Der sechste Sinn. Palle Adam Vilhelm Rosenkrantz
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Название: Der sechste Sinn

Автор: Palle Adam Vilhelm Rosenkrantz

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ die Verbrecher zu schützen, seine Mittel sind freundliche Behandlung und Entfaltung von Klugheit und Scharfsinn, unterstützt von internationalem Wissen; in Wirklichkeit fehlen den Assessoren des Gerichts nur die weißen Flügel, um für Gottes Engel eintreten zu können.

      Jedenfalls gibt es Leute, die das meinen.

      Und zugleich hat sich der Typus in Aussehen und Lebensweise geändert. Ein Kriminalassessor ist ein untadelig gekleideter Herr, der zur besten Gesellschaft der Stadt gehört, bei Premieren im Theater zu sehen ist, an dem geistigen Leben in dessen Zentrum teilnimmt und aus ehrlichem Willen danach strebt, ein hervorragender und repräsentativer Bürger in einer hochkultivierten Gesellschaft zu sein.

      Jedenfalls gibt es einige, die das meinen.

      Zu diesen gehörte Dr. juris Kriminalassessor Thomas Klem. Schlank, elegant, ein Jon Chamberlain mit Monokel und ultramodernem Anzug, ein gewandter Causeur, ein vortrefflicher Tennisspieler, ausgezeichneter Turner und Schwimmer. Dunkel, über Mittelgröße mit leicht gelichtetem Haar und 35 Jahr alt, ein Mann mit Sinn für das Schöne id est schöne Frauen, schöne Kunst, prächtige Landschaften und gute Pferde und für das Gute id est französische Küche, guten Wein und gute Zigarren sowie alles andere Gute.

      Das wäre ungefähr das Signalement.

      Sohn eines Obergerichtsprokurators, selbst von Geburt an zum Juristen bestimmt, Kandidat mit der ersten Note, ein paar Jahre im Justizministerium verbunden mit Tätigkeit bei einem Anwalt des höchsten Gerichtshofes, dann freiwilliger Protokollführer im Kriminalgericht, Dr. juris auf Grund einer Untersuchung über Straf- und Zurechnungsfähigkeit und schließlich mit 30 Jahren Assessor in dem vorhin erwähnten von flügellosen Engeln gebildeten Rechtskollegium.

      Das wären die biographischen Daten.

      Im übrigen Junggeselle aus Zwang von wegen Fehlens jeglichen Vermögens und ernstlich verliebt in Gutsbesitzer Busgaards älteste Tochter, die sanfte häusliche Martine Luthera, genannt Tine.

      Diese Aufschlüsse mögen genügen.

      Thomas Klem saß in seiner wohleingerichteten Junggesellenwohnung in der Störresöstraße und beschäftigte sich mit seinen Studien über moderne Kriminalogie, als es an der Tür klingelte und sein Hausfaktotum Fräulein Petersen ihm ein Telegramm folgenden Inhaltes überbrachte:

      2500 Kronen aus Onkels Sekretär gestohlen; verstehe nichts. Komme sofort.        Tante Mus.

      Thomas drehte sich nach seiner Hausdame herum und sagte diese wenigen Worte: »Fräulein Petersen, ich reise morgen nach Braendholt und bleibe bis nach Weihnachten fort.«

      Fräulein Petersen sagte nichts, aber sie wurde blaßgrün im Gesicht. Fräulein Petersen wußte, daß Braendholt Tine bedeutete und daß Tine eine Annonce, die sie selbst bezahlen mußte von folgendem Inhalt bedeutete: Eine gebildete Dame, die gewohnt ist einem vornehmen Hause vorzustehen, sucht Stellung bei einem alleinstehenden Herrn, der usw. . . .

      Fräulein Petersen wußte auch, daß dies unvermeidlich war, aber sie hoffte zäh, daß es sich recht lange hinaus ziehen möchte. Sie schloß Onkel Busgaard in ihre Gebete ein, obgleich sie diesen älteren Capulet nie gesehen hatte; sie flehte, daß er fest bleiben möchte in seinem Widerstand gegen das Glück ihres Romeo und ihr graute vor der Stunde, die kommen mußte.

      Wir wollen uns nicht mit Fräulein Petersen beschäftigen; wir haben genug mit vielen andern zu tun; wir wollen nur notieren und begreifen, daß ein Weihnachten mit der Geliebten unter einem Dach verbracht eine Gefahr war, die nicht überschätzt werden konnte, mehr als das, daß es der Abschluß war mit solcher Gewißheit, wie menschliche Berechnungen sie überhaupt erreichen können.

