Название: SKIN MEDICINE - Die letzte Grenze
Автор: Tim Curran
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783958350298
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Cabe war im Zweiten Arkansas-Infanterieregiment gewesen.
Sein erster Einsatz war in der Schlacht am Wilson's Creek, in der seine gesamte großäugige Naivität auf die schlechtestmögliche Weise ausgelöscht wurde. Oft dachte er, dass dies der Ort war, an dem er wahrhaftig seine Unschuld verloren hatte. Und wenn das zutraf, dann war es kein süßer Liebesakt im Dunkeln, sondern eine brutale Vergewaltigung. Eine Vergewaltigung von allem, was er bis zu diesem Zeitpunkt gekannt und woran er geglaubt hatte. Zwölf Meilen südwestlich von Springfield, Missouri, am Wilson's Creek, hatten die Unionstruppen von General Nathaniel Lyon die Stellungen der Konföderierten um fünf Uhr morgens angegriffen. Der folgende Kampf war brutal und entsetzlich. Cabe sah, wie Männer – Männer, die er gekannt und mit denen er trainiert hatte – überall um ihn herum zu Hackfleisch zermalmt wurden. Er war über und über bespritzt mit ihrem Blut und ihren Eingeweiden. Eine grausige Taufe. Er kroch durch ihr zerfetztes Fleisch, duckte sich unter ihren Überresten hindurch, die wie Girlanden von den Ästen herunterhingen, und schmeckte ihr heißes, salziges Blut auf seinen Lippen.
Halb von Sinnen im dichten Qualm und im Chaos war alles, was er hören konnte, das donnernde Kanonenfeuer und die Schreie der Sterbenden. Die Zweite zog sich zurück von der Erhebung, die als Bloody Hill bekannt werden sollte, konnte dann aber durch schieren Willen und Tapferkeit ihre Positionen stabilisieren. Nicht weniger als drei Mal attackierten die konföderierten Einheiten die Stellungen der Union und fügten dem Gegner ebenso horrende Verluste zu, wie sie selbst erlitten. Nach dem dritten Angriff ließen sich die Yankees zurückfallen nach Springfield, aber die Zweite Arkansas und andere Regimenter waren einfach zu angeschlagen und ausgedünnt, um sie zu verfolgen. Der Sieg der Konföderierten – wenn man es so nennen wollte bei 1200 Gefallenen – erhöhte die Sympathie für die Südstaaten in Missouri, aber um einen schwindelerregenden Preis.
Cabe kam zurück aus den Kämpfen, geschockt, verzweifelt, verbrannt, zerschrammt und zerstört.
Und das war nur ein erster Vorgeschmack, eine Einführung in die älteste Beschäftigung des Menschen.
Als Nächstes wurde die Zweite in das Indianerterritorium verlegt, um einen Aufstand der Creek und Seminolen niederzuschlagen. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Kämpfen Cabe bereits abgestumpft und er verspürte nicht mehr den Impuls, wegzulaufen und sich zu verstecken wie am Wilson's Creek, sondern er stürzte sich brutal in die Schlacht. Die Indianer kämpften Mann zu Mann, barbarisch, und er stellte fest, dass ihm das gefiel. Auf eine gewisse Weise war es viel zu unpersönlich, aus der Entfernung eine Kugel durch einen Gegner zu jagen oder ihn wahllos mit Granatfeuer zu belegen … wenn man ihn angriff mit Pistole und Messer, mit seinem Blut bespritzt wurde und seine Qualen sah, erweckte das ein urtümliches Biest, das nach mehr dürstete.
Und es gab stets mehr.
Als Nächstes kam Pea Ridge.
Die Zweite Arkansas, eingegliedert in die Konföderierte Armee West und zusammengeworfen unter dem Befehl der Generäle Price und McCulloch, begann mit ihrem blutigen Geschäft an der Südspitze der Ozark Mountains. Zusammengenommen war die Armee zwanzigtausend Mann stark, einschließlich fünftausend Indianer der Fünf Zivilisierten Stämme. Die Konföderierten, mit ihrer nahezu zweifachen zahlenmäßigen Überlegenheit einen klaren Sieg vor Augen, teilten ihre Truppen und griffen gleichzeitig Front und Rücken des Gegners an. Aber Curtis, der gerissene Unionsgeneral, flankierte beide konföderierten Armeen und schlug mit gnadenlosem Artilleriefeuer zu, bis die Südstaatler zum Rückzug gezwungen waren.
Für Cabe und die Zweite war es die Hölle.
