Adams Söhne. Adolf von Wilbrandt
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Название: Adams Söhne

Автор: Adolf von Wilbrandt

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ der Natur“. Was tut denn ihr, ihr Gebildeten? Ihr Reichen? Ist der da mit dem Knotenstock nicht hundertmal mehr als ihr? Er hasst euch, er will euch zu Boden drücken; aber wer ist daran schuld?‹

      Berthold trat schweigend unter dem Baum hervor und ging langsam weiter. Das Elend der Welt lag ihm schwer auf dem jungen Herzen. Auch der andere schwieg, und forschte nur von der Seite in dem rosig angehauchten, erregten Antlitz. Sie gingen in gleichem Schritt nebeneinander her.

      »Dass Sie mich nur auch recht versteh’n«, sagte Afinger endlich, indem er seinen Stock langsam, von Zeit zu Zeit, durch die Luft niedersinken ließ. »Für mich will ich nichts! Ich kann mein Handwerk und ich hab’ mein Brot. Ein Schloss wünsch’ ich mir nicht. Ehrgeiz hab’ ich nicht. Ich kann’s nur nicht ruhig mit ansehen, dass die Welt verkehrt steht; und wenn ich einsehe: damit sie richtig wird, muss man sie auf den Kopf stellen, – so stell’ ich sie auf den Kopf! – Jetzt nur in Gedanken, versteht sich – aber von ganzem Herzen. Und das tun Sie auch, Herr, oder – nehmen Sie’s nicht übel – oder Ihre ganze Menschenliebe ist nur Kinderei! Alte Weiber gibt’s – von beiderlei Geschlecht – die wimmern und winseln so von der Menschenliebe, und stricken Strümpfchen oder schmieren Traktätchen, und legen sich dann zufrieden aufs Ohr und auf ihr ›gutes Gewissen‹. Zu diesen frommen Missgeburten gehören Sie ja doch nicht. Sie mit Ihrem feinen Gesicht, Sie haben das Feuer in sich, das den Märtyrer macht. Oder wären Sie nicht ganz bereit dazu, für Ihre armen, unterdrückten Brüder sich aufzuopfern? Für eine große Sache zu sterben?«

      Berthold begann vor Erregung leise am ganzen Körper zu zittern.

      »Ob ich das möchte!« sagte er nur, weiter nichts.

      Seine blassen Wangen erglühten.

      »Ich wusst’ es ja«, entgegnete Afinger. »Es gibt Leute genug, die uns ausholen, die uns täuschen wollen; aber Sie können nicht täuschen. In Ihnen – — in Ihnen steckt etwas Großes, glauben Sie mir das; wenn Sie nur nicht zu sanft und fromm bei der ›Liebe‹ bleiben. Ich hab’ einmal ein Bild vom heiligen Georg geseh’n, wie er den Lindwurm tötet; er sitzt zu Pferd, mit seinem langen Spieß; – der hatte auch so ein junges, feines, sonderbar schönes Gesicht. Nu ja, warum soll ich’s nicht sagen; ’s ist die reine Wahrheit; schmeicheln tu’ ich nicht. Aber der schöne Jüngling, der Georg, fackelte nicht lange, er stieß dem großen Ungeheuer, dem Drachen, dem Weltscheusal seinen Speer in den Leib!«

      »O, ich wollte wohl«, sagte Berthold, dem die Stimme vor Bewegung stockte. »Große Dinge müssen geschehen, das weiß ich. Schonen würd’ ich mich nicht!«

      »Nun also!«

      »Aber was soll man tun?«

      Afinger blieb steh’n. Mit beiden Händen auf seinen Stock gestützt sah er dem Jüngling so fest und scharf in die Augen, dass dieser sich anstrengen musste, den Blick auszuhalten.

      »Das könnt’ ich Ihnen sagen«, fing er dann langsam an. »Aber jetzt – — jetzt sind Sie erschöpft von dem langen Fasten; und Sie wollen zu Ihrem Vater nach Grödig, und ich muss nach Salzburg. Wie lange bleiben Sie in dieser Gegend, Herr Wittekind?«

      »Ich weiß es noch nicht. – Nach Salzburg komm’ ich ganz gewiss zurück.«

      »Wollen Sie mich da besuchen, Herr? Und noch so ein paar Schwärmer und Lindwurmtöter bei mir kennenlernen? Junge Kerle von Herz, die Mark in den Knochen haben?«

      »Wo wohnen Sie?« fragte Berthold.

