Gesammelte Werke. Odon von Horvath
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Odon von Horvath

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027226528

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СКАЧАТЬ diese Kunst!

      Keine zwanzig Pfennige würde sie für diese Kunst ausgeben! Wie oft hatte sie sich schon über diese ganze Kunst geärgert!

      Wie gut haben es doch die Bilder in den Museen! Sie wohnen vornehm, frieren nicht, müssen weder essen noch arbeiten, hängen nur an der Wand und werden bestaunt, als hätten sie Gottweißwas geleistet.

      Aber am meisten ärgerte sich Agnes über die Glyptothek auf dem Königsplatze, in der die Leute alte Steintrümmer beglotzen, so andächtig, als stünden sie vor der Auslage eines Delikatessengeschäftes.

      Einmal war sie in der Glyptothek, denn es hat sehr geregnet und sie ging gerade über den Königsplatz. Drinnen führte einer mit einer Dienstmütze eine Gruppe von Saal zu Saal und vor einer Figur sagte er, das sei die Göttin der Liebe. Die Göttin der Liebe hatte weder Arme noch Beine. Auch der Kopf fehlte und Agnes mußte direkt lächeln und einer aus der Gruppe lächelte auch und löste sich von der Gruppe und näherte sich Agnes vor einer Figur ohne Feigenblatt. Er sagte, die Kunst der alten Griechen sei unnachahmbar und vor dem Kriege hätten auf Befehl des Zentrums die Saaldiener aus Papier Feigenblätter schneiden und diese auf die unsterblichen Kunstwerke hängen müssen und das wäre wider die Kunst gewesen. Und er fragte Agnes, ob sie mit ihm am Nachmittag ins Kino gehen wollte und Agnes traf sich mit ihm auf dem Sendlingertorplatz. Er kaufte zwei Logenplätze, aber da es Sonntag war und naß und kalt, war keine Loge ganz leer und das verstimmte ihn und er sagte, hätte er das geahnt, so hätte er zweites Parkett gekauft, denn dort sehe man besser, er sei nämlich sehr kurzsichtig. Und er wurde ganz melancholisch und meinte, wer weiß, wann sie sich wiedersehen werden, er sei nämlich aus Augsburg und müsse gleich nach der Vorstellung wieder nach Augsburg fahren und eigentlich liebe er das Kino gar nicht und die Logenplätze wären verrückt teuer. Agnes begleitete ihn hernach an die Bahn, er besorgte ihr noch eine Bahnsteigkarte und weinte fast, da sie sich trennten und sagte: »Fräulein, ich bin verflucht. Ich hab mit zwanzig Jahren geheiratet, jetzt bin ich vierzig, meine drei Söhne zwanzig, neunzehn und achtzehn und meine Frau sechsundfünfzig. Ich war immer Idealist. Fräulein, Sie werden noch an mich denken. Ich bin Kaufmann. Ich hab Talent zum Bildhauer.«

       Inhaltsverzeichnis

      Drei Stunden später schlug es dreiviertelfünf.

      AML beschäftigte sich bereits seit vier Uhr mit dem Hintergrunde seiner »Hetäre im Opiumrausch«. Der Hintergrund war nämlich seine schwächste Seite. Unter solch einem Hintergrund konnte er unsagbar leiden.

      Auch jetzt juckte es ihn überall, es offenbarten sich ihm nur Hintergründe, die nicht in Frage kamen.

      So schien ihm also der Dreiviertelfünfuhrschlag als wahre Erlösung, denn da sein Freund Harry Priegler um fünf Uhr erscheinen wollte, konnte er sagen: »Ziehen Sie sich an, Fräulein Pollinger! Für heut sind wir soweit. Dieser Hintergrund! Dieser Hintergrund! Dieser ewige Hintergrund!«

      Und während Agnes sich vor einem Hintergrunde, der ebenfalls nicht in Frage kam, anzog, knurrte ihr Magen. Sie hatte nämlich an diesem Tage zwei Semmeln gegessen, sonst noch nichts. Ursprünglich hatte sie sich ja Suppe, Fleisch, gemischten Salat und Kompott bestellen wollen, so ein richtiges Menü für neunzig Pfennig, aber da sie erst um halb zwölf erwacht war und dann auch noch zehn Minuten lang gemeint hatte, es wäre erst acht oder höchstens neun, während sie doch um zwölf Uhr bereits als Hetäre im Atelier sein mußte, so war ihr eben für jenes Menü keine Zeit übrig geblieben. Abgesehen davon, daß sie ja nur mehr dreiundzwanzig Pfennig besaß.

