Название: Verbergen und Suchen
Автор: Уилки Коллинз
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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Die arme Frau Peckover! Sie ist niemals in einem solchen Hause wie der Rektorwohnung gewesen, sie hat niemals vorher in ihrem Leben mit einem Doktor der Theologie gesprochen. Sie war sehr erhitzt, rot und zitternd, machte fürchterliche grammatikalische Fehler und schmiegte sich so furchtsam an Herrn Blyth, wie wenn sie ein kleines Mädchen gewesen wäre. Es gelang dem Rektor jedoch bald, ihr einen bequemen Platz am Tische anzuweisen. Sie machte Vance eine ehrerbietige Verbeugung, als sie bei ihm vorbeiging, da er ohne Zweifel den Eindruck auf sie gemacht hatte, als wäre er ein zweiter Doktor der Theologie, der noch größer und gelehrter als der erste war.
Frau Joyce musste ihre Töchter dreimal rufen, ehe sie dieselben bewegen konnte, zum Frühstückstische zu kommen. Wenn sie Valentins Auge für das Romantische und Schöne besessen hätte, würde sie gewiss nicht im Stande gewesen sein, die Gruppe, welche ihr dritter Ruf unterbrach, zu zerstören.
In der Mitte stand die taubstumme Marie in einem weißen Kleide, darüber eine kleine seidene Mantille, welche aus einem abgelegten Gewande, das einer von den Damen des Zirkus gehört hatte, gemacht war. Sie trug einen einfachen Strohhut, verziert mit einem schmalen, weißen Bande, der mit einem ähnlichen unter dem Kinn befestigt war. Ihre helle, zarte Gesichtsfarbe war von einem rötlichen Schimmer angehaucht, ihre wunderbaren blauen Augen, die so traurig in dem grellen Gaslichte aussahen, schienen jene Trauer in der milden Atmosphäre des Speisezimmers verloren zu haben. Die zarte und rührende Stille, welche ihr Trübsal über ihr Gesicht verbreitet hatte, schien ein wenig in Widerspruch mit der kindlichen Unreife der Gesichtszüge, aber harmonierte ausgezeichnet mit dem ruhigen Lächeln, welches ihr eigentümlich schien, wenn sie glücklich war – dankbar und ungeniert glücklich, wie sie sich jetzt unter ihren neuen Freunden fühlte, die sie nicht wie eine Fremde und Geringere aufnahmen, sondern wie eine jüngere Schwester, welche lange von ihnen getrennt gewesen war.
Sie stand neben dem Fenster, die mittlere Figur der Gruppe, und reichte der ältesten Tochter des Rektors, welche an ihrer rechten Seite auf einem Schemel saß, eine kleine Schiefertafel, an der ein Stift hing. Die zweite von den jungen Damen kniete auf der anderen Seite, hielt ihre beiden Arme um des Hundes Nacken geschlungen und verhinderte so, dass er Mariens Gesicht beleckte, wozu er bereits von dem ersten Augenblicke an, wo sie in das Zimmer getreten war, mehrere kühne Versuche gemacht hatte. Sie sprachen so eifrig mit ihr, als wenn Marie hören und ihnen antworten könnte, – während sie stillstand und abwechselnd von einer nach der andern blickte und der ältesten Tochter die Schiefertafel hinhielt, damit sie darauf schriebe.
Dieses reizende Bild brachte Frau Joyce ohne Erbarmen in Unordnung. Die jungen Damen wurden zu ihrer Mutter gerufen, das Kind zwischen Valentin und Frau Peckover gestellt und das wichtige Geschäft des Frühstücks nahm seinen Anfang.
Es war wunderbar zu hören, was Herr Blyth alles faselte, wie er abwechselnd die Frau des Clowns belobte, weil sie ihr Versprechen so pünktlich gehalten hatte, und dann den Rektor triumphierend frug, ob er nicht zu wenig von der Schönheit der kleinen Marie gesagt, statt dieselbe übertrieben zu haben. Es war ebenfalls wunderbar, Frau Peckovers verschämtem Blick das Erstaunen anzusehen, als sie bemerkte, dass der strenge Doktor der Theologie, der ihre Verbeugung kaum zu beachten schien, sich plötzlich so weit herabließ, sie sanftmütig mit allem dem zu versehen, was sie zu essen oder zu trinken wünschte.
