Adams Söhne. Adolf von Wilbrandt
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Название: Adams Söhne

Автор: Adolf von Wilbrandt

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ style="font-size:15px;">      »Ich bin so frei, Herr Berthold Wittekind!«

      Ein etwas spöttisch klingendes Lachen folgte diesen Worten. Afinger stieß den Rest von seinem Brot und Käse mit der Hand ins Gras – schon wieder mehr Aristokrat, als zu ihm gehörte – und stand langsam, sich reckend auf.

      Der junge Wittekind war schon auf den Beinen. Die beiden Gestalten standen sich nun aufrecht gegenüber: die schlanke, feingebaute neben der untersetzten, kraftdurchwachsenen.

      »Wo wollen Sie denn Ihren Vater seh’n?« fragte Afinger.

      »In Grödig, an der neuen Bahn, denk’ ich ihn zu finden.«

      »Da geh’n Sie also durch Anif; und bis Anif haben wir denselben Weg: von da will ich auf der Bahn nach Salzburg zurück. Denn in Salzburg wohn’ ich jetzt. Als Mechaniker – und Weltverbesserer. … Denn ich bin auch so einer wie Sie: ich will die Welt auch nicht so lassen, wie sie ist; will sie anders machen. Aber auf meine Art; nicht so sanft wie Sie!«

      »Was verstehen Sie unter Ihrer Art?« fragte Berthold arglos.

      Der Mechaniker sah ihn, während sie schon ausschritten, von der Seite an; offenbar mit sich uneinig, wieviel er diesem jungen ›Idealisten‹ im ersten Anlauf davon verraten solle. Nach einem leisen Summen antwortete er:

      »Na, es ist ja gewiss eine schöne Sache, wenn dieser und jener aus reiner Menschenliebe – so, wie Sie – für die Elenden, die Unterdrückten, die Sklaven etwas opfern will; ich bin gar nicht verknöchert, Herr, ich weiß das zu schätzen. Aber so ein paar Tropfen höhlen nicht den Stein! Sie können sich als Pelikan ganz zu Tode bluten, die Welt bleibt doch so schofel, wie sie ist. Die, welche etwas haben, wollen’s auch behalten; so freiwillig wie Sie geben sie’s nicht her. Darum muss man nachhelfen! Und dann muss man eine solche Ordnung machen, dass dieses Unkraut von Blutsaugern, Prassern und Selbstvergötterern nicht wieder nachwachsen kann!«

      »Wie meinen Sie das?« fragte Berthold.

      Der andre antwortete nicht; er zog nur die Achseln.

      »Nun, wie war Ihnen gestern und heute beim Fasten?« fragte er dann zurück.

      »Wie mir war?« – Berthold lächelte: »Gut war mir nicht. So krampfig. So hohl. … Und so wenig Leben im Kopf; bis die Phantasien kamen, die nicht enden wollten. Phantasien vom Essen und vom Trinken, mein’ ich.«

      »Grausame Phantasien! Und beneideten Sie nicht all die andern, die was essen konnten?«

      »Wie sollt’ ich sie denn beneiden? Ich tat’s ja, damit andre essen konnten. Wenn ich unterwegs ein paar alte Leute, die nach Armut aussahen, oder ein zerlumptes Kind sah, die führt’ ich zum nächsten Wirtshaus, ließ ihnen zu essen geben, und sah ihnen zu. Es tat mir weh und wohl. Wunderbar tat’s wohl; eben weil’s auch wehtat. Es gab mir so eine sichere Kraft, fröhlich auszuhalten!«

      »Aber kam Ihnen nicht die Wut auf die andern, die es nicht so machen, die sich übersatt fressen und uns hungern lassen?«

      »Wut? – Ich dachte mehr: wenn ihr wüsstet, wie so ein Opfer wohltut, ihr ließet euer Schlemmen sein und tätet mir’s nach!«

      »Können Sie denn nicht hassen, Herr?« fragte Afinger etwas ungeduldig, den Stock heftiger aufstoßend.

      »O ja; ein edler Hass ist auch eine gute Sache. Aber der Hass kann doch nur vernichten; und nur die Liebe kann aufbauen.«

      Afinger lachte kurz auf.

