Das Kind. Adolf von Wilbrandt
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Название: Das Kind

Автор: Adolf von Wilbrandt

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ und unsicher, fast etwas verlegen an »es thut mir leid. Sie sagten ja – — Sie sind also der Sohn. Der Fritz, den ich als Kind – — Jetzt ist mir auch, als seh’ ich in Ihnen das Kind. Es macht mir kein Vergnügen, bei Gott nicht, jemandem weh zu thun . . . Was aber Ihre Behauptung betrifft, daß ich nicht die Wahrheit sage – Sie sind jung – sehr jung —«

      »Verzeihen Sie,« entgegnete Waldeck mit fast heiserer Stimme, »wenn ich trotz meiner Jugend wiederhole, Sie haben nicht das Recht, meinen Vater so zu nennen, wie Sie ihn nannten. Es ist nicht die Wahrheit!«

      Rutenberg sah den jungen Fritz Waldeck eine Weile schweigend an, er murmelte unverständlich, er bewegte die Brauen, die Lider. Doch kein Don Quichote, dachte er, doch mehr Friedrich Schiller . . . »Ich will Ihnen was sagen, junger Herr,« nahm er endlich das Wort. »Gehn Sie wieder. Es ist besser so. Sie können mich nicht bekehren, und ich kann nicht lügen – obwohl Sie vorhin meinten, ich könnte es. Wozu uns böse Worte sagen. Sie mögen ein guter Sohn und ein guter Mensch sein. Eine – eine Art von Antwort hab’ ich ja schon gegeben —«

      »Verzeihen Sie,« sagte Fritz Waldeck und trat in seiner blassen Erregung einen Schritt näher zu Rutenberg hin. »Ich kann so nicht gehn. Diese Beschimpfung, diese Entehrung meines toten Vaters —«

      »Herr!« rief Rutenberg, in dem es wieder überwallte, »wer hat ihn denn beschimpft, wer hat ihn denn entehrt, als sein eigenes Leben und sein eigener Tod?«

      Er glaubte jetzt zu hören, daß sich auf Schilchers Stuhl etwas rührte; sogleich zwang ihn ein inneres Unbehagen, einen Blick hinüberzuwerfen: richtig: aus dem guten, klugen Nußknackergesicht sahen ihn die blaßgrauen Augen ganz still und doch wie um etwas mehr Ruhe bittend an. Naja! dachte Rutenberg, einen Augenblick verstimmt, dann einverstanden, und knöpfte am Rock über seiner Brust.

      »Junger Mann,« sagte er ruhiger, »ich war sein Freund, als Sie noch ein Kind waren. Sie waren auch noch ein Kind, oder nicht viel mehr, als er meine Freundschaft, mein Vertrauen täuschte – bitte, reden Sie nachher – als er uns alle täuschte, die wir ihm vertraut hatten, und – — ja, und dann davonging, auf Niewiederkommen. Es war diese tolle Zeit, vor Dreiundsiebzig, die hoffentlich auch nie wiederkommt, wo die neuen Gründungen über Nacht in die Höhe schossen wie Pilze, und die Millionen kamen und gingen wie die Seifenblasen und die guten Namen mit ihnen! Damals gründeten Sie auch diese gottverfluchte Bank – und Ihr Vater mit. Und weil ich ihm glaubte – nicht den andern, verstehen Sie wohl, sondern ihm, ihm, dem grundgescheiten und gründlich eingeweihten und ehrlichen Ferdinand Waldeck – so gab ich mein sauer erworbenes junges Geld hinein, mehr und immer mehr. Und wenn ich doch einmal zauderte, wenn ich zweifelte – Gieb nur her! schrieb er, gieb nur her! es steht gut, wir blühen, wir gedeihen, wir machen rasende Geschäfte, du wirst Millionär dabei! – Ja, und endlich – krach! Wie loses Pulver flog alles in die Luft. Alles war hin. Herr, ich jammere nicht um das Pulver, um das Geld. Ich hab’s längst verschmerzt. Wenn meine Fabrik damals in Gefahr kam, durch diese vielen Aderlässe zu blutarm zu werden und umzufallen, sie hat sich wieder erholt, und wie! Aber nur Ferdinand Waldeck hab’ ich’s nie verschmerzt – werd’s auch nie verschmerzen. Er hat seine Ehre, seine Seligkeit – Und nun rühren Sie nicht länger auf, was ich da in mir habe; lassen Sie mich, gehn Sie fort!«

      Waldeck Sohn schüttelte jedoch den Kopf, als wollte er durch die stumme Bewegung sagen: Ich kann noch nicht gehn! Er drehte den Hnt zwischen den zitternden Händen, ungelenk wie ein Bauernknecht. In seinen übergroß gewordenen Augen leuchtete aber eine unverzagte Flamme, die das abgemagerte Gesicht verklärte und verschönte. Mit überraschend klarer Stimme erwiderte er dann:

      »Sie sagen die Wahrheit nicht, Herr Rutenberg, weil Sie sie nicht wissen. Nicht ein Betrüger war mein Vater, sondern betrogen wie Sie. Die andern, die andern hatten ihn getäuscht. Und das trieb ihn dann in die Verzweiflung, in den Wahnsinn und in den Tod!«

      »Herr, beweisen Sie das!« rief Rutenberg aus. »Worten glaub’ ich nicht. Worte, Worte hatte auch Ihr Vater, die waren alles, was er uns zurückließ. Dann – fort übers Meer – und dann in die andere Welt!

