Lache Bajazzo. Artur Landsberger
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Название: Lache Bajazzo

Автор: Artur Landsberger

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ Schließlich nickte auch sie mit dem Kopfe. Und der Alte kam wieder zu Carl und Werner zurück.

      »Die Herrschaften da,« sagte er und wies auf den Tisch, an dem er eben verhandelt hatte, »sind so freundlich, for Ihnen zusammenzurücken.«

      Werner sah Carl an, der ganz unter dem Eindruck dieses neuen Bildes stand. Wie ungeheuerlich kontrastierte das von dem, dem er eben glücklich entronnen war.

      Wieder nahm der Alte Carls Hand und schob ihn an den Tischen der ersten Reihe vorbei zu dem Mädchen und den beiden Kerlen, die keinen Blick von ihm und Werner ließen, ihre Stühle zusammenschoben und Platz machten.

      »Aber wir wollen nicht stören,« sagte Carl.

      Die Drei sahen ihn an.

      »Ne doch!« sagte das Mädchen, »davon kann gar keene Rede sind. Kommen Se man hier nieder!« und sie faßte Carl bei der Hand und zog ihn auf einen Stuhl. »So! An meine jrüne Seite! Det is der beste Tisch von die janze Bude.«

      »Sehr freundlich!« sagte Carl und meinte es auch so.

      »Det will ick meinen! Na und Sie olle Stange,« wandte sie sich an Werner, »heben Se doch den dicken Heinrich da nebenan aus die Fotölje; der is schon blau und merkt nich, wenn er ’ne Etage tiefer rückt!«

      Aber der Alte hatte schon einen Stuhl zur Hand, auf den sich Werner setzte.

      Dann winkte Werner eine Kellnerin heran. Und das Mädchen an ihrem Tisch, das beide mit einer Ungeniertheit und Gründlichkeit musterte, die beispiellos war, stieß Carl mit dem Ellenbogen an, wies auf ihr leeres Glas und die der beiden Kerle und sagte:

      »Na, Jraf – wie wär’s denn?«

      Carl begriff nicht, was sie wollte, aber Werner sagte zu der Kellnerin:

      »Fünf Dunkle!« und einer der beiden Kerle gab dem Mädchen durch Zeichen zu verstehen, daß nicht der Alte, sondern Werner »derjenige welcher« war.

      Hinten am Ausgang begann man an ein paar Tischen zu trampeln. Andere folgten dem Beispiel, und in wenigen Augenblicken waren sämtliche Beine des Saals in Bewegung.

      Carl war über diese ungenierte und kräftige Willensäußerung belustigt und trampelte zu Werners Vergnügen kräftig mit.

      »Die Vorstellung hat wohl noch gar nicht begonnen?« fragte er das Mädchen.

      Die fühlte sich verulkt und sagte:

      »Aber jewiß doch! Wenn der Vorhang uff jeht, denn fängt de jroße Pause an.«

      »Sei doch nich so dreiste, Ida!« sagte der Kerl, der neben ihr saß.

      »Was? for das dunkle Bier laß ick mir doch nich dumm machen. Bei mir muß eener erst mit Schampus ranfahren, denn kann er mir erzählen, in Himmel is Jahrmarkt, denn jlob ick’s noch. Aber von wejen det eene Dunkle? Ne, Männeken,« und sie wollte das volle Glas gerade umstülpen und ihm auf die Hose gießen, als der Kerl rechts mit einem schnellen Ruck nach ihrer Hand griff, sie festhielt und sagte:

      »Dir hab’n se woll mit de Muffe geschmissen, seh dir bloß vor, Ida, saj ick dir.«

      Ida geriet in Wut und wollte sich eben auf ihren Kerl stürzen, als jemand auf ein altes Klavier, das links der Bühne stand, loshackte. Sofort legte sich Idas Wut, schwanden die giftigen Falten um ihren Mund, bekamen die toten Augen einen leichten Glanz, öffneten sich die schmalen Lippen, hoben und senkten sich die schweren Brüste, ging ein Zucken durch den ganzen Körper – und sie glitt, wie magnetisiert, auf ihren Stuhl zurück, hakte die feisten Arme in die ihrer Nachbarn und gröhlte mit einer Stimme, die hart und rauh wie die Töne eines verrosteten Grammophons klang, im selben abgehackten Tempo, in dem die steifen Finger des Klavierspielers auf die Tasten schlugen, den Refrain mit:

      Blühte, der Rose gleich, im sonnigen Tal —

      War jung und schön, hatte die Wahl.

