Название: Verbergen und Suchen
Автор: Уилки Коллинз
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
isbn:
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Frau Peckovers Augen fingen an, sich mit Tränen zu füllen. Sie hätte in diesem Augenblicke anbetend vor Doktor Joyce niederfallen können.
Sie fasste sich aber bald wieder und begann ihre Erzählung, zuweilen ihre Worte an den Doktor, zuweilen an Frau Joyce, zuweilen an Valentin richtend. Von Anfang bis zu Ende, wurde sie nur selten durch ein Wort der Ermutigung, des Mitgefühls oder des Erstaunens von ihren Zuhörern unterbrochen. Sogar Herr Blyth saß ganz gegen seine Gewohnheit still und schweigsam da: sein Antlitz allein zeigte den abwesenden Einfluss, welchen die Geschichte von ihrem sonderbaren Anfange bis zu ihrem traurigen Ende auf ihn ausübte.
»Es ist länger als zehn Jahre her«, mein Herr, fing die Frau des Clowns an, zuerst zu Doktor Joyce sprechend, »seitdem mein kleiner Thomas geboren wurde. Nachdem ich mich kurze Zeit von meiner Entbindung erholt hatte, ging ich an einem Nachmittage mit dem Säugling und Jemmy, meinem Manne, spazieren. Wir waren damals in Bangbury und wollten gerade den Zirkus aufbauen: es war eine schöne, große Landschaft und wir hofften dort ein gutes Geschäft zu machen. Jemmy und ich mit dem Säugling schritten in das Feld und amüsierten uns prächtig. Wir gingen darauf auf der Chaussee nach Bangbury zurück und gerade, als wir zur Stadt gelangten, sahen wir eine junge Frau auf einer Bank sitzen, einen Säugling in ihren Armen haltend, gerade wie ich den meinigen hielt.
»Wie schrecklich krank und schwach sie aussieht, nicht wahr?« sagt Jemmy. Ehe ich ja sagen konnte, tritt sie hastig an uns heran und fragt mit aufgeregter, doch nicht allzu lauter Stimme, ob wir ihr nicht den Weg nach dem Bangbury-Arbeitshause zeigen könnten. Da wir beide ziemlich scharfe Augen hatten, begriffen wir leicht, dass ein Arbeitshaus kein passender Platz für sie wäre. Ihr Kleid war bestäubt, einer ihrer Schuhe zerrissen, ihr Haar hing in Unordnung über ihr Gesicht und ihre Augen waren in ihrem Kopfe eingesunken; aber wir sahen, dass sie einigermaßen eine Dame wäre, – oder wenn nicht gerade eine Dame, dass auf keinen Fall ein Arbeitshaus ein passender Ort für sie wäre. Ich beugte mich nieder, um mit ihr zu sprechen, aber ihr Kind weinte so fürchterlich, dass sie mich kaum verstehen konnte. »Ist das arme Kind krank?« fragte ich. »Es verhungert«, sagte sie in einem so verzweifelten, fürchterlichen Tone, dass es mir einen Stich ins Herz gab. »Ist es Ihr Kind?« sage ich, ein wenig ängstlich über die Antwort, welche ich von ihr erhalten würde. »Ja«, sagt sie in einem ganz veränderten Tone, sehr sanft und betrübt und beugte sich von mir weg mit ihrem Gesicht über das Kind. »Warum säugen Sie es denn nicht?« frage ich. Sie sieht mich, dann Jemmy an, schüttelt mit dem Kopfe und sagt nichts. Ich gebe mein Kind Jemmy zu halten und setze mich dicht zu ihr. Jemmy ging ein wenig bei Seite und ich flüstere ihr wieder zu, »warum säugen Sie es nicht?« und sie sagt ganz leise zu mir, »die Milch ist mir vergangen.« Sobald ich dies hörte, zögerte ich nicht länger und legte den Säugling sogleich an meine eigene Brust.
Das war das erste Mal, wo ich die kleine Marie säugte. Sie war noch keinen Monat alt und ach! so schwach und klein! so ein Wurm von Säugling!
Sie können sich wohl leicht denken, mein Herr, dass ich viele Fragen an die junge Frau richtete, während ich neben ihr saß. Sie starrte mich mit einem trüben Blick in ihrem Gesichte an, anscheinend ganz betäubt von Müdigkeit und Kummer oder von Weinen. Zuweilen gab sie mir eine Antwort, zuweilen nicht. Sie war sehr verschwiegen. Sie wollte nicht sagen, woher sie käme, wer ihre Freunde wären oder wie sie hieße. Sie sagte, sie würde niemals wieder Namen, Heimat noch Freunde haben. Ich blickte gerade einmal verstohlen nach ihrer linken Hand, sah, dass sie keinen Trauring um ihren Finger hatte, und erriet, was sie sagen wollte. »Weiß der Vater des Kindes, dass Sie auf diese Weise umherirren?« frage ich. Sie wird sogleich purpurrot und sagt: »Nein! Er weiß nicht, wo ich bin. Er hatte niemals Liebe zu mir und hat auch jetzt kein Mitleid mit mir. Gottes Fluch folge ihm auf allen seinen Wegen! —« »O still! Still!« sage ich, »sprechen Sie nicht so!« »Warum richten Sie Fragen an mich?« fragt sie aufgeregt. »Was für ein Recht haben Sie, mir Fragen vorzulegen, die mich wahnsinnig machen?« »Ich habe Sie nur noch mit einer einzigen zu quälen«, sage ich, »und die ist, haben Sie gar kein Geld bei sich?« Sie sehen, Frau Joyce, jetzt, da ich ihr Kind an meinem eigenen Busen hatte, kümmerte ich mich nicht um das, was sie sagte, noch fürchtete ich mich vor dem, was sie mir tun könnte. Der arme Wurm von Säugling würde sicher früher oder später ein Friedensstifter zwischen uns sein.