      »In die andere Welt,« wiederholte Waldeck mit bitterem Lächeln. »Dahin ging er ja, weil er es nicht mehr aushielt, in dieser Welt so beschimpft zu leben. – und weil die Verzweiflung ihm den Verstand verwirrt hatte. Noch auf dem Sterbebett hat mir meine Mutter – die nie eine Lüge auf der Seele hatte, glauben Sie mir das – noch in der letzten Stunde, eh’ sie das Bewußtsein verlor, hat sie mir beteuert: dein Vater war ohne Schuld! Aber die blinde Wut der Menschen, die giftigen Verleumder brachen ihm das Herz —«

      Jetzt fuhr Rutenberg wieder in die Höhe. »Junger Mensch, von wem reden Sie? Wer sind die Verleumder? – Geben Sie besser acht, was Sie sagen. Sie können weder Ihren Vater noch Ihre Mutter aus dem Grabe rufen, schaffen Sie Beweise, die für Ihren Vater und Ihre Mutter zeugen —«

      Waldeck zuckte hilflos die Achseln.

      »Oder reden Sie nicht von giftigen Verleumdern! – Als diese Bank damals in den Erdboden versank, und nichts als einen wertlosen Haufen bedruckter Papierbogen auf der Welt zurückließ – und der oberste dieser Schurken, der Direktor, mit seinem Sekretär in irgend ein unbekanntes Land verduftete – warum blieb Ihr Vater nicht da, wo sein Platz war, und stellte sich dem Gericht, um sich zu reinigen – wenn er sich schuldlos fühlte? Warum ging er auch, bei Nacht und Nebel, über den Ocean? Warum that er nichts, gar nichts, um es gut zu machen? Warum wurde er still wie das Grab, statt für seinen guten Namen zu reden und zu zeugen, so lang’ er noch Atem hatte? – Herr, wenn so die Unschuldigen handeln, dann kenne ich die Welt nicht. Ich hab’ Ihre Mutter bedauert, ich kann Sie bedauern aber Ferdinand Waldeck —«

      Er machte mit dem Arm, den er erhoben hatte, einen langen Strich nach unten durch die Luft »So tief, wie die Erde ist,« setzte er dann mit der ganzen Kraft seines überströmenden Gefühls hinzu, »ist der Abgrund zwischen mir und ihm!«

      »Und seinem Sohn,« ergänzte der unglückliche Waldeck langsam, nachdem er wieder einen tiefen Atemzug gethan hatte. Er trat hinter sich und stieß dabei gegen einen der Spieltische. Auf den blickte er dann verstört. »Ich hab’ also meine Antwort,« murmelte er, nachdem er sich eine Weile gesammelt hatte. »Also leben Sie wohl« – Er ging zur Thür.

      »Sie haben keine Beweise?« fragte Rutenberg hinter ihm her, um doch noch etwas zu sagen.

      Der Jüngling schüttelte den Kopf. »Die hier verlangt werden, nein, die nicht. – Ich kann die Toten nicht aus dem Grabe rufen. O, Sie haben recht. – Dennoch weiß ich, mein Vater – —«

      Er brach aber mit einem Seufzer ab, der tief aus der Brust stieg. Mit überraschend frühreifer Würde verneigte er sich darauf gegen beide, und sagte zu Rutenberg: »Ich bedaure, wenn ich Sie an so einem Tage des Vergnügens störte. Leben Sie wohl!«

      Etwas taumelnd, dann wieder fest und sicher kam er aus der Thür.

      6

      Die beiden, die zurückblieben, waren eine Weile still. Daß er immer wie aus Holz geschnitzt dasitzt, dachte Rutenberg, der seitwärts auf den regungslosen Schilcher blickte; manchmal ist’s doch unerträglich. – »Hm!« machte er selber endlich, um die Stille zu unterbrechen. »Ferdinand Waldecks Sohn. – Auch ein Schicksal. – Armer Junge . . .«

      Schilcher brummte etwas, aber nach seiner unausstehlichen Art so leise, daß man’s nicht verstand.

      »Was sagst du?« fragte Rutenberg. »Nichts,« antwortete Schilcher und erhob sich von seinem Stuhl.

      »Hab’ ich ihm unrecht gethan, Schilcher? – Hab’ ich etwas gesagt, das dir nicht gefällt? Ging es wieder mit mir durch? – Aber um des Himmels willen, konnt’ ich denn СКАЧАТЬ