Gesammelte Werke. Odon von Horvath
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Odon von Horvath

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027226528

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СКАЧАТЬ im Winter die Sonne so scheinen würde wie im Sommer. Dann dürfte es ruhig schneien.

      Links an der Wand lehnte ein kleiner eiserner Herd. Auf ihm standen Bierflaschen, Teetassen, ein Teller, zwei verbogene Löffel, ein ungereinigter Rasierapparat und die Briefe Vincent van Goghs in Halbleinen. Hinter einer spanischen Wand lag ein Grammophon in einem unüberzogenen Bette und rechts im Hintergrund thronte ein Buddha auf einer Kiste, die mysteriös bemalt war. An den Wänden hingen Reproduktionen von Greco und Bayros und drei Originalporträts phantastischer indischer Göttinnen von AML. Die Staffelei wartete vor einem kleinen Podium, auf dem sich ein altes durchdrücktes Sofa zu schämen schien. Es roch nach Ölfarben, Sauerkohl und englischen Zigaretten.

      Und AML sprach:

      »Wie, Sie heißen Agnes? Ich war einst mit einer Agnes befreundet, die schrieb die entzückendsten Märchen, so irgendwie feine zarte in der Farbe. Sie war die Gattin unseres Botschafters in der Tschechoslowakei. Sie haben Sie gekannt? Nein? Sehr schade, da haben Sie wirklich etwas versäumt! Ich bin auch mit dem Botschafter befreundet, ich habe ihn porträtiert und das Bild hängt nun in der Nationalgalerie in Berlin. Kennen Sie Berlin? Nein? Sehr schade, da haben Sie wirklich etwas versäumt! Als ich das letze Mal in Berlin war, traf ich Unter den Linden meinen Freund, den Botschafter in der Tschechoslowakei. Sie kennen doch die Tschechoslowakei? Nein? Ich auch nicht. Sehr schade, da haben Sie wirklich etwas versäumt.«

      Und dann sprach er über die alte Stadt Prag und erwähnte so nebenbei den Golem. Und er meinte, er sei nun auf die tschechoslowakischen Juden zu sprechen gekommen, weil seine Großmutter Argentinierin gewesen wäre, eine leidenschaftliche Portugiesin, die man einst in Bremen wegen ihrer schwarzen Glutaugen leider für eine Israelitin gehalten hätte – und er unterbrach sich selbst ungeduldig; er wolle nun tatsächlich nicht über die südamerikanischen Pampas plaudern, sondern über sich, seine Sendung und seine Arbeitsart. Der Kastner würde es ihr ja wahrscheinlich schon mitgeteilt haben, daß er sie im Auftrag eines Düsseldorfer Generaldirektors als Hetäre im Opiumrausch malen muß.

      So benannte AML einen Viehhändler aus Kempten zum Generaldirektor in Düsseldorf und Agnes wurde stutzig: der Kastner hätte ihr doch gesagt, daß sie im Auftrage des hessischen Freistaates als Hetäre im Opiumrausch gemalt werden würde.

      Doch AML lächelte nur und log: der Kastner hätte sich versprochen, denn im Auftrage des hessischen Freistaates müßte er eine Madonna schaffen. Aber dazu benötige er ein demivièrge Modell mit einem wissenden Zug um den unbefleckten Mund. Er sei sich ja bewußt, daß er nicht das richtige Verhältnis zur Muttergottes besitze, und er führte Agnes vor den Buddha auf der Kiste.

      Das sei sein Hausaltar, erklärte er ihr. Sein Gott sei nicht gekreuzigt worden, sondern hätte nur ständig seinen Nabel betrachtet und dieser Erlöser nenne sich Buddha. Er selbst sei nämlich Buddhist. Auch er würde regelmäßig meditieren, zur vorgeschriebenen Zeit die vorschriftsmäßigen Gebete und Gebärden verrichten und wenn er seiner Eingebung folgen dürfte, würde er die Madonna mit sechs Armen, zwölf Beinen, achtzehn Brüsten und drei Köpfen malen. Aber das Interessanteste an ihm sei, daß er trotz der buddhistischen Askese Sinn für Hetären im Opiumrausch habe, das sei eben sein Zwiespalt, er habe ja auch zwei verschiedene Gesichtshälften. Und er zeigte ihr sein Selbstporträt. Das sah aus, als hätte er links eine gewaltige Ohrfeige bekommen.

      »Die ungemeine Ausprägung der linken Gesichtshälfte ist ein Merkmal der Invertiertheit«, konstatierte er. »Alle großen Männer waren invertiert. Auch Oscar Wilde.« Neuerdings nämlich überraschte sich AML bei Erregungen homosexueller Art. Als korrekter Hypochonder belauerte er auch seinen Trieb.

      Und Agnes betrachtete Buddhas Nabel und dachte, das wäre bloß ein Schmeerbauch, und wenn der Buddhist noch nicht blöd sein sollte, so würde er bald verblöden, so intelligent sei er.

