Название: Verbergen und Suchen
Автор: Уилки Коллинз
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Es dauerte eine lange Zeit, bevor einer von uns entdeckte, was sich in der Wirklichkeit zugetragen hatte. Die Verletzung ihres Armes, sagte der Doktor, hätte ihren Kopf gerettet, welcher nur leicht verwundet und ein wenig gequetscht wäre; nicht halb so schlimm, als man befürchtete. Tag für Tag und Nacht für Nacht saß ich vor ihrem Bette, sie in ihrem Fieber tröstend und den Schmerz an ihrem geschienten Arme lindernd; ich vermutete niemals – eben sowenig wie er selbst – das schreckliche Unglück, welches sich ereignet hatte. Sie war bei frühern leichten Krankheiten immer wunderbar ruhig und still, das arme Lamm, und so kam es, dass ich mich zuerst nicht wunderte, wenn sie niemals ein Wort sagte und mir niemals antwortete, wenn ich mit ihr sprach.
Dies dauerte fort, obgleich ihr körperliches Wohlbefinden sich besserte; ihre Augen aber nahmen einen sonderbaren Blick an. Sie schienen immer umher zu wandern und scheu in einer verworrenen Weise nach einem oder dem andern Dinge hinzustarren. Sie fing auch an, ihren Kopf unruhig von der einen Seite des Kissens nach der andern zu wälzen, gab dann und wann eine Art von Murmeln und Summen von sich, schien aber sich dennoch niemals um irgendetwas zu bekümmern oder irgendetwas zu beachten, was ich zu ihr sagte. Eines Tages wärmte ich ihr eine Tasse Tee und hörte ganz plötzlich und ganz deutlich folgende Worte aus der Richtung kommen, wo sie in der Stube lag —»Warum seid ihr immer so ruhig hier? Warum spricht nicht Jemand mit mir?«
Ich wusste, dass zur Zeit keine andere Seele in dem Zimmer war als das arme Kind, und dennoch war die Stimme, welche jene Worte sprach, derjenigen der kleinen Marie so unähnlich als meine Stimme, mein Herr, der Ihrigen. Sie klang so heiser und leise, so tief und schwach; es war die sonderbarste auffallendste Stimme, die ich jemals von einem Kinde hörte, welches vorher stets so deutlich und hübsch zu sprechen pflegte. Wenn ich nur meine Worte besser setzen und Ihnen, verehrte Frau, einen gehörigen Bericht darüber abstatten könnte, aber das kann ich nicht. Ich weiß, der Klang dieser Worte erschreckte mich so, dass ich den Tee umwarf und in meiner Angst nach dem Bette zurücklief. »Nun Marie! Marie!« sage ich ganz laut, »bist Du denn schon wieder so wohl, dass Du Herrn Jubbers rauhe Stimme nachzuahmen versuchst?«
Derselbe staunende Blick war in ihren Augen, – nur wilder, als ich ihn je vorher gesehen hatte – während ich mit ihr sprach. Hierauf sagte sie in derselben sonderbaren Weise: »Sprich laut Mutter, ich kann Dich nicht hören, wenn Du so leise flüsterst.« Sie brauchte so lange, um diese Worte zu sagen, und stümperte so sehr daran, als wenn sie gerade erst anfinge sprechen zu lernen. Ich glaube, damals war es, wo ich die erste Vermutung von dem großen Unglücke hatte, das sie wirklich betroffen. »Marie!« rief ich so laut aus, wie ich konnte, »Marie! Kannst Du mich jetzt nicht hören?« Sie schüttelte mit ihrem Kopfe und starrte mich wieder mit dem starren verwunderten Blick an, dann schien sie plötzlich eigensinnig und ungeduldig zu werden – es war das erste Mal, dass ich sie so sah – und verbarg ihr Gesicht vor mir in dem Kissen. Gerade in diesem Augenblicke trat der Doktor herein. »O mein Herr«, sagte ich ihm zuflüsternd, gerade wie wenn ich nicht vor einer Minute erst entdeckt hätte, dass sie mein lautestes Schrein nicht hören könnte »ich fürchte, dass es mit ihrem Gehör nicht ganz in Ordnung ist.« »Haben Sie das nur erst seit jetzt vermutet?« fragte er, »ich habe dies schon seit einigen Tagen befürchtet, aber ich hielt es für das Beste, noch nichts davon zu sagen, bis ich sie untersucht hätte; und das arme Kind ist kaum wohl genug, um mit Experimenten an seinen Ohren geplagt zu werden.« »Sie ist weit besser«, sage ich, »sie ist wirklich heute weit besser, mein Herr! Bitte, untersuchen Sie sie jetzt, denn es ist fürchterlich, einen Augenblick länger als nötig darüber in Zweifel zu sein.«
Er trat an ihr Bett und ich folgte ihm. Sie lag mit ihrem Gesicht von uns abgewendet, mit ihrem Kopf auf dem Kissen, geradeso, wie ich sie verließ. Der Doktor sagte zu mir: »Stören Sie sie nicht und lassen Sie sie nicht im Zimmer herumsehen, so dass sie uns erblicken kann – ich werde sie rufen.« Und er rief zweimal laut »Marie!«, sie rührte sich nicht. Als er das Experiment zum dritten Male anstellte, schrie er so laut, dass die Wirtin herauf kam, weil sie dachte, es hätte sich irgendetwas ereignet. Ich sah über seine Schulter und bemerkte, dass das liebe Kind sich nicht im Geringsten bewegt hatte. »Das arme kleine Wesen«, sagte der Doktor ganz bekümmert, »das ist schlimmer, als ich erwartete. Er beugte sich nieder und berührte sie, während er dies sagte, und sie drehte sich sogleich um und streckte ihm ihre Hand entgegen, damit er wie gewöhnlich ihren Puls fühlen könne. Ich versuchte es, mich vor ihr zu verbergen, denn ich weinte und wünschte nicht, dass sie es bemerken sollte, aber sie war zu gewitzt für mich. Sie sah mir, der Wirtin und dem Doktor starr ins Gesicht; der letztere sah niedergeschlagen genug aus, denn er hatte sie sehr lieb gewonnen, wie auch jeder andere, der öfters in die Nähe der kleinen Marie kam.
