Wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen. Lagerlöf Selma
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Читать онлайн книгу Wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen - Lagerlöf Selma страница 26

СКАЧАТЬ hat, der heute Nacht in der Stadt herumstrolcht? Es ist eine naseweise Kanaille, und wenn ich ihn fasse, werde ich ihn Mores lehren.“ Damit stieß er seinen Stock noch einmal auf den Boden und sah schrecklich grimmig drein.

      „Mit Verlaub, Eure Majestät, ich hab ihn gesehen,“ sagte der Hölzerne; und der Junge, der unter dem Hut zusammengekauert saß und durch eine Ritze im Holz den Bronzenen sehen konnte, begann vor Angst heftig zu zittern. Aber er beruhigte sich wieder, als der Hölzerne fortfuhr: „Eure Majestät ist auf falscher Fährte. Der Junge wollte gewiß auf die Werft, um sich dort zu verstecken.“

      „Meint Er das, Rosenbom? Nun, dann bleib Er nicht länger auf seinem Schemel stehen, sondern komm Er mit mir und helf Er mir, den kleinen Kerl zu suchen. Vier Augen sehen besser als zwei, Rosenbom.“

      Aber der Hölzerne antwortete mit jammervoller Stimme: „Ich möchte untertänigst bitten, dableiben zu dürfen, wo ich bin. Ich sehe gesund und glänzend aus, weil man mich eben frisch angestrichen hat, aber innerlich bin ich alt und gichtbrüchig und kann keine Motion vertragen.“

      Der Bronzene gehörte sicherlich zu denen, die keinen Widerspruch vertragen können. „Was sind das für Flausen! Komm Er nur, Rosenbom!“ Und er streckte seinen langen Stock aus und versetzte dem andern einen dröhnenden Schlag auf die Schulter. „Da sieht Er, daß Er hält, Rosenbom.“

      Die beiden machten sich also auf den Weg und wanderten stattlich und gewaltig durch die Straßen von Karlskrona, bis sie an ein großes Tor kamen, das zur Werft führte. Davor stand ein Marinesoldat Schildwache; aber der Bronzene ging wie selbstverständlich an ihm vorbei und stieß die Tür auf, ohne daß es der Matrose zu bemerken schien.

      Sobald sie durch das Tor hindurchgeschritten waren, sahen sie einen weiten, durch hölzerne Brücken abgeteilten Hafen vor sich. In den verschiedenen Hafenbecken lagen Kriegsschiffe; diese erschienen in der Nähe noch größer und schreckenerregender als vorher, wo der Junge sie von oben herab gesehen hatte. „Es war doch nicht so ganz verkehrt, wenn ich sie für Meeresungeheuer hielt,“ dachte er.

      „Wo meint Er, daß wir zuerst suchen sollen, Rosenbom?“ fragte der Bronzene.

      „So einer könnte sich am allerleichtesten im Modellsaal verstecken,“ antwortete der Hölzerne.

      Auf einem schmalen Streifen Land, der rechts dem ganzen Hafen entlang lief, lagen altertümliche Gebäude. Der Bronzene ging auf ein Haus mit niedrigen Mauern, viereckigen Fenstern und einem ansehnlichen Dach zu. Er stieß mit seinem Stock gegen die Tür, daß sie aufsprang, und stapfte eine Treppe mit ausgetretenen Stufen hinauf. Sie kamen in einen großen Saal, der mit einer Menge bemasteter und aufgetakelter Schiffe angefüllt war. Ohne daß es ihm jemand gesagt hätte, wußte der Junge, daß er hier die Modelle zu den Schiffen sah, die für die schwedische Flotte gebaut worden waren.

      Es gab viele verschiedene Arten von Schiffen. Alte Linienschiffe, deren Seiten mit Kanonen gespickt waren, die vorne und hinten mächtige Aufbauten hatten und deren Masten einen großen Wirrwarr von Segel und Tauen zeigten. Ferner kleine Küstenschiffe mit Ruderbänken an den Seiten, unbedeckte Kanonenschaluppen und reich vergoldete Fregatten; das waren die Modelle von den Schiffen, deren sich die Könige auf ihren Reisen bedient hatten. Und endlich waren da auch die schweren, breiten Panzerschiffe mit Türmen und Kanonen auf dem Verdeck, die heutigentags gebraucht werden, sowie schlanke, schwarzglänzende Torpedoboote, die wie lange schmale Fische aussahen.

      Während der Junge zwischen all diesem herumgetragen wurde, wurde er ganz verdutzt. „Nein, daß so große und stolze Schiffe hier in Schweden gebaut worden sind!“ dachte er.