Es stellte sich heraus, dass sie nur einen halben Schilling und einige Pfennige bei sich hatte und dass sie zu stolz war, irgendeinen ihrer Freunde um Hilfe anzusprechen. Es gelang mir, so viel aus ihr herauszubringen, dass sie vor ihrer Entbindung ihrer Heimat entlaufen und nach einem fremden Platze gegangen war, um dort entbunden zu werden, wo man sie gemisshandelt und beraubt hatte. Es war noch nicht lange her, dass sie die Elenden, welche ihr dies angetan, verlassen hatte. In der Zeit, wo ich dies alles herausbrachte, war ihr Säugling ganz ruhig geworden und dem Einschlafen nahe. Ich gab ihr ihn zurück, sie sagte nichts, aber sie nahm und küsste meine Hand und ihre Lippen brannten wie glühende Kohlen darauf. »Sie sind hier gern gesehen«, sage ich, ein wenig verwirrt über eine solche sonderbare Art des Dankes. »Warten Sie ein wenig, ich will nur mit meinem Manne sprechen. Obgleich sie unrecht gehandelt hatte, konnte ich doch nicht umhin, sie zu bemitleiden, wie sonderbar sie sich auch benahm. Sie war so jung, so verlassen und krank und hatte ein so reizend schönes Gesicht, die kleine Marie ist ganz ihr Ebenbild, besonders was die Augen anbetrifft, und sie schien einer Dame so ähnlich zu sehen, dass schon der Gedanke fast eine Sünde war, sie nach einem solchen Orte wie ein Arbeitshaus zu schicken.
Wohl an, ich ging und teilte Jemmy alles mit, was ich von ihr erfahren hatte. »Es wäre schrecklich«, sage ich, »eine solche Person nach einem Arbeitshause gehen zu lassen. Was könnten wir aber Besseres tun?« Jemmy sagt: »wir wollen sie mit nach dem Zirkus nehmen – und Peggy Burke fragen.
Sie müssen wissen, mein Herr, Peggy Burke war die schönste Reiterin, die jemals auf einem Pferde ritt. Wir haben keine ähnliche in unserm Zirkus gehabt, seitdem sie zu Astleys ging. Sie ging durch Feuer und Wasser, wie man sagt, um den Leuten zu dienen, welche sie liebte; aber bei denen, welche sie verabscheute, gebrauchte sie ihre Reitpeitsche eben so frei als ihre Zunge. Jener feige, viehische Jubber würde es niemals gewagt haben, meine kleine Marie zu schlagen, wenn Peggy noch bei uns gewesen wäre. Er hatte eine solche Angst vor ihr, dass sie ihn um den Finger wickeln konnte, und sie tat es auch, denn er durfte mit der besten Reiterin in England nicht zanken, weil er befürchtete, sie würde sich in einem andern Zirkus engagieren lassen. Peggy war außerdem ein sehr kluges Mädchen, hatte mich immer sehr gern und nahm meine Partie. Als nun Jemmy sagte, er hielt es für das Beste, sie zu fragen, was wir mit der Person anfangen sollten, so können sie leicht überzeugt sein, dass ich dies auch für das Beste hielt. Wir nahmen also das junge Weib und den Säugling sogleich mit uns nach dem Zirkus. Sie quälte uns durchaus nicht mit Fragen, sie schien sich nicht darum zu kümmern, wohin sie ginge und was sie tat; sie war niedergeschlagen und verzweifelt – ein Anblick, Frau Joyce, der Ihrem Herzen auch sehr wehe getan haben würde.
Man trank gerade Tee im Zirkus und war beinah fertig damit. Gewöhnlich tranken wir Tee und aßen Mittagbrot zusammen dort, da wir fanden, dass dies uns billiger zu stehen kam. Peggy Burke, ich erinnere mich dessen noch, ging draußen auf dem Grase spazieren, und pfiff (das war eine ihrer sonderbaren Gewohnheiten) die Melodie von »Das Mädchen, welches ich verließ«.
»Ach, Frau Peckover«, sagte sie, »was haben Sie jetzt vorgehabt?« Wer ist die Dame, welche Sie mit zum Tee gebracht haben? – Ich teilte ihr, mein Herr, alles mit, was ich Ihnen soeben gesagt habe; während Jemmy das junge Weib auf einem unserer Koffer niedersetzen ließ, besorgte ich ihr eine Tasse Tee. »Es scheint mir fürchterlich«, sprach ich, als ich meinen Tee getrunken hatte, eine solche Person nach dem Arbeitshause zu schicken, nicht wahr?« »Arbeitshaus«, ruft Peggy sogleich auffahrend, »ich wünschte nur, wir könnten des Mannes habhaft werden, der sie in diese unglückliche Lage versetzt hat, um ihn dort für den Rest seines Lebens bei Wasser und Brot unterzubringen. Aber Sie sind СКАЧАТЬ