Das Schweigen im Walde. Ganghofer Ludwig
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Название: Das Schweigen im Walde

Автор: Ganghofer Ludwig

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ Die Milchstraße, die draußen in der dunstigen Ebene auch in hellen Nächten nur matt erkennbar ist, schlängelte sich über den Sternenhimmel hin wie ein lichter Silberstrom, unterbrochen von schwarzen Inseln.

      Zuweilen ging ein sanftes Hauchen durch die finsteren Bäume, als hätte die Natur im Schlummer wohlig aufgeatmet. Und wenn es kam, dieses kurze linde Hauchen, trug es von den Almen den Wohlgeruch der Brunellen ins Tal herunter, einen süßen Duft, der an köstliches Gewürz erinnerte.

      Immer wieder blieb Ettingen stehen, auf den Bergstock gestützt, und träumte hinein in das nächtliche Schweigen des Waldes.

      »Wie schön! Und soviel Ruhe!«

      Als er leis diese Worte vor sich hin murmelte, zuckte es über die langen Bergwände der Hohen Munde wie ein falbes Leuchten. Das währte nur einen Augenblick, doch alle Farben des Waldes, der Felsen und Almen erwachten in dieser Sekunde, um mit der nächsten wieder in Schlaf und Finsternis zu versinken.

      »Was war das? Der Himmel ist klar – «

      »Weit draußen im Flachland muß a Wetter stehn. Da draußen hat's blitzt. Dös war der Widerschein.«

      Ettingen lauschte, als müßte er den fernen Donner hören. In den sternfunkelnden Lüften blieb's ruhig und still.

      Er lächelte. »Sturm und Wetter da draußen. Hier die Ruhe! Das Schweigen im Wald!«

      Sie schritten weiter.

      Zwei Stunden waren sie fast gewandert, und über den östlichen Bergen begann sich schon der Himmel zu lichten, als ihnen durch den Wald, in dem der Weg immer steiler wurde, leichte Nebelschleier langsam entgegenschwebten.

      »Das Wetter von da draußen schickt seine Vorreiter in die Berge herein«, sagte Ettingen, »der Tag wird trüb werden.«

      »Gott bewahr, Duhrlaucht! An schönern Tag haben S' noch nie net gsehn! Der Nebel da, dös is bloß der Seedampf. Wissen S', zwischen die Felsen droben, da liegt der Firnschnee umanand. Da bleibt auch im heißen Sommer d'Nacht schön frisch. Und in der Fruh, da fangt der Sebensee zum Rauchen an. Dös muß so sein, dös is 's allerfeinste Wetterzeichen.«

      Es währte nicht lang, und sie waren völlig eingehüllt von den ziehenden Dämpfen. Man konnte auf zwanzig Schritte kaum noch einen Baum unterscheiden. Daß in den Lüften der Tag erwachte, sah man nur an dem Grau des Nebels, der immer lichter und lichter wurde.

      »Wie lange haben wir noch zu steigen?« fragte Ettingen.

      »A Viertelstündl. Da is schon der See.«

      Aber vom See war keine Spur zu gewahren. Es hoben sich nur ein paar grobe Felsblöcke des Ufers von dem weißlichen Rauch mit verschwommenem Dunkel ab, man hörte das leise Geplätscher, mit dem das Wasser die Steine umspülte, und tief aus dem Ehrwalder Tal herauf summte das Brausen des Wasserfalles, der den Abstrom des Sees hinunterwarf über turmhohe Wände.

      Der Pfad stieg immer mehr und verlor sich in ein steiles Latschenfeld. Als die Jäger einmal rasteten, hörten sie auf dem Weg die Steine klirren. Wie ein dunkler Schatten huschte ein großes Tier an ihnen vorüber und verschwand im Rauch.

      »War das ein Stück Hochwild?«

      »Ja, ja, wird schon so was gwesen sein!« Pepperl schmunzelte. Er brachte es nicht übers Herz, seinem Jagdherrn ins Gesicht zu sagen, daß er im Nebel einen Maulesel für Hochwild angesehen hätte. »Gar weit haben wir nimmer hin bis zum Hirsch, jetzt müssen wir d' Füß a bißl in acht nehmen.«

      Lautlos kletterten die beiden Jäger zwischen den Latschen hinauf. Je höher sie kamen, desto häufiger schüttelte Pepperl den Kopf. »Jetzt dürft sich der Nebel bald verziehen! Oder es spuckt in der Fechtschul!«

      Minute um Minute verging, und es wurde nicht lichter. Wohl hauchte manchmal ein frischer Windzug von den unsichtbaren Wänden nieder, aber der Nebel lag fest und wollte nicht weichen.