Der Rektor, welcher ein scharfer Beobachter in seiner eigenen, ruhigen, unablässlichen Weise war, wurde durch zwei Eigentümlichkeiten, welche er während des Frühstücks an dem Benehmen der kleinen Marie bemerkte, angezogen. Zuerst gewahrte er mit einiger Teilnahme und Erstaunen, dass, während die Frau des Clowns sich sehr scheu und verlegen unter Fremden, welche in ihrer sozialen Stellung .ihr überlegen waren, benahm, die kleine Marie hingegen vom ersten Augenblicke an, wo sie in das Speisezimmer trat, ihre Fassung behielt und sich unbewusst ihrer neuen Umgebung anpasste; zweitens, dass sie sich beständig an Valentin hing, ihn öfters als irgendjemanden anders betrachtete und immer und zuweilen nicht ohne Erfolg zu versuchen schien, dass sie seinen Ausdruck, seine Manier, die Bewegungen seiner Lippen beobachtete, um zu verraten, was er zu den andern sagte. Der Charakter dieses Kindes ist kein gewöhnlicher, ihr Herz ist ausgebildeter, als ihr Aussehen verspricht, und sie liebt Blyth fast schon ebenso sehr, als er sie liebt. »Der gute alte Valentin! Es ist angenehm zu sehen, dass seine ganze Begeisterung nicht bloß an einen kleinen Narren und an ein hübsches Gesicht vergeudet worden ist.«
Als das Frühstück vorüber war, flüsterte das älteste Fräulein Joyce ihrer Mutter bittend zu: »Mama, dürfen Karoline und ich dem lieben kleinen Mädchen unsere Gärtchen zeigen?«
»Gewiss, meine Liebe, wenn sie mit Euch gehen will. Du solltest sie lieber fragen, – ach mein Gott! ich vergaß – ich meine auf ihre Tafel schreiben. Der Gedanke, dass sie taubstumm ist, betrübt mich so sehr, wenn ich sie dort so hübsch und glücklich sitzen sehe. Sie scheint gern Kuchen zu essen, erinnere mich Emilie, dass ich welchen für sie einpacke.«
Emilie und Karoline gingen sogleich zum Kinde und gaben ihr durch Zeichen zu verstehen, dass sie etwas auf die Tafel schreiben wollten. Sie schrieben abwechselnd mit unglaublichem Enthusiasmus darauf, bis sie eine Seite ganz voll geschrieben hatten, und setzten am Ende einer jeden Zeile in der geschäftsmäßigsten Weise ihre Anfangsbuchstaben darunter.
Das Kind nickte stets mit dem Kopfe, lächelte bei jeder neuen Einladung, drehte dann die Tafel um und fing erfreut, dass sie ihre Schreibkunst zeigen konnte, langsam einige große außerordentlich schief stehende Druckbuchstaben, aufzuzeichnen an. Sie brauchte eine lange Zeit dazu, besonders da Herr Blyth unterdessen atemlos über ihre Schulter sah.
Einige Minuten später gingen die beiden jungen Mädchen und die kleine Marie über den glänzenden freien Platz, Leo, der einen Stock in seiner Schnauze trug, dicht hinter ihnen.
Valentin und Doktor Joyce sahen einander bedeutungsvoll an. Vor dem Frühstücke hatten sie sich an jenem Morgen laut getroffener Übereinkunft zu einer geheimen Unterredung eingeschlossen, während welcher Herr Blyth ungewöhnlich ruhig und sehr ernst gestimmt gewesen war. Der Doktor war anfangs in seiner gutmütigen Weise ungläubig und sarkastisch geblieben, sprach aber endlich sehr ernst und hatte unter gewissen Bedingungen ein Versprechen von sich gegeben. Die Zeit zur Erfüllung dieses Versprechens war jetzt herangekommen.
»Sie brauchen nicht zu warten, Vance«, sagte der Rektor. Lassen Sie nur alles hier auf dem Tische stehen. Ich will klingeln, wenn ich Ihrer bedarf.«
Vance ging verdrießlich hinaus.
»Da uns die Mädchen jetzt verlassen haben, Frau Peckover«, sagte Doktor Joyce, »so bietet sich für mich eine gute Gelegenheit dar, Ihnen im Namen meines alten Freundes, des Herrn Blyth hier, einen Vorschlag zu machen, welcher, wie sie schon bemerkt haben müssen, großes Mitleid und Liebe für ihre kleine Marie hegt. Bevor ich aber diesen Vorschlag erwähne, möchte ich, möchten wir alle wissen, ob Sie uns nicht etwas Näheres über dieses arme Kind mitteilen könnten; oder fühlen Sie irgendein Widerstreben, uns im Vertrauen zu sagen, was Sie wohl von ihr wissen?«
»O nicht doch, mein lieber Herr«, rief Frau Peckover erstaunt aus, »ich würde mich schämen, irgendeinen Einwand zu machen gegen alles, was Sie über die kleine Marie zu wissen wünschen; aber ich befürchte nur – ich weiß, es ist sehr töricht – aber es ist mir sonderbar, hier an einem so schönen Platze zu sein und mit vornehmen Leuten Wein zu trinken – und ich hatte fast Furcht —«
»Ich hoffe, Sie ängstigen sich nicht darüber«, sagte der Rektor freundlich. »Glauben Sie mir, Frau Peckover, dass ich es aufrichtig meine, wenn ich Ihnen sage, dass СКАЧАТЬ