Название: Gesammelte Werke
Автор: Odon von Horvath
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027226528
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Und Harry fuhr fort, der Bolschewismus sei ein Verbrechen und jeder Bolschewist ein Verbrecher. Er kenne zwar eine Ausnahme, den Sohn eines Justizrates und der wäre ein weltfremder Idealist, aber trotzdem interessiere sich dieser Weltfremde nur für elegante Damen. Dieser Idealist sehe immer enorm ausgemergelt aus und er habe ihm mal erklärt, daß, wenn eine Dame nicht elegant wäre, könne er keinen Kontakt zu ihr kriegen, und dies sei sein Konflikt. Und er habe noch hinzugefügt: »Wenn das so weitergeht, gehe ich noch an meinem Konflikt zugrunde.«
Und Harry erklärte Agnes, dieser Salonkommunist sei nämlich enorm sinnlich.
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Sie fuhren durch Possenhofen.
Hier wurde eine Kaiserin von Österreich geboren, und drüben am anderen Ufer ertrank ein König von Bayern im See. Die beiden Majestäten waren miteinander verwandt und als junge Menschen trafen sie sich romantisch und unglücklich auf der Roseninsel zwischen Possenhofen und Schloß Berg.
Es war eine vornehme Gegend. Vor Feldafing spielten zwei vollschlanke Jüdinnen Golf.
Eine vollschlanke Majorin fing erst vor kurzem an.
»Essen tun wir in Feldafing«, entschied Harry. »In Feldafing ist ein annehmbares Publikum, seit der Golfplatz draußen ist. Ich fahr oft heraus, in der Stadt kann man ja kaum mehr essen, überall sitzt so ein Bowel.«
Und er meinte noch, früher sei er auch oft nach Tutzing gefahren, das liege sechs Kilometer südlich, aber jetzt könne kein anständiger Mensch mehr hin, nämlich dort stünde jetzt eine Fabrik und überall treffe man Arbeiter.
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In Feldafing sitzt man wunderbar am See.
Besonders an einem Sommerabend ohne Wind. Dann ist der See still und du siehst die Alpen von Kufstein bis zur Zugspitze und kannst es oft kaum unterscheiden, ob das noch Felsen sind oder schon Wolken. Nur die Benediktenwand beherrscht deutlich den Horizont und wirkt beruhigend.
Agens kannte keinen einzigen Berg und Harry erklärte ihr, wie die Gipfel und Grate heißen und ob sie gefährlich zu bezwingen wären, langwierig, leicht oder überhaupt nicht. Denn Harry war auch Hochtourist, aber schon seit geraumer Zeit wollte er von der Hochtouristik nichts mehr wissen, da er es nicht mitansehen konnte, wie grauenhaft unsportlich sich neunundneunzig Prozent der Hochtouristen benehmen. Er verübelte es ihnen, daß sie sich statt einer sportlich einwandfreien Ausrüstung nur Lodenmäntel kaufen können und er verzieh es ihnen nicht, daß sie untrainiert waren, weil sie im Jahre nur vierzehn Tage Urlaub bekommen.
Diese neunundneunzig Prozent verekelten ihm Gottes herrliche Bergwelt und nun besaß er nur drei Interessensphären: das Eishockeyspielen, das Autofahren und die Liebe. Manchmal verwechselte er diese Begriffe. Dann liebte er das Eishockey, spielte mit dem Auto und fuhr mit den Frauen.
Seine Einstellung Schlittschuhen und Autozubehörteilen gegenüber kann ruhig als pedantisch bezeichnet werden. Hingegen Frauen gegenüber besaß er ein bedeutend nachsichtigeres Herz: er zog nur eine ungefähre Grenze zwischen zwanzig und vierzig Jahren und selbst innerhalb dieser Grenze war er nicht besonders wählerisch, bloß ordinär.
33
Im Seerestaurant zu Feldafing saßen außer Harry und Agnes noch elf Damen und elf Herren. Die Herren sahen Harry ähnlich, obwohl sich jeder die größte Mühe gab, anders auszusehen.