      Er hatte gut Zeit, sich umzusehen, denn als der Bronzene die Modelle sah, vergaß er alles andre. Er betrachtete sie der Reihe nach, vom ersten bis zum letzten, und ließ sie sich erklären. Und Rosenbom, der Oberbootsmann von Dristigheten, erzählte alles, was er wußte, wer die Baumeister gewesen waren, wer sie geführt hatte, und welches Schicksal sie gehabt hatten. Von Chapmann und Puke und Trolle, von Hogland und Svensksund erzählte er, bis zum Jahre 1809, denn von da an war er nicht mehr dabei gewesen.

      Ihm und dem Bronzenen gefielen die alten Holzschiffe am besten. Auf die neuen Panzerschiffe schienen sie sich nicht so recht zu verstehen.

      „Ich sehe, daß Er von den neuen da nichts weiß, Rosenbom,“ sagte der Bronzene. „Wir wollen deshalb jetzt gehen und etwas andres ansehen, denn das macht mir Spaß, Rosenbom.“

      Jetzt dachte er gewiß nicht mehr daran, den Jungen zu suchen, und dieser fühlte sich unter dem hölzernen Hut ganz sicher und behaglich.

      Die beiden Männer gingen durch die großen Werkstätten, durch die Segelnähereien und die Ankerschmieden, durch die Maschinen- und Schreinerwerkstätten. Sie besahen die hohen Kranen und die Docks, die großen Vorratshäuser, den Artilleriehof, das Zeughaus, die lange Seilerbahn und das große verlassene Dock, das aus den Felsen herausgesprengt worden war. Sie gingen auf die Bohlenbrücken hinaus, wo die Kriegsschiffe verankert lagen, begaben sich an Bord der Schiffe und betrachteten sie wie zwei alte Seebären, fragten und verwarfen und billigten und ärgerten sich.

      Der Junge saß sicher unter dem hölzernen Hut und hörte sie erzählen, wie auf diesem Platz gearbeitet und gestritten worden war, um die hier ausgerüsteten Schiffe fertigzustellen. Er hörte, wie man Leib und Leben aufs Spiel gesetzt hatte, wie das letzte Scherflein für diese Schiffe geopfert worden war, wie talentvolle Männer ihre ganze Kraft eingesetzt hatten, diese Fahrzeuge, die das Vaterland verteidigten und beschützten, zu verbessern und zu vervollkommnen. Dem Jungen traten ein paarmal unwillkürlich die Tränen in die Augen, als er von diesem allem erzählen hörte. Und er freute sich, daß er so genaue Auskunft darüber erhielt.

      Ganz zuletzt kamen sie auf einen offnen Hof, wo die Galionsfiguren von alten Linienschiffen aufgestellt waren. Und etwas Merkwürdigeres hatte der Junge noch nie gesehen, denn die Figuren, die da hingen, hatten unglaublich große, schreckenerregende Gesichter. Groß, kühn und wild sahen sie aus, von demselben stolzen Geist erfüllt, der einst die großen Schiffe ausgerüstet hatte. Sie waren von einer andern Zeit und von andern Händen hervorgebracht worden. Dem Jungen war es, als schrumpfe er vor ihnen ganz zusammen.

      Aber als sie hierhergelangt waren, sagte der bronzene Mann zu dem hölzernen: „Nehm Er vor denen, die hier stehen, den Hut ab, Rosenbom! Sie alle sind für das Vaterland im Kampf gewesen.“

      Aber ebenso wie der Bronzene hatte auch Rosenbom vergessen, warum sie die Wanderung begonnen hatten. Ohne sich einen Augenblick zu besinnen, lüpfte er seinen Hut und rief:

      „Ich nehme meinen Hut ab vor dem, der den Hafen auserwählte, der den Grund zur Werft legte und eine neue Flotte schuf, vor dem König, der dies alles hier ins Leben gerufen hat!“

      „Danke, Rosenbom, das war gut gesagt. Er ist ein prächtiger Mann, Rosenbom. Aber was hat Er denn da, Rosenbom?“

      Denn Nils Holgersson stand mitten auf Rosenboms kahlem Schädel. Aber er hatte jetzt keine Angst mehr, sondern schwang seine weiße Mütze und rief: „Ein Hurra für dich, Lippenfritze!“

      Er schrie so laut, daß er erwachte. Und da merkte er zu seiner großen Verwunderung, daß er alles miteinander geträumt hatte, und daß er noch immer bei den Gänsen auf dem Kirchendach war.

      10

      Die Reise nach Öland

Sonntag, 3. April

      Am nächsten Morgen flogen die Wildgänse auf eine Schäreninsel, um dort zu weiden. Sie trafen da mit einigen Graugänsen zusammen, und diese verwunderten sich sehr, als sie die Wildgänse erblickten, denn sie wußten wohl, daß diese Verwandten von ihnen am liebsten über das Innere des Landes ihren Flug nehmen. Sie waren СКАЧАТЬ