      Die zwei Semmeln kaufte sie sich bei jener Bäckersfrau in der Schellingstraße, die bekannt war ob ihrer Klumpfüße. Als Agnes den Laden betrat, las sie gerade die Hausbesitzerszeitung und meinte: »Der Mittelstand wird aufgerieben. Und was wird dann aus der Kultur? Überhaupts aus der Menschheit?«

      »Was geht mich die Menschheit an?« dachte Agnes und ärgerte sich, daß die Semmeln immer kleiner werden.

       Inhaltsverzeichnis

      Agnes schlüpfte in ihren Schlüpfer.

      »Es sind halt immer die gleichen Bewegungen«, überlegte sie. »Nur, daß ich jetzt seit einem Jahr keine Strumpfbänder trag, sondern einen Gürtel. Man kann zwar zum Gürtel auch Strumpfbänder tragen, aber oft haben die Männer schon gar keinen Sinn für Schmuck und werden bloß höhnisch und dann ist die ganze Stimmung zerrissen.«

      Und sie erinnerte sich einer Fotografie in der »Illustrierten«. Auf der sah man eine lustige Amerikanerin aus New York, die auf ihrem Strumpfband eine Uhr trug. Die »Strumpfbanduhr« stand darunter und dann war auch noch vermerkt, daß sie nicht nur einen Sekundenzeiger besitzt, sondern auch ein Läut- und Weckwerk und, daß sie nicht nur die Viertelstunden, sondern auch die Minuten schlägt und daß sie sich sogar als Stoppuhr verwerten läßt, zum Beispiel bei leichtathletischen Wettbewerben. Sie registriere nämlich genau die Zehntelsekunden und in der Nacht leuchte ihr Zifferblatt und überhaupt könne man von ihr auch die jeweiligen Stellungen der Sonne und des Mondes erkennen – – – ein ganzes Stück Weltall – und die glückliche Besitzerin dieser Strumpfbanduhr sei Miß Flora, die Tochter eines Konfektionskönigs, des Enkelkindes braver Berliner aus Breslau.

       Inhaltsverzeichnis

      Harry Priegler war pünktlich. Er nahm die vier Treppen, als wären sie gar nicht da und betrat das Atelier ohne Atembeschwerden, denn er war ein durchtrainierter Sportsmann.

      Als einziger Sohn eines reichen Schweinemetzgers und dank der Affenliebe seiner Mutter, einer klassenbewußten Beamtentochter, die es sich selbst bei der silbernen Hochzeit noch nicht völlig verziehen hatte, einen Schweinemetzger geheiratet zu haben, konnte er seine gesunden Muskeln, Nerven und Eingeweide derart rücksichtslos pflegen, daß er bereits mit sechzehn Jahren als eine Hoffnung des deutschen Eishockeysportes galt.

      Er hatte die Hoffenden nicht enttäuscht. Allgemein beliebt wurde er gar bald der berühmteste linke Stürmer und seine wuchtigen Schüsse auf das Tor, besonders die elegant und unhaltbar placierten Fernschüsse aus dem Hinterhalt, errangen internationale Bedeutung. Und was er auch immer vertrat, seinen Verein oder seine Vaterstadt, Südbayern oder Großdeutschland, immer kämpfte er überaus fair. Nie kam es vor, daß er sich ein »Foul« zuschulden kommen ließ, denn infolge seiner raffinierten Technik der Stockbehandlung und seiner überragenden Geschwindigkeit hatte er es nicht nötig.

      Natürlich trieb er nichts als Sport. Das Eishockey war sein Beruf, trotzdem blieb er Amateur, denn seinen nicht gerade bescheidenen Lebensunterhalt bestritten die geschlachteten Schweine.

      Harrys Arbeit hing in erschreckender Weise vom Wetter ab. Gab es kein Eis, hatte er nichts zu tun. Spätestens Mitte Februar wurde er arbeitslos und frühestens Mitte Dezember konnte er wieder eingestellt werden. Wenn ihm jemand während dieser Zeit auf der Straße begegnete, so teilte er dem mit einer gewissen müden Resignation mit, daß er entweder vom Schneider kommt oder zum Schneider geht. Er trug sich recht bunt, kaute Gummi und markierte mit Vorliebe den Nordamerikaner. Kurz: er war einer jener »Spitzen der Gesellschaft, die sich in ihren eigenen Autos bei AML Rendezvous geben«, wie sich der Kastner Agnes gegenüber so plastisch ausgedrückt und über die er noch geäußert hat: »Das sind Möglichkeiten! Ich verlange zwar keineswegs, daß du dich prostituierst.« Auch die übrigen Spieler seiner СКАЧАТЬ