Das Kind. Adolf von Wilbrandt
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Название: Das Kind

Автор: Adolf von Wilbrandt

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ lachte. »Und drittens denkst du noch zu heiraten?«

      »Ne, das doch nicht. Aber wenn wir eines Tages Gertrud Rutenberg verheiraten, dann werd’ ich ja auch dabei sein; das heißt später, später, so ein zehn Jahre hat es wohl noch Zeit!«

      Gertrud sah ihn über die Schulter an, sagte aber nichts. Sie war schon wieder bei ihrem Traum, in ihr summte es wieder mit der Priesterstimme. »Und immer ging sie fort . . .«

      2

      »Guten Abend, Schilcher!« sagte jetzt Rutenberg, der Vater, der mit Lugau und Wild vom Salon hereintrat. »Da ist ja wieder die ganze Whistpartie beisammen. Ihr seht, die Spieltische sind schon fertig, könntet gleich dableiben und euch niedersetzen.«

      »Ja, das könnten wir wohl,« entgegnete Doktor Wild, dessen volles Gesicht wie gewöhnlich von Behagen glänzte, »aber schöne Leute haben ihre Pflichten. Wir müssen uns erst durch den Frack und die weiße Weste unwiderstehlich machen, sintemal es ein Ballfest ist. Was würde Gertrud sagen, wenn ihre drei Haus-Adonisse nicht ihre Schuldigkeit thäten, um vollkommen schön zu sein!«

      Wild sah seine Kollegen mit den vortretenden Humoristenaugen an und lächelte einen Augenblick. Sie waren alle drei nicht schön, Lugau, Wild und Schilcher, neben dem kleinen »Nußknacker« Schilcher stand der Doktor breit und mächtig da, aber leider viel zu dick, und der viel kürzere Lugau war fast noch dicker, sodaß ihn die Freunde den »Schneeball« nannten, weil er wie die Blüten des Schneeballs sich so allmählich aufgerundet hatte. Nur Rutenberg war ganz wohlgebaut, stattlich, ein echter nordischer Germane mit regelmäßigen, kräftigen Zügen und strahlend blauen Augen. Doch im Humor, konnte man wohl sagen, waren sie alle gleich, ein stadtbekanntes »vierblättriges Kleeblatt«, das schon lange zusammenhielt; zwei Witwer, zwei Junggesellen, drei von ihnen sehr dem Whist ergeben, das damals – im Herbst 1880 – noch nicht so wie jetzt vom Skat abgelöst worden war. Rutenberg, der vierte, saß lieber daneben als Zuschauer, allein oder mit seiner Gertrud, seiner geliebten »Puppe«. So dachte er auch heute zu thun, während seine Puppe tanzte; darum sagte er, die Hand auf einen Spieltisch legend.

      »Alles ist da, ihr Männer, auch den Geist des Strohmanns hab’ ich eingeladen, denn ohne den Strohmann könnt ihr ja nicht leben. Vergeßt nur nicht das Wiederkommen, und zur rechten Zeit!«

      Wild verneigte sich. »Hast’s schon einmal gesagt, danke ergebenst für die Wiederholung.«

      »Lieber Wild,« bemerkte Rutenberg, »wir haben unvergeßliche Beispiele von vergeßlichen Junggesellen!« – Er wandte sich zu Gertrud: »Nun, Kind? Das Buch! Ich warte auf das Buch!«

      »Heiliger —!« rief das Mädel aus. »Vergessen!«

      Die drei Whistspieler lachten. Wild sah die Tochter und dann den Vater mit seinen glänzenden Augen triumphierend an

      »Es scheint,« sagte er, »die Vergeßlichkeit beschränkt sich nicht auf zu dick gewordene Junggesellen —«

      »Ja, ja!« schmunzelte Schilcher. »So ein siebzehnjähriges Junggesellchen vor dem erstes Ball!«

      Der kleine runde Domänenrat Lugau nahm nun auch das Wort, seine redseligen Arme mitbewegend.