      Doch von der Konfektion, in Fa. Meyer-Cohn —

      Brach mich Herr Rosenthal.

      Und auch die beiden Kerle hakten sich ein; der eine faßte Werner unter den Arm und Werner schloß sich an Carl. Dann lehnten sich alle zurück, bildeten einen geschlossenen Kreis und sangen aus Leibeskräften den Refrain mit.

      Und wie an diesem Tische, so war’s an allen anderen. Jedes Denken war ausgeschaltet. Was hier herrschte, war ausschließlich der Trieb. Dieser holperige Kasten, der noch dazu von einem Dilettanten mißhandelt wurde, besaß eine Macht über diese Menschen, die ohnegleichen war.

      Wie leicht, dachte Werner, müssen diese Menschen zu leiten sein, wenn man in ihrer Sprache zu ihnen spräche; und Carls Dichterauge suchte diesen Menschen in die Seele zu schauen, die sich hinter dem primitiven Ausdruck ihres Gefühls verbarg.

      Plötzlich ertönte ein Klingelzeichen; im selben Augenblick brachen Klavierspieler und Publikum mitten im Refrain ab. Es wurde ganz still im Saal. Der Vorhang ging auf, und aus einer schmutzigen Kulisse, die unglaubwürdig genug eine Gebirgslandschaft vorzutäuschen suchte, trat der alte Mann im Frack und verkündete:

      »Ich bitte das verehrliche Publikum um Aufmerksamkeit für die Hauptnummer des Programms und zwar ›Das Schäferspiel‹, Ballett in einem Akt mit Gesang und Tanz, ausgeführt von Fräulein ›Sybilla‹ genannt ›die Lilie vom Manzanares‹.«

      Das Publikum trampelte und rief:

      »Sybilla!«

      Eine nicht mehr junge, gräßlich gepuderte und bemalte, faltenreiche, spindeldürre Soubrette mit langem, blondem, offenem Haar trat auf, lächelte geziert wie ein junges Mädchen, hob mit je zwei Fingerspitzen ihren an sich schon kniekurzen Rock, spreizte und verbeugte sich.

      Das Publikum trampelte und klatschte.

      Der alte Mann, der noch immer auf der Bühne stand, verkündete weiter:

      »Fräulein Elfrida, genannt ›die Perle des Ganges‹, Star des Orpheums in Kiel, seit zwölf Jahren zum ersten Male wieder in Berlin.«

      Abermals trampelten die Leute und riefen:

      »Elfrida!«

      Und Elfrida, die Perle des Ganges, schwebte, zwei Zentner schwer, auf den Fußspitzen auf die Bühne; ein übler Geruch von Schweiß und Moschus und schlechtem Puder stieg Carl, der unmittelbar vor der Bühne saß, in die Nase.

      Endloser Jubel brach los.

      Elfrida war als Baby gekleidet, trug Wadenstrümpfe, ein ganz kurzes Hängekleid, das vorn weit ausgeschnitten war und die klobigen Brüste ungehindert hervorquellen ließ. Elfrida teilte mit ihren fleischigen Armen, die sich nicht einmal nach den Knöcheln hin verjüngten, vielmehr dort eine Reihe tiefer Falten schlugen, nach allen Seiten hin Kußhände aus.

      Das Publikum raste.

      Der alte Mann im Frack trat ab, der Klavierspieler schlug wieder auf die Tasten. Elfrida, die Perle des Ganges, hob mit einem mächtigen Satz das rechte Bein. Carl zitterte vor dem Augenblick, wo sie es wieder niedersetzen würde. Sybilla, die Lilie vom Manzanares, machte eine lächerlich affektierte Armbewegung, wies auf Elfrida, verzog den Mund erst, öffnete ihn dann und sagte:

      Seht dort Elfrida, die Perle des Ganges,

      Königin des Tanzes und des Gesanges.

      Wenn sie zum Tanze das Bein erhebt,

      Das СКАЧАТЬ