»Was geht hier vor?« sagte sie wieder mit derselben Stimme. »Warum sprechet Ihr nicht laut, so dass ich es hören kann —« und dann hielt sie an, anscheinend in hilfloser Angst und Verwirrung. Sie versuchte sich im Bette aufzusetzen und ihr Gesicht wurde über und über rot.
»Kann sie Geschriebenes lesen?« fragte der Doktor. »O ja, mein Herr!« sage ich, sie kann prächtig lesen und schreiben für ein Kind ihres Alters; mein Mann hat es ihr gelehrt.« »Bringen Sie mir sogleich Tinte, Feder und Papier«, sagte er zur Wirtin, die sogleich ging und ihm das gewünschte brachte. »Wir müssen sie auf alle Fälle beruhigen«, sagte der Doktor, »oder sie wird sich so sehr aufregen, dass sie einen andern Fieberanfall bekommt. Sie fühlt, was mit ihr vorgegangen ist, aber sie versteht es noch nicht, und ich will es ihr vermittelst dieses Papiers sagen. Es ist gefährlich«, sagte er, in großen Buchstaben niederschreibend: »Du bist taub«, »aber ich muss sogleich jedes Experiment mit ihrem Gehör versuchen, und dies wird sie darauf vorbereiten.« Er trat an ihr Bett und hielt ihr das Papier vor die Augen.
Beim Anblick dieser Worte sank sie zurück auf das Kissen, so still wie der Tod, aber sie weinte nicht und ich möchte sagen, sie sah mehr verlegen und erstaunt als betrübt aus. Sie atmete aber fürchterlich schnell, ich fühlte dies, als ich mich niederbeugte und sie küsste. »Sie ist zu jung«, sagte der Doktor, »um die Größe ihres Unglücks ganz zu begreifen. Bleiben Sie hier und beruhigen Sie sie, bis ich zurückkomme, denn ich hoffe, dieser Fall ist noch nicht ganz hoffnungslos.« »Aber was in aller Welt hat sie taub gemacht, mein Herr?« fragte die Wirtin. »Die Erschütterung von jenem Falle im Zirkus«, sagte er eiligst fortgehend. Ich dachte meinen Kopf niemals wieder in die Höhe richten zu können, als ich diese Worte hörte, und presste die kleine Marie heftig an mich.
Der Doktor kam zurück und machte zuerst Einspritzungen in ihr Ohr, leider aber ohne Erfolg; dann legte er ihr eine spanische Fliege und hierauf setzte er ihr Blutegel an, aber auch dies war umsonst. »Ich befürchte, es ist ein hoffnungsloser Fall«, sagte er, »aber ich kenne einen Arzt, der mehr Praxis unter Ohrenkranken hat als ich, und der jede Woche von seinem Wohnorte nach unserm Krankenhause kommt. Morgen trifft er ein, und da will ich ihn mit hierher bringen.«
Tags darauf erschien der versprochene Arzt, ein liebevoller alter Herr. »Ich befürchte, Sie müssen nach dem, was ich von meinem Freunde hier erfahren habe, sich auf das Schlimmste vorbereiten«, sagte er zu mir, »denn ich glaube nicht, dass hier viel Hoffnung vorhanden ist.« Dann trat er an das Bett, betrachtete sie lange und sagte zu ihr: »Du hörst es nicht, wenn ich Dir sage, dass Du das schönste kleine Mädchen bist, das ich jemals in meinem Leben sah?« Sie betrachtete ihn verwirrt und blieb ganz still. Er sprach nicht wieder mit ihr, aber er sagte zu mir, dass ich sie auf dem Bette herumdrehen sollte, damit er zu einem ihrer Ohren gelangen könnte.
Er nahm inzwischen einige Instrumente heraus und führte sie in ihr Ohr, aber so vorsichtig, dass er ihr durchaus nicht weh tat. Dann sah er durch ein sonderbares Vergrößerungsglas (einen Ohrenspiegel) hinein. Ebenso machte er es mit dem andern Ohre, darauf legte er die
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