Adams Söhne. Adolf von Wilbrandt
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Название: Adams Söhne

Автор: Adolf von Wilbrandt

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ Ihre Blässe ward geisterhaft. Sie hatte ihr Taschentuch in die Hände genommen und im Reden zusammengedreht; jetzt fiel es auf die Erde. Eh’ aber noch einer der Herren hinzutreten konnte, um es aufzuheben, bückte sie sich rasch, als wünschte sie ihr verändertes Gesicht zu verbergen, und hob es selber auf; blieb dann noch eine Weile gebückt, und schien ein wenig hin und her zu schwanken. Wittekind sah das alles. Nach einer Weile hatte sie sich, wie es schien, gefasst, und ging mit einer raschen Bewegung auf den Alten zu.

      »Grüß’ Sie Gott!« sagte sie und streckte ihm die Hand hin. Zugleich beugte sie sich aber vor, und Wittekind glaubte zu hören, dass sie ihm etwas zuflüsterte, während die beiden Köpfe sich beinahe berührten.

      Saltner machte ein betroffenes Gesicht, und mit einem verwirrten, rollenden Blick überflog er die Gesellschaft. Er fasste sich indessen geschwind, drückte die Hand der jungen Dame mit einem höflichen Lächeln und lüftete seinen Hut.

      Es stieg ihm aber nachträglich eine Röte in die bronzenen Wangen, als schämte der Alte sich, eine Komödie zu spielen.

      So erschien es wenigstens Wittekind. Frau von Tarnow trat dann langsam zurück, hielt aber die Augen noch auf Saltner geheftet.

      Plötzlich wandte sie sich, wieder wie nach einem raschen Entschluss, und stellte ›Herrn von Saltner, einen alten Freund‹ der Gesellschaft vor. Der ›Alte vom Berge‹, der Waldmensch, verneigte sich mit einer vornehmen Würde und Anmut, die von diesem Riesen in der Lodenjoppe offenbar niemand erwartet hatte. Er trat dann auf den Baron und die Baronin zu und begann in leichtem Ton – nur dass die Stimme ein wenig zitterte oder schwankte – über Wetter und Reisen zu sprechen. Die Baronin hörte andächtig zu, stieß einmal einen sanften Reise-Seufzer aus, und betrachtete diesen ›Urmenschen‹ mit einem gewissen bangen Respekt, der Wittekind ergötzte. Bald ward es ihr aber lästig, aus ihrer zierlichen Untermittelgröße zu einem solchen Turm hinaufzusehen, der noch den langen Waldenburg überragte. Sie fühlte auf einmal, dass sie nach ›dieser endlosen Fahrt‹ völlig steif geworden sei und sich bewegen müsse; nahm Frau von Tarnows Arm, hängte sich hinein und ging mit einem etwas schleppendem, schmachtenden Gang die Dorfgasse hinunter. Saltner sah ihr und der Amerikanerin nach. Er stand still, seine Augen starrten regungslos, es schien ihm ein schmerzliches Zucken über die Wangen zu gehen.

      ›Was ist zwischen ihm und dieser blassen Frau?‹ dachte Wittekind. ›Was für ein Geheimnis haben sie miteinander?‹ Er sah gleichfalls den Damen nach. Der Baron Tilburg hatte sich ihnen angeschlossen; Waldenburg folgte, blieb dann aber stehen, als fiele ihm etwas Besseres ein, und zog eine Zigarre hervor, die er mit seiner etwas feierlichen Grazie in Brand setzte. Wittekind, von einem unklaren Gefühl gezogen, trat zu dem ›Jugendfreund‹.

      »Ist diese junge Dame leidend?« fragte er. »Sie hat ja fast kein Blut im Gesicht.«

      »Die Amerikanerin?« fragte Waldenburg zurück und blies einige zarte, blaue Ringe in die Luft. »Lieber Freund, ich wollte, ich wüsste, was ihr fehlt; – um sie zu heilen«, setzte er mit einem leichtfertigen Lächeln hinzu.

      »Ich fragte nur nach ihrem körperlichen Befinden«, sagte Wittekind trocken.

      Waldenburg sah ihn an:

      »Ist das bei Frauen je vom seelischen zu trennen? – Sieh, wie sie geht; eine Tusnelda-Gestalt. Sie hat ihre Fülle verloren; aber das kommt wieder … Was ihr fehlt, weiß niemand. Eine verschlossene Schweigerin, die aber, wie es scheint, allerlei Interessantes zu verschweigen hat. Um den Mund lauter Geist, Übersinnliches; dagegen um die Augen – —«

      Wittekind unterbrach ihn:

      »Und wie kommt sie zu – euch?«

      »Zu uns? Du hörtest ja: der ›Leibarzt‹. Weniger vornehm ausgedrückt: sie ist die Gesellschafterin dieser Baronin Tilburg; einer sehr gesunden Dame, die sich beständig für krank hält. Die arme Transatlantische hat offenbar kein Geld!«

      »Und der Baron Tilburg?«

      »Was der ist? Ein sogenannter Diplomat; ein Herr ohne Kopf, aber mit guten Beinen, auf denen er das ganze Jahr herumläuft, um sich nützlich zu machen. Einer von den kleinen Schmetterlingen der ›auswärtigen Angelegenheiten‹«.

