Gesammelte Werke. Odon von Horvath
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Odon von Horvath

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027226528

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СКАЧАТЬ alle waren Söhne irgendwelcher Schweinemetzger in Wien, Elberfeld oder Kanada. Nur der rechte Verteidiger ließ sich von einer Dame, deren Mann für das Eishockey kein Gefühl hatte, aushalten.

      Mit diesem rechten Verteidiger vertrug sich Harry ursprünglich recht gut, aber dann trübte eine Liebesgeschichte ihre Zuneigung und seit jener Zeit haßte ihn der rechte Verteidiger. Immerhin besaß er aber Charakter genug, um bei Wettkämpfen mit Harry präzis zusammenzuspielen, als wäre nichts geschehen.

      Der rechte Verteidiger hatte sich nämlich mit Erfolg in die Geliebte des Tormannes verliebt und diese Geliebte hatte plötzlich angefangen, sich für Harry zu interessieren. Der Tormann, ein gutmütiger Riese, hat bloß traurig gesagt: »Frauen sind halt unsportlich« und der rechte Verteidiger hatte nichts dagegen einzuwenden, solange die Unsportliche auch ihn erhört hatte, denn er war ein großzügiger Mann. Aber Harry hatte jene Unsportliche nicht riechen können und darüber hatte sie sich so geärgert, daß sie plötzlich den rechten Verteidiger nicht mehr riechen konnte. »Also vom Wintersport hab ich jetzt genug«, hatte sie gesagt und ist nach San Remo gefahren und hat sich dort von einem faschistischen Parteisekretär Statuten beibringen lassen, ist dann zurückgekommen und hat vom Mussolini geschwärmt und konstatiert: »In Italien herrscht Ordnung!« Harry lernte AML im »Diana« kennen. Das »Diana« und der »Bunte Vogel« in der Adalbertstraße zu Schwabing waren während der Inflation sogenannte Künstlerkneipen mit Künstlerkonzert und es trafen sich dort allerhand arme Mädchen, Corpsstudenten, Schieber, verkommene Schauspieler, rachsüchtige Feuilletonisten und homosexuelle Hitlerianer. Hier entstand dies Lied:

      Wir wollen uns mit Kognak berauschen Wir wollen unsere Weiber vertauschen

      Wir wollen uns mit Scheiße beschmieren Wir wollen überhaupt ein freies Leben führen!

      Harry hatte für Kunst nichts übrig, ihn interessierten eigentlich nur die Mädchen, die sich möglichst billig erstehen ließen. Denn trotz seines lebemännischen Äußeren konnte er ab und zu recht geizig werden, wenn es um das Ganze ging. Überhaupt bricht bei Kavalieren seiner Art durch die Kruste der Nonchalance gar häufig überraschend primitiv eine ungebändigte Sinneslust, eine Urfreude am Leben.

      So hat mal der Mittelstürmer seiner Liebe den Nachttopf an den Kopf werfen wollen und ein anderer Mittelstürmer hat es auch getan.

      Als Harry und AML sich kennen lernten, fanden sie sich sogleich sympathisch. Beide waren betrunken, Harry hatte natürlich Valuten, AML natürlich nur mehr eine Billion, hingegen hatte er ein Mädchen, welches hinwiederum Harry nicht hatte. So bezahlte letzterer die Zeche und AML improvisierte ein Atelierfest. Kurz nach zwei Uhr übergab sich Harry und bettelte um ein Stück Papier, jedoch AML meinte: »Ehrensache! Das putz ich auf, das ist Hausherrnrecht! Ehrensache!« Und er putzte tatsächlich alles fein säuberlich auf und übergab sich dann selbst, während Harry ihm ob seiner Gastfreundschaft dankte. Dann näherte er sich einem Mädchen, das schon so müd war, daß sie ihn mit AML verwechselte.

      Aber AML verzieh Harry und meinte nur, die schönste Musik sei die Musik der Südsee. Dann schmiß er die Müde raus und so entwickelte sich zwischen den beiden Männern eine wahre Freundschaft. Harry bezahlte die Zeche der Mädchen, die AML einlud. Und so konnte es auch nicht ausbleiben, daß Harry sich anfing, für Kunst zu interessieren. Dumpf pochte in ihm die Pflicht, lebenden Künstlern unter die Arme zu greifen.

      Er ließ sich sein Lexikon prunkvoll einbinden, denn das sei schöner als die schönste Tapete oder Waffen an der Wand. Er las gerne Titel und Kapitelüberschriften, aber am liebsten vertiefte er sich in Zitate auf Abreißkalendern.

