Название: SKIN MEDICINE - Die letzte Grenze
Автор: Tim Curran
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783958350298
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Es war ein Plan … nur, dass er nicht Wirklichkeit wurde.
Angeekelt von sich selbst waren sie noch dabei, die Leichen zu plündern, als plötzlich ein Platoon Yankee-Kavallerie aus dem Dickicht stürmte und die konföderierten Soldaten wie eine Schlinge umfasste. Es gab kein Entrinnen. Kein Pardon. Kein gar nichts. Cabe hatte bis zu diesem Zeitpunkt eine Menge mitgemacht … aber den toten Feind auszurauben und dabei erwischt zu werden, wie eine Horde Leichenschänder … das mochte gut und gerne das Ende der traurigen, alten Straße sein.
Die Unionssoldaten stiegen ab.
Obwohl viele von ihnen heruntergekommen aussahen in ihren verschmutzten, zerrissenen Uniformen und mit den schmalen, von Krieg und Gewalt gehärteten Gesichtern, sahen sie im Vergleich mit Cabe und seinen Männern doch recht anständig aus.
Die Yankees waren außer sich, als sie den Zustand ihrer gefallenen Kameraden sahen. Ihre Sergeants mussten sie mit Gewalt zurückhalten. Wie ein Rudel geifernder, tollwütiger Hunde umkreisten sie die Südstaatler.
Dann lief ein Offizier durch ihre Reihen.
Er war ein großer, drahtiger Lieutenant im flatternden blauen Mantel, mit Hardee-Hut und Schwert an der Seite, in dem sich das Licht der untergehenden Sonne spiegelte. Sein Gesicht war hart wie Marmor, diese blauen Augen so elektrisiert wie Kugelblitze. Er lief um den vermüllten Haufen toter Nordstaatler herum. Drehte einen mit seinem glänzenden schwarzen Stiefel um. Er zeigte keine Emotionen, aber seine Augenbrauen zogen sich immer weiter zusammen, und seine Mundwinkel verzogen sich zu einem Grinsen wie bei einem Totenschädel.
Cabe wusste, dass er eine hässliche Situation entschärfen musste. »Corporal Tyler Cabe, Zweites Arkansas-Infanterieregiment, Sir.«
Der Lieutenant verkündete, er sei Jackson Dirker von der 59sten Illinois.
Etwas an seinem Auftreten und seiner stählernen Ruhe ließ Cabes Blut gefrieren. Hier war ein Mann, dem seine Truppen offensichtlich sofortigen Respekt zollten und der zweifelsohne ein guter Soldat war … aber hier war auch ein Mann, der trotz seiner Zurückhaltung und seines gleichgültigen Verhaltens eine fast gewalttätige, grausame Aura an sich zu haben schien, die unmittelbar hinter diesen kristallblauen Augen brodelte wie Säure, die nur darauf wartete, Fleisch und Knochen zu verschlingen.
»Sir, wir sind auf diese Männer in diesem Zustand gestoßen. Unsere Einheit wurde bei Pea Ridge zerschlagen, seit gestern versuchen wir, uns durchzuschlagen. Meine Männer haben seit Tagen nichts Vernünftiges gegessen«, erklärte Cabe. Seine Stimme war schrill und brach, denn bei Gott, er wusste, wie übel das alles aussah. »Wir haben nur die Waffen und etwas zu essen von diesen … diesen Toten genommen … nur genug, um zu überleben.«
Die Unionssoldaten zitterten vor Wut, vor nackter, blinder Wut. Little Willy fing an, Unsinn zu erzählen, den niemand verstehen konnte, und ein stämmiger Sergeant befahl ihm mit irischem Akzent, sein weißes Südstaatenmaul zu halten, und zwar sofort. Aber Little Willy war durchgedreht, verloren in seiner Traumwelt, und machte einfach weiter. Im schlechtesten Moment begann er zu prahlen, wie viele Yankees die Zweite Arkansas getötet hatte. Der Sergeant gab einen schmerzvollen, erstickten Laut von sich, zog seinen Army-Colt und schoss ihm in den Kopf. Little Willys Schädel brach auseinander wie eine zersplitternde Glasvase, sein Gehirn ergoss sich auf das Gras, und er fiel um wie ein gefällter Baum.
Cabe und die anderen fingen an zu schreien und zu brüllen, und blitzartig wurden sie von den Yankees überwältigt. Cabe wurde mit einem Schlag von einem Gewehrkolben an die Schläfe zu Boden gestreckt, Sammy und Pete wurden an Eschenbäume gebunden und dann bis zum Gürtel entkleidet.