      Sie hatten im steilen Latschenfeld einen Rasenbuckel erreicht, als Pepperl flüsternd im Klettern innehielt: »Jetzt können wir nimmer weiter! Der Hirsch muß in der Näh sein, auf'n schönsten Schuß. Was machen wir jetzt? Teufi, Teufi, Teufi! Wenn's schief geht, Duhrlaucht, kann ich nix dafür! So a Hundsnebel, so a miserabliger!«

      Ettingen tröstete leise: »Machen Sie sich keine Sorgen, Pepperl! Wenn auch die Pirsche fehlschlägt, der Weg war wunderschön und hat mir Freude gemacht.«

      »Der Weg? No ja, a schöner Weg is auch was Schöns. Aber lieber wär mir der Hirsch. Wenn nur der Teufel den Nebel kreuzweis reiten möcht!«

      Als wäre der fromme Wunsch des Jägers an die richtige Adresse geraten, so fuhr im gleichen Augenblick ein scharfer Windstoß über das Latschenfeld herunter und riß die wallenden Schleier entzwei.

      »Mar und Joseph!« lispelte Pepperl. »Duhrlaucht! Der Hirsch!«

      Kaum hundert Schritte von den Jägern entfernt, kam der Hirsch gemächlich durch die Latschen gezogen und gabelte mit dem mächtigen Geweih wie spielend in die Büsche. Doch ehe Praxmaler die Büchse spannen und dem Fürsten reichen konnte, war der Nebel schon wieder zusammengeflossen, alles grau verhüllend.

      Pepperl zitterte vor Aufregung an allen Gliedern und flüsterte: »Teufi, Teufi, Teufi, jetzt is gfehlt! Jetzt hat er uns gleich im Wind. Und nacher bhüt dich Gott, Hirscherl!«

      Da hörten sie in nächster Nähe das Brechen von Zweigen und den Schritt des Wildes. Wie ein großer, grauer Schemen tauchte dicht vor ihnen der Hirsch im Nebel auf. Nun verhoffte er und wandte sich zur Flucht – aber da krachte auch schon der Schuß. Im Nebel war der Hall der Büchse dumpf und kurz, man hörte kein Echo, nur ein mattes Gepolter im Geröll, über das der Hirsch gegen das Seetal hinunter flüchtete. Dann Stille.

      Dem Praxmaler-Pepperl klopfte das Herz, daß man es hören konnte wie dumpfen Hammerschlag. Und die Hände um die Ohren höhlend, lauschte er talwärts.

      Scharf blies der Wind von den Felsen. Der Nebel kräuselte sich um die Büsche und flatterte, wurde lichter und lichter, und in der Höhe begann es schon zu schimmern wie mattes Blau und wie ein Rätsel des Sonnenglanzes. Da rissen die Schleier entzwei – wie sich ein Vorhang teilt, der ein heiliges Wunder verhüllte. Leuchtende Matten sah man, ein steiles Latschenfeld in blauem Schatten, hier eine graue Wand und dort eine Reihe scharfgeschnittener Spitzen, rosig angeflogen vom Schein der Morgensonne. Nur wenige Minuten, und die Höhe, auf der die Jäger ruhten, war völlig nebelfrei. Groß und schweigend dehnte sich rings um sie her die Felsenwildnis, in mächtigem Halbkreis umzogen von starrendem Gewänd. Ihnen zu Füßen lag der Nebel ausgegossen, flach und weiß wie Milch, und drüben stiegen aus dem Meer dieser silbernen Dünste die Steinkolosse der Wetterschrofen auf, über deren wild zerrissenen Grat die goldleuchtenden Schneegehänge der Zugspitze herüberblinkten.

      Immer rascher zog und streckte sich der Nebel, und während seine tieferen Massen gegen Osten hinausströmten über das Geißtal, lösten seine höheren Ränder und Zungen sich auf in blaue Luft. Allmählich enthüllten sich im Westen die schön gewellten Waldberge von Lermoos und Reutte, das Ehrwalder Tal entschleierte sich mit seinem blitzenden Bach, mit seinen Wiesen und ausgestreuten Häusern. Schon sah man die Ehrwalder Alm, auf der sich mit dem fernen Gebrüll der Rinder die jauchzende Stimme eines Hirtenbuben mischte. Schon stachen die Wipfel des Sebenwaldes schlank und spitz aus dem Nebel heraus. Noch eine kurze Weile, und aus den in Luft und Sonne zerfließenden Dünsten leuchtete ein stilles grünes Wasserauge aus der Tiefe herauf: der Sebensee, ein kreisrundes Felsenbecken, erfüllt mit einer Flut von so kristallener Klarheit, daß man jeden Steinblock und jeden versunkenen Baum auf dem Grunde deutlich unterscheiden СКАЧАТЬ