      »Am Kapuzinerberg; aber auf der Nordseite, an der Straße nach Ischl.«—

      Er beschrieb ihm das Haus genau. —

      »Eine kleine Bude, mein Zimmer; ich gehör’ ja eben auch zu den ›Stiefkindern‹. Würden Sie kommen, Herr?«

      »Ganz gewiss. Da haben Sie meine Hand!«

      »Teufel, ist das eine feine Hand«, sagte Afinger lächelnd, indem er sie mit seiner derben, rauen Faust eine Weile umschlossen hielt. »Aber das tut nichts; Sie haben das Herz auf dem rechten Fleck. Wie der Sankt Georg. Also ich zähl’ auf Sie! Jeden Abend in dieser Woche, gegen sieben Uhr, träfen Sie mich gewiss.«

      »Ich komme!«

      »Nun, dann leben Sie wohl. Da geht Ihr Weg weiter gegen Grödig; dort liegt’s. Eine gute Viertelstunde, wenn Sie ausschreiten; – ich wundre mich nur, dass Sie nach diesen Hungertagen noch so rüstig sind. Ja, ja, es ist Kraft in Ihnen. Mein Weg geht hier rechts zur Bahn. Sie müssen aber heute noch essen; lieber Herr, Sie seh’n doch erbärmlich aus. Sie können Besseres tun, als fasten; und Sie werden es tun! Adieu!«

      Er gab ihm noch einmal die Hand, und nickte ihm zu, mit einem wirklich warmen, herzlichen Blick. Dann lüftete er höflich den Hut. Im nächsten Augenblick ging er mit großen Schritten nach rechts auf das Schienengeleise zu, auf dem eben vom Gebirge her ein Bahnzug heranrollte.

      Berthold sah ihm noch eine Weile nach; darauf schritt er auch seines Weges weiter. Eine Art von Nebel lag ihm vor den Augen, ein Gefühl von Taumel im Hirn; war es nur die Hungersschwäche, die ihm wieder fühlbar ward, oder auch die Erregung, die Nachwirkung dieses merkwürdigen Gesprächs? Seine Füße gingen nicht sicher, und darum desto hastiger. ›Sankt Georg!‹ dachte er; und mit halblauter Stimme sagte er dann mehrmals, wie von einer gewissen Freude trunken, vor sich hin: »Sankt Georg! – Ja, etwas Großes tun; etwas tun für die arme Menschheit; sich zum Opfer bringen…«

      Er suchte den stechenden, wühlenden Schmerz nicht zu fühlen, der sich in ihm rührte. Er bemühte sich, über diesen neuen Menschen, diesen Afinger nachzudenken, sich ein klares Bild von dessen Seele zu machen: was war er denn eigentlich, dieser derbknochige, harte, aufgeregte, dann kalte, dann schwärmerisch bewegte Mensch? War er edel? Gut? Verbittert? Rücksichtslos revolutionär? – Sein junger, unerfahrener Kopf, jetzt von diesem Taumel durchwogt, konnte die Fragen nicht lösen, die Gestalt nicht fassen. Die Sonne, die ihm gegenüberstand, glühte ihm so blendend in die umnebelten Augen; er zog sich den Hut tiefer in die Stirn und schwankte eilig auf der ebenen Straße hin.

      Auf einmal war ihm, als spüre er die Nähe seines Vaters, des geliebtesten aller Menschen, und eine selige Empfindung ging ihm durch die Brust. Er fühlte keinen Schmerz, keine Schwäche mehr; er fing an zu singen. Dann war ihm, als höre er seines Vaters Stimme. Er sang lauter, wie toll, wie ein Trunkener. So kam er an den ersten Häusern vorbei, kam um die Ecke, und plötzlich lag er in Vater Wittekinds Armen.

      IV. Kapitel

      Vor dem Wirtshaus in Grödig waren die Pferde wieder eingespannt; ein zweiter Wagen, auch ein viersitziger Landauer, kam vom Hof gefahren, für Saltner und Kathi bestimmt. Die Gesellschaft hatte sich versammelt, die Baronin Tilburg war schon eingestiegen. Saltner, der bei seinem Wagen stand, sah nach der Uhr.

      »Der Herr Wittekind kommt nicht wieder«, sagte er ungeduldig. »Ich hätt’ ihm so gern noch die Hand gedrückt. Zum Teufel, was für eine Halluzination hat ihn denn genarrt, dass er seinem Buben so entgegenrannte, der vielleicht noch in Salzburg steckt!«

      Waldenburg lächelte:

      »Sie irren; da kommen sie, offenbar Vater und Sohn. Obwohl sie auch für ein paar Brüder gelten könnten; ein saftstrotzender Mann und ein feiner Jüngling. Wie dieses Landleben seine Leute konserviert! – Freilich ist’s auch nicht viel mehr als eine Räucherkammer!«

      Wittekind Vater und Sohn kamen in der Tat von der Ecke, wo die Straßen zusammenliefen, langsam herangeschritten; sie gingen Arm in Arm, und sahen sich fast beständig in die Augen. Berthold erschien klein neben seinem Vater; in der Art zu gehen, die Schultern СКАЧАТЬ