Ein paar Tage zuvor hatte ein Schneesturm getobt, und es war eisig kalt. Alle waren müde, hungrig und halb erfroren, als der Konföderierten-General Van Dorn sie zwang, in die Schlacht zu ziehen. Ihr Einsatzgebiet war östlich von Leetown in Morgan’s Woods. Ihre Generäle McCulloch und McIntosh fielen gerade einmal zwei Stunden nach Kampfbeginn, und die Zweite blieb führerlos zurück, unbarmherzig angegriffen und verfolgt von der 36sten und der 44sten Illinois-Infanterie. Die Konföderierten waren nun in vollem Rückzug begriffen, und die Erste und Zweite Unionsdivision setzten ihnen nach. Cabes Kompanie war abgeschnitten und suchte Schutz in einem verlassenen Bauernhaus.
In ihren verschlissenen Schuhen und zerlumpten Uniformen zitterten Cabe und die anderen in der Kälte. Hungernd, zerschrammt und blutend warteten sie auf Entsatz, der niemals kam. Es ließ sich keinerlei Essen auftreiben und nur wenige Decken und Mäntel, um sich warmzuhalten. Die Munition war längst aufgebraucht. Viele der Männer waren verwundet, manche schwer. Sie waren nicht mehr als ein zerfledderter Haufen, zusammengehalten von blutigen Bandagen und Stolz, der rasch verfiel.
Innerhalb einer Stunde begann das Artilleriefeuer.
Die Wände fielen zusammen, das Dach stürzte ein. Die Verwundeten und Schwachen wurden von den Trümmern lebendig begraben. Johnny Miller, Cabes bester Freund in der ganzen Welt, wurde von einer Granate enthauptet. Verzweifelt versuchten die Überlebenden, die Verschütteten auszugraben, deren Schreie und jämmerliches Wimmern durch die frostige Luft hallten, aber es war hoffnungslos. Als die Yankees hereinstürmten, kreischend und blutrünstig, entkam Cabe mit drei anderen in die Wälder: Sammy Morrow, Pete Oland und Little Willy Gibson. Sie schleppten sich durch Sümpfe und krochen durch dorniges Dickicht, bis sie von oben bis unten mit kaltem Schlamm bedeckt waren. Ihre Gesichter waren aufgerissen und ihre Uniformen hingen in Fetzen herab.
Little Willy war völlig neben sich, kicherte und schluchzte abwechselnd, und Sammy Morrow schrie ihn wieder und wieder an, nannte ihn ein Muttersöhnchen und sagte ihm, es wäre langsam Zeit, sich von diesen verfickten Nippeln zu entwöhnen. Aber Little Willy ließ ihn links liegen und führte weiter Gespräche mit Männern, die schon längst tot waren.
»Er ist verrückt geworden, Tyler«, sagte Sammy zu Cabe. »Mit diesem Bastard an unserem Rockzipfel können wir nicht abhauen. Er wird uns verraten.«
»Wir können ihn nicht zurücklassen.«
»Warum nicht, zur Hölle?«, wollte Sammy wissen.
Aber Cabe dachte bei sich: Wenn Sammy die Antwort auf diese Frage nicht weiß, was hat es für einen Sinn, es ihm zu erklären?
In der Dämmerung des Sonnenuntergangs, erschöpft und eiskalt, ohne einen Bissen seit über vierundzwanzig Stunden, waren sie bereit, sich hinzulegen und zu sterben. Pete Oland, der voranging und die Gegend auskundschaftete, entdeckte einen Haufen toter Yankees auf einer Lichtung, die neben einem dunklen, blattlosen Dickicht lag. Cabe zählte zehn Männer. Zehn Männer in blauen Lumpen, die auf obszöne Weise verstümmelt worden waren. Jemand hatte sie skalpiert und zerstückelt. Ihre Gesichter waren von den darunter liegenden Schädelknochen abgetrennt worden. Die Bäuche waren geöffnet, die Eingeweide herausgerissen und überall verstreut wie Drahtbündel.
»Gottverdammt«, rief Pete. »Hast du schon mal so was gesehen?«
»Indianer«, sagte Sammy. »Diese ganzen Indianer unter Pike.«
Vielleicht hat er recht, dachte Cabe. Die Cherokee und die Creek, die Chocktaw und die Chickasaw. Es wäre nicht das erste Mal, dass indianische Truppen ein klein wenig zu begeistert vom Gemetzel waren und wieder in ihre alten Gewohnheiten zurückfielen.
»Ich mag diese Yankee-Bastarde nicht«, sagte Sammy. »Aber das hier! Gott Allmächtiger, dafür gibt es keinen Grund! Hörst du? Keinen Grund! Verfluchte Indianer! Von wegen Zivilisierte Stämme!«
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