Die Damen waren durchaus gepflegt und sahen daher sehr neu aus, bewegten sich fein und sprachen dummes Zeug. Wenn eine aufs Klosett mußte, schien sie verstimmt zu sein, während ihr jeweiliger Herr aufatmend rasch mal in der Nase bohrte.
Die Speisekarte war lang und groß, aber Agnes konnte sie nicht entziffern, obwohl die Speisen keine französischen Namen hatten, sondern hochdeutsch, jedoch eben ungewöhnlich vornehme.
»Königinsuppe?« hörte sie des Kellners Stimme und ihr Magen knurrte. Der Kellner hörte ihn knurren und betrachtete voll Verachtung ihren billigen Hut, denn das Knurren kränkte ihn, da er einen schlechten Charakter hatte.
Harry bestellte zwei Wiener Schnitzel mit Gurkensalat. Bei »Wiener« fiel Agnes Eugen ein – es war sieben Uhr und sie dachte, jetzt stehe jener Österreicher wahrscheinlich nicht mehr an der Ecke der Schleißheimerstraße. Jetzt spreche jener Östereicher vielleicht gerade eine andere Münchnerin an und gehe dann mit der auf das Oberwiesenfeld und setze sich unter eine Ulme. Und Agnes freute sich auf den Gurkensalat, nämlich sie liebte jeden Salat und sagte sich: »So sind halt die Männer!«
Seit Juni 1927 hatte Agnes keinen Gurkensalat gegessen. Damals hatte sie ein Mediziner zum Abendessen im »Chinesischen Turm« eingeladen und hernach ist sie mit ihm durch den Englischen Garten gegangen. Dieser Mediziner hatte sehr gerne Vorträge gehalten und hatte ihr auseinandergesetzt, daß das Verzehren eines Gurkensalates auch nur eine organische Funktion ist, genau wie das Sitzen unter einer Ulme. Und dann hatte er ihr von einem bedauernswerten Genie erzählt, das den Unterschied zwischen der Mutter- und Dirnennatur entdeckt hatte. Aber schon kurz nach dieser Entdeckung hatte jenes bedauernswerte Genie diesen Unterschied plötzlich nicht mehr so genau erkennen können und hat sich erschossen, wahrscheinlich weil er sich mit dem Begriff Weib hatte versöhnen wollen. Und dann hatte der Mediziner auch noch gemeint, daß er noch nicht wüßte, ob Agnes eine Mutter- oder Dirnennatur sei.
34
Die Wiener Schnitzel waren wunderbar, aber Harry ließ das seine stehen, weil es ihm zu dick war und bestellte sich russische Eier und sagte »Prost!«
Auch der Wein war wunderbar und plötzlich fragte Harry: »Wie gefall ich Ihnen?«
»Wunderbar«, lächelte Agnes und verschluckte sich, nicht weil sie immerhin übertrieben hatte, sondern weil sie eben mit einem richtigen Hunger ihren Teil verzehrte. Es schmeckte ihr derart, daß der Direktor des Seerestaurants anfing, sie mißtrauisch zu beobachten, als hielte er es für wahrscheinlich, daß sie bald einen Löffel verschwinden läßt.
Denn die wirklich vornehmen Leute essen bekanntlich, als hätten sie es nicht nötig zu essen, als wären sie der Materie entwachsen. Als wären sie vergeistigt und sie sind doch nur satt.
»Wissen Sie«, sagte Harry plötzlich, »daß ich etwas nicht ganz verstehe: wieso kommt es, daß ich bei Frauen soviel Glück habe? Ich hab nämlich sehr viel Glück. Können Sie sich vorstellen, wieviel Frauen ich haben kann! Ich kann jede Frau haben, aber das ist nicht das richtige.«
Er blickte verträumt nach der Benediktenwand und dachte: »Wie mach ich es nur, daß ich auf sie naufkomm? Das beste ist, ich warte, bis es finster ist, dann fahr ich zurück und bieg in einen Seitenweg ein. Nach Starnberg und wenn sie nicht will, dann fliegt sie raus.«
»Es ist nicht das richtige«, СКАЧАТЬ