      »So war’s auch damals mit der Grete, meiner kleinen Nichte, – heute abend kommt sie. Gab auch ihren ersten Ball, konnt’ es nicht erwarten! Ganz in Rosa, sah aus wie ein Flamingo stundenlang ging sie in träumerischer Erwartung durch die Zimmer, – so!«

      Er versuchte es nachzumachen, wie das seine Art war, es saß ihm in den Gliedern, er konnte es nicht lassen. Der »Schneeball« bewegte sich träumerisch, schmachtend hin und her, es war aber doch mehr, wie wenn eine Kugel auf zwei Rädchen rollte. »Und dann« fuhr er fort, »dann sah sie wieder in den Spiegel, gradaus, seitwärts, rückwärts, – so!«

      Er machte es wieder nach, wie seine Grete in den Spiegel schaute. Gertrud lachte, zuletzt unbändig, sie lachte sich auf einen Stuhl.

      »Ach«, sagte sie dann, »wie anmutsvoll spielen Sie so ein junges Mädchen! Jeder Jüngling muß sich ja in Sie verlieben, Herr Domänenrat.«

      »Es war so!« rief Lugau eifrig aus. »Auf Ehre!«

      Jetzt lachten alle.

      »Also, das Buch!« sagte Rutenberg. Gertrud schnellte vom Stuhl empor: »Ja, jetzt hol’ ich das Buch!«

      Sie ging wieder am nächsten Büchergestell entlang, mit den Augen suchend; dabei kam ihr aber auch der Traumvers wieder und das süße Träumen im Blick. Indem sie an den bunten Rücken der Bücher mit der streichelnden Hand entlang strich, summte sie gedankenlos vor sich hin, als wäre sie allein: »Und immer ging sie fort, aufs offne Himmelsthor . . .«

      Doktor Wild, der sie auch so gut kannte, – ihr Arzt seit der Kinderzeit – beobachtete sie heimlich, mit Vergnügen; er sah, wie sie träumte. Ihm kam auch schon die Lust, eine seiner üblichen Schnurren und Komödien zu spielen. Nicht zu ihr, sondern zu Rutenberg gewendet, warf er in seiner raschen Weise hin:

      »Ja, aber meine lieben Freunde, was hilft das? Es ist sehr zu fürchten, daß das Zauberfest heute abend etwas angespritzt wird —«

      »Wieso angespritzt?« fragt Lugau.

      »Nu, ich meine, etwas getrübt; etwas ungemütlich. Denn die Depeschen im Abendblatt —«

      Gertrud drehte sich zu ihm herum. »Was für Depeschen?« fragte sie.

      »Ist das Abendblatt schon da?« fragte Schilcher.

      »Allerdings«, sagte Wild und nickte sehr ernsthaft; »Ich hab’s schon durchflogen.« Er zuckte gegen Gertrud die Achseln, mitleidig: »Häßliche Depeschen! Störung des lieben Friedens; oder, um es mit einem kurzen Wort zu sagen: Krieg! – Ja, mein Herz, was hilft’s. Was man schon seit achtundsiebzig fürchtet, ist nun eingetroffen: die grande nation und das ›heilige‹ Rußland haben sich richtig verbündet und was sie von Deutschland verlangen, ist ein bißchen viel!«

      Er wiederholte, da er das Mädchen langsam blaß werden sah: »ist ein bißchen viel!«

      »Was verlangen sie denn?« fragte Gertrud stockend.

      »Die Herausgabe von Luxemburg, Livland, Kurland und auch Jütland —«

      »Im Abendblatt?« stammelte Gertrud.

      Wild zuckte wieder die Achselm »Ja!«

      »Aber – — Aber das ist ja infam!« rief das Mädchen aus.

      »Was wollt’ es nicht!« sagte Wild. »Freundlich ist es jedenfalls nicht.«

      Sie sah den Doktor zaghaft an, nun ganz blaß geworden. »Und das alles können wir Deutschen natürlich nicht herausgeben?«

      »Nein«, fiel er ihr ins Wort, sich scheinbar ereifernd, »nein, das können wir nicht! Luxemburg und Jütland, Livland und Kurland – das können wir nicht! Das ist ganz unmöglich!«

      Gertrud blickte in ihrer Hilflosigkeit umher und sah, daß alle sonderbar heiter waren. »Worüber lächeln Sie?« sagte sie zu Lugau.

      Der Domänenrat rieb seine Hände. »Ueber die Andacht, meine liebe Gertrud, mit der Sie immer wieder auf Doktor Wilds Erfindungen eingehen. Und ein ganz klein bißchen auch über Ihren Lehrmeister in der Geographie!«

      »Ah!« rief das Mädchen, etwas verlegen. »Luxemburg und Jütland СКАЧАТЬ