      Thomas Klem war froh wie ein Vöglein, das die Sonne bescheint; er dachte nicht an die 2500 Kronen, nicht an den Diebstahl, nicht an Onkel Busgaard und ganz und gar nicht an Fräulein Petersen. Er suchte um Urlaub nach, den er erhielt, und packte seinen Koffer. Und im übrigen dachte er an Tine, an Martine Luthera und dann noch einmal an Tine, seine Tine – unsre Tine – – –

      »Der Zug hält nicht vor Roskilde!« Plautz! die Tür schlug zu, und Assessor Klem streckte die Beine von sich. Außer ihm war nur noch ein Reisender im Kupee und dieser saß versunken in das Studium einer Monatsschrift.

      Es war ein Mann von ungefähr 55 Jahren, lang, mager mit einer großen graugesprenkelten Künstlermähne und einem eigentümlichen Gesicht, wie man es kennt von den Bildern der Herren Mendelssohn, Beethoven, Haydn, Liszt und anderer Herren aus dem Reiche der Töne, einem interessanten, etwas menschenfernen, aber trotzdem gütigen Gesicht, bartlos, markiert und außerordentlich anziehend.

      Der Mann war Däne, denn die Zeitschrift war dänisch, und Thomas kam es vor, als kennte er das Gesicht. Die Zeitschrift war die »Wochenschrift für Rechtswesen«, von der anzunehmen war, daß nur Juristen sie lasen. Der Mann sah aus wie ein Kanzleibeamter von einem älteren Jahrgang, einem Jahrgang, der vor dem lag, welcher Kriminalassessoren zu Engeln machte.

      Und Thomas kannte ihn, aber der Name – der Name!

      Der andere kannte ihn ebenfalls. Sie betrachteten einander eine Weile, dann lächelte der ältere Herr und sagte freundlich: »Ich weiß, woran Sie denken, Assessor Klem!«

      Thomas beugte sich vor und sah ein wenig betreten aus. Wenn der ältere Herr ihn kannte, so war es ein Fehler, daß er nicht wußte, wer es war, der ihm gegenüber saß.

      Der ältere Herr fuhr fort: »Ich bin Kreisrichter Heiden aus dem Kreise Leire. Sie kennen mich nicht, aber ich kenne Sie – ganz Sevilla kennt Don Bartholo.«

      Der Kreisrichter lachte.

      »Aha,« sagte Thomas, »so reisen wir vermutlich nach derselben Station. Ich fahre nach Braendholt zu meinem Onkel, dem Gutsbesitzer Busgaard.«

      In dem Augenblicke fiel es Thomas ein, daß es nicht ganz klug von ihm war, dies zu sagen. Denn Kreisrichter Heiden war die Obrigkeit des Ortes, der Gerichtsbeamte, dem es gesetzlich oblag, nach dem Urheber des Diebstahls zu forschen. Und wenn man jetzt nach ihm, Thomas, telegraphiert hatte, so mußte es sein, weil man zu der lokalen Obrigkeit nicht das richtige Vertrauen hatte. Das konnte diesem durchaus nicht angenehm sein, und es galt jetzt den Zweck der Reise zu verbergen.

      Der Kreisrichter schien Thomas Gedanken zu erraten; er lächelte ihm freundlich zu.

      »Ja, Herr Assessor,« sagte er, »wir werden sicher in den kommenden Tagen zusammentreffen. Ich erhielt gestern die Mitteilung von einem Diebstahl, der bei Ihrem Onkel in Braendholt begangen ist, einem bedeutenden Diebstahl von barem Geld, von 2500 Kronen. Ich reise nach Hause, um ungesäumt Untersuchungen anzustellen, und ich kann nur sagen, daß ich mich außerordentlich freue, mit Ihnen zusammen zu arbeiten. Also wenn Sie geglaubt haben, Sie würden hier draußen Ferien genießen, so müssen Sie Ihren Glauben ändern.«

      Und der Kreisrichter lachte mit einem stillen glucksenden Lachen.

      Das ist ein vernünftiger Mann, dachte Thomas. Die Gerichtsbeamten auf dem Lande haben auf Grund gewisser Naturverhältnisse, die man ohne nähere Erklärung begreifen wird, nicht mit den Richtern der Hauptstadt Schritt halten können. Es fehlen ihnen mit anderen Worten mehr als die Flügel, und es ist sehr gewöhnlich, daß so ein Handhaber der Gerechtigkeit vom Lande oder aus einer Kleinstadt mit unglaublichem Eifer darüber wacht, daß kein Fremder einen Einblick erhält, auf welche Weise er sein kleines abgegrenztes Arbeitsfeld verwaltet. Die höheren Instanzen sind seine Feinde, die er ertragen muß; er findet sich in sie, beugt sich vor ihnen, aber kritisiert sie scharf, wenn sie seine Urteile nicht bestätigen. Er ist nach Lage der Dinge ein kleiner Herr in seiner Welt, und diese Herrenstellung erfüllt ihn СКАЧАТЬ