonst, Hanne ließ die Kleine über alle ihre Kästen gehen, weil sie doch morgen nicht mehr da war, und Hans schenkte ihr sogar einen großen Radiergummi. Das Schwesterchen war so begeistert von dieser Freigebigkeit, daß es sich liebevoll an seinen Rücken hängte und ausrief: »Ich wollte, daß du lieber mit nach Arnsdorf kämest, Hänschen, und Klaus mit seinem Lehrer reiste!«
Im Nebenzimmer aber saß eine, auf die all die anderen Puppen neidisch blickten, die wünschte das noch tausendmal mehr. Puppe Gerda sah bereits im voraus ihre Sommererholung durch den wilden Klaus arg beeinträchtigt.
Als gegen Abend auch noch Großmama erschien, um den Enkelchen Lebewohl zu sagen, und ihnen eine große Tüte Keks für die Reise mitbrachte, da war die Seligkeit voll. Klein-Annemarie war gar nicht zu bändigen, so aufgeregt war sie. Sie setzte mit Klaus über Hutkarton, Koffer und Stühle, und Fräulein drohte, sie nicht mitzunehmen. Und als sie dann endlich in ihrem Bettchen lag, da betete sie voll Inbrunst: »Lieber Gott, mache doch bloß, bitte, daß ganz schnell morgen ist.«
Das mußte der liebe Gott denn wohl auch getan haben, denn als Fräulein Annemie eine Stunde früher als sonst weckte, war die Kleine so müde, als ob sie eben erst eingeschlafen wäre.
»Annemie, der Zug geht ab!« rief Fräulein.
Hei – wie war Nesthäkchen da im Augenblick aus dem Neste – wie blitzten die eben noch so verschlafenen Augen. Auch Gerda sprang mit beiden Füßen zu gleicher Zeit heraus.
Heute ging das Anziehen noch mal so schnell. Wenn man reisen will, ist das Wasser nicht so naß wie sonst, der Kamm ziept nicht die Spur, und selbst die zwei Tassen Kakao sind im Umsehen leer, wenn СКАЧАТЬ