      Dort las er am hundertsten Todestag Ludwig van Beethovens: »Kunst ist eigentlich undefinierbar.«

       Inhaltsverzeichnis

      Als Agnes Harry vorgestellt wurde, sagte er: »Angenehm!« und zu AML: »Verzeih, wenn ich wiedermal störe!«

      »Oh bitte! Du weißt doch, daß ich nicht gestört werden kann! Fräulein Pollinger ist nur mein neues Modell. Ich stehe wiedermal vor dem Hintergrund. Bist du mit dem Auto da?«

      Hätte Agnes etwas Zerbrechliches in der Hand gehalten, dann hätte sie es bei dem Worte »Auto« wahrscheinlich fallen lassen, so unerwartet tauchte es vor ihr auf, als würde es sie überfahren – – obwohl sie sich doch seit Kastners Besuch darüber im klaren war, daß sie oben drinnen sitzen will. Und sie überraschte sich dabei, wie gut ihr Harrys grauer Anzug gefiel und, daß sie den Knoten seiner Krawatte fabelhaft fand.

      Die beiden Herren unterhielten sich leise. Nämlich AML wäre es irgendwie peinlich gewesen, wenn seine Hetäre erfahren hätte, daß er Harry vierzig Mark schuldet und daß er diese Schuld noch immer nicht begleichen kann und daß er Harry lediglich fragen wollte, ob er ihm nicht noch zwanzig Mark pumpen könnte. – »Sie fährt sicher mit«, meinte er und betonte dies »sicher« so überzeugt, daß es Agnes hören mußte, obwohl sie nicht lauschte.

      Nun wurde sie aber neugierig und horchte, denn sie liebte das Wort »vielleicht« und gebrauchte nie das Wort »sicher«. Und dies fiel ihr plötzlich auf und sie war mit sich sehr zufrieden.

      Scheinbar interessiert blätterte sie in den Briefen van Goghs und hörte, wie Harry von zwei Herren sprach, die ihm anläßlich seines fabelhaften Spieles in der Schweiz persönlich gratulieren wollten. Als sie ihm aber ihre Aufwartung machten, da stahlen sie ihm aus seiner Briefmarkensammlung den »schwarzen Einser« und den »sächsischen Dreier«. Einer von ihnen habe sich an eine Baronin attachiert und diese Baronin sei sehr lebensfreudig, nämlich sie habe sich gleich an drei Männer attachiert. Der Baron sei unerwartet nach Hause gekommen und habe nur gesagt: »Guten Abend, die Herren!« und dann sei er gleich wieder fort. Die Herren seien verdutzt gewesen und der Baron habe sich in der gleichen Nacht auf dem Grabe seiner Mutter erschossen. Harry sagte noch, er verstünde es nicht, wie man sich aus Liebe erschießen kann.

      Auch Agnes verstand dies nicht.

      Sie dachte, was wäre das für eine Überspanntheit, wenn sie sich auf dem Grabe ihrer Mutter erschießen würde. Oder wenn sich zum Beispiel jetzt der Eugen auf dem Grabe seiner Mutter erschießen würde. Abgesehen davon, daß seine Mutter vielleicht noch lebt, würde ihr so etwas niemals einfallen, und auch dem Eugen wahrscheinlich vielleicht niemals. Zwar hätte es ganz so hergeschaut, als hätte er ein tieferes Gefühl für sie empfunden, denn er hätte schon ziemlich gestottert, wenn er ihr etwas Erfreuliches hätte sagen wollen.

      Auch Agnes stotterte einst.

      Zur Zeit ihrer einzigen großen Liebe, damals, da sie mit dem Brunner aus der Schellingstraße ging, stieg ihr auch jedesmal, wenn sie an ihn dachte, so ein tieferes Gefühl aus dem Magen herauf und blieb in der Gurgel stecken. Und wenn sie ihm gar mal unerwartet begegnete, wurde es ihr jedes Mal übel vor lauter Freude, so, daß sie sich am liebsten übergeben hätte. Der Brunner aber lachte jedes Mal, nur einmal wurde er plötzlich sehr ernst und streng und meinte, wenn man an nichts anderes zu denken hätte, so wäre ja so eine große Liebe recht abwechslungsreich. Darüber war sie dann recht empört, denn sie hatte ja alles andere, an das sie sogar sehr hätte denken müssen, vergessen. Sie las ja auch damals bloß solch blöde Bücher über eifersüchtige Männer und leidenschaftliche Weiber.

      Und als sie dann der Brunner sitzen ließ, heulte sie auf ihrer verwanzten Matratze und es fiel ihr tatsächlich ein: was tät er sagen, wenn ich jetzt aus dem Fenster springen tät? Und vielleicht grad ihm auf den Kopf fallen tät?

      Seinerzeit lief sie sogar in die Kirche und betete: »Lieber Gott! Laß diesen Kelch an mir vorübergehen – –« Sie sprach plötzlich hochdeutsch, nämlich СКАЧАТЬ