      ›So spricht er von seinen „Freunden“‹, dachte Wittekind, ›mit denen er „für die nächsten vier Wochen noch verheiratet ist“. – Aber vielleicht ist er das nicht um ihretwillen, sondern wegen der Gesellschafterin der „Tusnelda“.‹

      »Nun, und du?« fragte er dann. »Du bist nun ›Geheimer Rat‹?«

      Waldenburg lächelte, stieß eine Rauchwolke aus und seufzte.

      »Weil mich die Transatlantische so nannte?« sagte er langsam. »Die versteht das nicht. So ein bisschen Hofrat, das bin ich; und ein bisschen ›Geheimes‹ auch; aber der richtige ›Wirkliche Geheime Rat‹ – nein, das bin ich nicht. Wär’ ich das, dann wär’ ich Exzellenz. Danach tracht’ ich, mein Sohn; aber diesen großen Vogel kann ich noch immer nicht erjagen. So einem blaublütigen Dummkopf fliegt er zuletzt ganz von selbst ins Maul; uns ›Plebejern‹, uns ›Parvenus‹ schwebt er hoch überm Kopf, wie ein schwarzer Punkt, an den unsere Kugel nicht reicht, und verachtet uns. Das ist unser Martyrium; davon weißt du nichts. Ich könnte Europa regieren – Waldenburgs etwas vorgebeugte Gestalt richtete sich hoch auf – und ich bring’ es nicht einmal bis zur Exzellenz!« —

      Wittekind lächelte still über diesen Kummer, den sein Herz nicht verstand. Er wollte etwas entgegnen, als er hinter sich, irgendwo im Dorf, eine jugendliche Stimme singen hörte, deren Klang ihm ins Herz schlug. Er konnte nicht irren, er kannte diese Stimme zu gut. Sie schwang sich weich und hell über die Häuser herüber.

      »Das ist mein Junge! Mein Berthold!« rief Wittekind aus und stand einen Augenblick vor Freude wie angewurzelt. Dann aber, ohne weiter ein Wort zu sagen, drehte er sich um, und mehr laufend als gehend flog er der Stimme entgegen.

      III. Kapitel

      Östlich von Grödig, unter dem Hellbrunner Fels, liegt das Schloss und das Dorf Anif; parkähnlicher Wald und Wiesen trennen dann noch Anif von der breiten Salzach, die in rauschender Eile nach den Hügeln, Türmen und Brücken von Salzburg strebt. Auf dem Waldweg, der nah an dem Flusse hinführt und bald rechts, bald links einen ahnungsvollen Ausblick an die Gebirge hat, die das Tal begleiten, war an eben diesem Nachmittag, von Salzburg her, ein einsamer Wanderer stromauf geschritten; von den sonnig leuchtenden Bergen hatte er aber wenig geseh’n, denn er war in seine Gedanken versunken. Sein Hut saß im Nacken; den abgetragenen schwarzen Rock hatte er ausgezogen und über den Arm gelegt; er trug einen Knotenstock, den er nur zuweilen schwenkte, ohne sich auf ihn zu stützen.

      Die Gestalt war stämmig, plebejisch, doch bewegte sie sich mit elastischer Leichtigkeit; so war denn auch das bartlose Gesicht jung und kraftvoll, wenn es auch nicht eigentlich jugendlich zu nennen war. Ein altklug nachdenklicher Zug hatte sich darin eingenistet; die Schärfe eines trotzigen und zersetzenden Denkens, die zwischen Nase und Mund allerlei Falten gegraben und auf die knochige Magerkeit des Gesichts gleichsam noch den hinweisenden Zeigefinger gelegt hatte.

      Das schlichte Haar lag feucht und wirr auf der breiten Stirn, die von Schweißtropfen perlte; die grauen Augen waren tief unter die Stirn versenkt, während das Kinn hervortrat. Der junge Mann war bis an den Rand der schmalen Waldung gekommen, die zwischen Anis und der Salzach liegt; er wollte weitergehen, aber ein Anblick, der auch für diesen versonnenen Grübler merkwürdig war, hielt ihn auf. Am letzten Baum, einem großen Ahorn, lag ein junger Mensch im Gras, den Kopf auf seiner schwarzen Reisetasche, und schlief. Die im Westen weiterwandernde Sonne schien ihm jetzt gerade auf die Augenlider, doch ohne ihn zu wecken; sie vergoldete seine verwirrten blonden Locken und goss eine sanft СКАЧАТЬ