Dirker kam mit einer Bullenpeitsche von seinem Pferd zurück, und er hatte etwas so Dunkles und Giftiges an sich wie ein Haufen sich windender Klapperschlangen in einer Grube. »Grabschänder, Leichenfledderer«, sagte er mit einer seltsam flüsternden Stimme. »Einen Mann zu töten, ist eine Sache … aber ihn zu verstümmeln, so etwas zu tun wie … das hier …«
Die Peitsche knallte in der Luft, rollte sich zusammen und breitete sich dann in ganzer geflochtener Länge aus, erwachte und streckte sich … und dann explodierte Dirker. Die Peitsche traf das bloße Fleisch von Petes und Sammys Rücken und überzog beide mit klaffenden Wunden. Dirker ließ die Peitsche knallen, bis beide Männer aufhörten zu schreien und schlaff zusammensackten. Ihre Rücken bestanden nur noch aus blutendem Fleisch. Jetzt kam Cabe wieder zu Sinnen, warf zwei Yankees aus dem Weg, stürzte auf Dirker zu – und dann leckte die Peitsche quer über sein Gesicht mit einer Explosion beißender Qual, die ihn auf die Knie zwang. Und wieder schlug die Peitsche zu, riss seine Wangen auf und machte aus seiner Nase eine zerfetzte Fleischwunde. Dann lag er am Boden, nahezu bewusstlos, und die Peitsche krallte sich wieder und wieder in sein Gesicht.
Als Cabe wieder zu sich kam, fand er sich auf einem Feld mit vielleicht hundert anderen konföderierten Soldaten wieder. In Gewaltmärschen wurden sie zum Mississippi getrieben und dort auf halb verrottete alte Dampfschiffe geladen. Die nächsten beiden Wochen verbrachten sie in den unteren Decks in kalter, verdreckter Dunkelheit und aßen, schliefen und lebten direkt auf der zwei Fuß hoch geschichteten Steinkohle. Die Schiffe brachten sie den Mississippi hinauf über St. Louis nach Alton in Illinois, wo man sie für die Fahrt nach Chicago auf Viehwagen verfrachtete. Als sie ihr Ziel erreichten, teilten sie die Dunkelheit mit Dutzenden starr blickender Leichen von Männern, die sich der Kälte, dem Hunger, den Krankheiten ergeben hatten.
Von Chicago aus trieben die konföderierten Soldaten sie zu einem Marsch von zwei Meilen durch eiskalten Schlamm und sumpfiges Gelände zum Camp Douglas. Ihre nassen Uniformen waren festgefroren, steif wie Ochsenleder. Die Menschen kamen heraus, gafften und glotzten und johlten, als die Kolonne besiegter Südstaatler vorüberzog … doch es gab auch einige, die Mitleid zu haben schienen und beinahe beschämt aussahen. Manchmal bewarfen die Kinder sie, manchmal lachten sie und winkten. Zumindest bis ihre Eltern sie eines Besseren belehrten.
Cabe verbrachte sechs Monate in Camp Douglas.
Das Camp war ursprünglich als Ausbildungslager für die Unionsarmee errichtet worden, aber nach der Kapitulation der Konföderierten bei Fort Donelson hatte man es zu einem Kriegsgefangenenlager umgebaut. Über siebentausend Männer waren hier gefangen, und es gab nur einen einzigen Arzt, der sich um ihre Leiden kümmern sollte, von denen es mehr als genug gab. Das Lager war eine Jauchegrube voll mit stehendem, gammeligem Wasser, unbegrabenen Leichen, verrottenden Knochen, grassierenden Krankheiten und Ungeziefer. Ratten durchstreiften ungestört das Gelände und fraßen an den Toten und manchmal auch an den Lebenden, die zu schwach und krank waren, sich zu bewegen. Männer erfroren. Männer wurden zu Tode geprügelt. Männer wurden für die kleinsten Vergehen hingerichtet und gefoltert. Der Hunger tötete Hunderte. Ausbrüche von Blattern und Ruhr töteten Hunderte mehr. Das Wasser war dermaßen mit dem Abfluss aus den Latrinen verseucht, dass sich die mit dem fauligen Zeug behandelten Wunden schnell entzündeten. Im Sommer wurde das Lager zu einer Brutstätte umherschwirrender Fliegen und bissiger Mücken, die die Luft mit dichten Schwärmen bevölkerten. In den Bergen von Müll und herumliegenden Toten vermehrten sich Maden und Ratten.
Die Wachen nannte man Etappenschweine und sie waren grundlos sadistisch. Häufig warfen sie Essen lieber auf den Müll, statt es den Gefangenen zu geben. Sie schlugen СКАЧАТЬ