      »Meinen Sie? Kann die Liebe das? – Herr Wittekind, Sie sind sehr jung. Nehmen Sie’s nicht übel. Da will ich Ihnen doch gleich zeigen, wie diese schofle Welt beschaffen ist, und was darin zu tun ist! – Seh’n Sie nur einmal auf; Sie haben noch gar nicht bemerkt, wo wir sind, Sie in Ihren idealen Gedanken. Das ist der Park von Anif; und das ist das Schloss. Da wohnt auch so einer von den großen Herrn, denen unser Schweiß Milch und Honig ist, die sich’s wohl sein lassen!«

      Sie waren einen Fußweg gegangen, der durch das gepflegte Baum- und Wiesenland in den eigentlichen Schlossgarten von Anif geführt hatte. In einem kleinen See, den herrliche alte Bäume umstanden, lag das Schloss wie eine alte Burg, vom regungslosen Wasser umflossen, durch eine Brücke mit dem Land verbunden, und spiegelte seinen Turm, seine Zinnen, die das Sonnenlicht übergoldete, in der verklärenden Flut. Berthold blieb betroffen stehen, mit einem Ausruf der Bewunderung.

      »Wie schön das ist!« sagte er in jugendlicher Freude.

      »Ja, ja!« murmelte Afinger. »So sagt ihr immer, ihr geschulten Herren und gebildeten Damen: wie schön das ist! – Wer hat’s denn so schön gemacht? Die ›Stiefkinder der Natur‹ – so nennt man sie ja – die ihr Dasein verwünschen. Tausend leiden für einen! Millionen für Tausend! Die Tausend aber sagen dann: die Welt ist schön, und der Mensch ist groß! – Da seh’n Sie zum Beispiel diese Buche an; die Blutbuche hier mein’ ich. Wie groß, und wie schön gewölbt! Was? Und so ‘ne richtige Blutbuche, über und über blutrot. Nun treten Sie aber gefälligst zwischen den hängenden Ästen durch, stellen Sie sich an den Stamm, wie ich. So. Was seh’n Sie nun? Seh’n Sie ein rotes Blatt? All die Blätter da, rund um Sie her und über Ihnen – zu denen die Sonne nicht durchkommt; die ›Stiefkinder der Natur‹ – sind sie nicht alle grün geblieben? Alle?«

      Berthold erstaunte sehr: Afinger hatte Recht. Er sah nur dunkelgrüne, wenn auch rot gerippte, Blätter, wohin er auch sah. Dass er unter einer ›Blutbuche‹ stünde, wäre ihm vermutlich nicht in den Sinn gekommen, wenn er’s nicht gewusst hätte.

      »Nun, und wenn Sie draußen steh’n«, fuhr Afinger fort, indem er wieder heraustrat, – »was sagen Sie dann? Dann sagen Sie wie alle andern: das ist eine Blutbuche und hat rote Blätter! So ist alles Betrug, Herr! In der Natur wie bei uns! – Kommen Sie, ich will Ihnen noch so einen Prachtbaum zeigen…«

      Er ging voran, zu einem gewaltigen Kastanienbaum, der sein dichtes Laub in herrlicher Rundung ausgebreitet hatte.

      »Bitte, treten Sie auch hier gefälligst unter, seh’n Sie drinnen um sich! Seh’n Sie überall hinauf!«—

      Berthold tat es und war überrascht: so viele verkümmerte, gelbe, herbstlich vergehende Blätter zeigten ihm ihr trauriges, verborgenes Dasein, im Innern dieser entzückenden Laubkrone.

      »Nicht wahr«, rief Afinger aus, »da sagen Sie nicht, ›wie schön das ist!‹ – Und so ist’s bei den andern Bäumen auch, überall; treten Sie unter welchen Sie wollen. Glauben Sie auch nicht, weil wir ›Juli‹ schreiben, erst die Sommerhitze hätte das gemacht; das war schon im Mai so. Herr, so ist’s auch bei uns! Alles ungerecht! Die einen haben alle Sonne, die andern nicht einen Strahl. Die einen grünen und gedeihen vom ersten bis zum letzten Tag, die andern kommen schon als elende, kranke Blätter auf die Welt. Warum? Weil ihnen die andern alle Sonne nehmen. Das ändert man nicht mit der ›Liebe‹, Herr! Da muss was anderes helfen!«

      »Und was soll man denn tun?« fragte Berthold nachdenklich.

      »Was? Luft und Licht schaffen! Die zu üppigen Zweige weghauen, damit die ›Stiefzweige‹ auch ihre Sonne kriegen!«

      »Die edlen Bäume verstümmeln?«

      »Ah bah!« rief Afinger mit seiner harten, schneidenden Stimme. »Was liegt daran! – In den Ofen mit ihnen, wenn nicht Licht wird für alle!«

      Berthold erwiderte nichts. Er sah in das Gesicht des andern, das sich gerötet hatte, und fühlte sich von einem heißen, fanatischen Glanz in dessen Augen getroffen, СКАЧАТЬ