       Inhaltsverzeichnis

      Agnes trat hinter die spanische Wand. »Ziehen Sie sich nur ruhig aus«, vernahm sie des Buddhisten Stimme und hörte, wie er sich eine Zigarette anzündete. »Es ist bekannt, daß sich das erste Mal eine gewisse Scheu einstellt. Sie sind doch kein Berufsmodell. Jedoch nur keine falsche Scham! Wir alle opfern auf dem Altare der Kunst und ohne Schamlosigkeit geht das eben nicht, sagt Frank Wedekind.«

      Agnes fand es höchst überflüssig, daß er sich verpflichtet fühlte, ihr das Entkleiden zu erleichtern, denn sie dachte sich ja nichts dabei, da es ihr bekannt war, daß sie gut gebaut ist.

      Einmal wurde sie von der Tante erwischt, wie sie sich gerade Umfang und Länge ihres Oberschenkels maß, nämlich in der Sonntagsbeilage standen die genauen Maße der amerikanischen Schönheitskönigin Miss Virginia und die Redaktion der Sonntagsbeilage versprach derjenigen Münchnerin hundert Mark, deren Körperteile genau die selben Maße aufweisen konnte. Die Tante behauptete natürlich, das wären wahrscheinlich die Maße eines Menschenaffen und Agnes täte bedeutend klüger, wenn sie auf das Arbeitsamt in der Thalkirchner Straße ginge, statt sich von oben bis unten abzumessen, wie eine Badhur und sie fragte sie noch, ob sie sich denn überhaupt nicht mehr schäme. Agnes dachte sich nur, wenn sie der Tante ihre Maße hätte, dann würde sie sich allerdings schämen und freute sich, daß sie genau so gebaut ist wie Miss Virginia. Nur mit dem Busen, dem Unterarm und den Ohren klappte es nicht so ganz genau, aber sie beschwindelte sich selbst und war überzeugt, das könne bei der Verteilung der hundert Mark keinerlei Rolle spielen. Aber es spielte eine Rolle und die hundert Mark gewann ein gewisses Fräulein Koeck aus der Blumenstraße und in der nächsten Sonntagsbeilage protestierte dagegen ein Kaufmann aus der Thierschstraße, weil die Hüfte seiner Gattin nur um einen knappen Zentimeter breiter wäre, als die Hüfte der Schönheitskönigin und Fräulein Koeck hätte doch hingegen um einen ganzen halben Zentimeter dünnere Oberschenkel und um zwo Zentimeter längere Finger. Auch ein Turnlehrer aus der Theresienstraße protestierte und schrieb, man müsse überhaupt betreffs Hüften die Eigenart des altbayerischen Menschenschlages gebührender berücksichtigen, und es gäbe doch gottlob noch unterschiedliche Rassenmerkmale. Und Agnes dachte, es gibt halt keine Gerechtigkeit.

      Damals schlug ihr dann der Kastner vor, ob er sie als künstlerischen Akt fotografieren dürfe, aber sie müsse sich vorher noch so ein Lächeln wie die Hollywooder Stars antrainieren. Sie ließ sich zwar nicht fotografieren, versuchte aber vor dem Spiegel das Hollywooder Lächeln zu erlernen, fing jedoch plötzlich an Grimassen zu schneiden und erschrak derart über ihr eigenes Gesicht, daß sie entsetzt davonlief.

      Aber der Kastner ließ nicht locker und noch vor zehn Tagen, als er mit ihr am Ammersee badete, versuchte er sie zu fotografieren. Er erzählte ihr, daß in Schweden alles ohne Trikot badet, denn das Trikot reize die Phantasie, ohne sie zu befriedigen und das wäre ungesund. Hier mengte sich ein fremder Badegast in das Gespräch und sagte, er wäre Schwede und er fragte Agnes, ob sie nicht mit ihm Familienkunde treiben wolle, maßen sie einen Langschädel habe und blau und blond sei; jedoch der Kastner wurde sehr böse und log, er selbst sei ebenfalls Schwede, worauf jener Schwede sehr verlegen wurde und kleinlaut hinzufügte, er wäre allerdings nur ein geborener Schwede, aber Privatgelehrter. –

      Dieser geborene schwedische Privatgelehrte fiel nun Agnes plötzlich ein, weil AML sagte: »In Schweden badet alles ohne Trikot. Lassen Sie die Strümpfe an! Ein weiblicher Akt mit Strümpfen wirkt bekanntlich erotisierender. Meine Hetäre trägt Strümpfe! Ich will die Hetäre mit Strümpfen erschaffen, mit Pagenstrümpfen! Eine Hetäre ohne Pagenstrümpfe ist, wie –« Er stockte, denn es fiel ihm kein Vergleich ein, und er ärgerte sich darüber und fuhr rasch fort: »Ich las gestern eine pittoreske Novelle von –« Er stockte wieder, denn es fiel ihm kein Novellist ein und legte wütend los: »Vorgestern habe ich mich rasiert und da habe ich mich furchtbar geschnitten und heute habe ich mich wieder rasiert und habe mich nicht geschnitten! Kennen Sie die Psychoanalyse? Es ist alles Symbol, das stimmt. СКАЧАТЬ