Wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen. Lagerlöf Selma
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Читать онлайн книгу Wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen - Lagerlöf Selma страница 25

СКАЧАТЬ und so lange er lebte, hatte er jeden Tag von Karlskrona erzählt, von der großen Werft und allem andern, was es da gab. Hier fühlte sich der Junge ganz wie zu Hause, und er freute sich, daß er jetzt das alles sehen durfte, von dem er so viel hatte erzählen hören.

      Nur im Fluge sah er den Turm und die Festungswerke, die den Hafeneingang abschließen, sowie die vielen Gebäude draußen auf der Werft, denn jetzt ließ sich Akka auf einem von den flachgedeckten Kirchtürmen nieder.

      Das war allerdings ein sichrer Platz für solche, die einem Fuchse entwischen wollten, und der Junge fragte sich, ob er es nicht wagen könnte, in dieser Nacht wieder unter die Flügel des Gänserichs zu kriechen. Ja, das konnte er bestimmt, und es würde ihm sicher gut tun, wenn er wieder einmal ein bißchen schlafen dürfte. Am nächsten Morgen wollte er dann versuchen, etwas mehr von der Werft und den Schiffen zu sehen.

      Dem Jungen kam es selbst sonderbar vor, daß er sich nicht ruhig verhalten und still warten konnte, bis er etwas von den Schiffen zu sehen bekäme. Er hatte sicher noch keine fünf Minuten geschlafen, als er unter dem Flügel hervorglitt und am Blitzableiter und an den Dachrinnen auf den Boden hinunterkletterte.

      Bald stand er auf einem großen Marktplatz, der sich vor der Kirche ausbreitete; er war mit rundlichen, oben zugespitzten Steinen gepflastert, und das Gehen darauf war ebenso beschwerlich für ihn, wie für große Leute das Gehen auf einer Wiese voll Erdschollen. Leute, die in einer unbebauten Gegend und weit draußen auf dem Lande wohnen, fühlen sich immer ängstlich, wenn sie in eine Stadt kommen, wo die Häuser steif und aufrecht dastehen und die Straßen und Plätze offen daliegen, so daß sie jeder, der vorübergeht, betrachten kann. Und wenn große Leute so denken, kann man sich leicht vorstellen, wieviel mehr es dem Däumling so gehen mußte. Als er auf dem Markt von Karlskrona stand und die Deutsche Kirche und das Rathaus und den Dom, von dem er gerade heruntergekommen war, sah, wünschte er sich unwillkürlich zu den Gänsen droben auf dem Kirchturm zurück. Zum Glück war der Marktplatz ganz leer. Kein Mensch war zu sehen, wenn man nicht etwa ein Standbild, das auf einem hohen Sockel stand, für einen solchen rechnen wollte. Der Junge betrachtete das Standbild lange und hätte gerne gewußt, wer dieser große Mann in Dreispitz, langem Rock, Kniehosen und groben Schuhen sei. Er hielt einen langen Stock in der Hand und sah aus, als mache er auch Gebrauch davon, denn er hatte ein furchtbar strenges Gesicht mit einer großen Habichtsnase und einem häßlichen Mund.

      „Was hat denn dieser Lippenfritze hier zu tun?“ sagte der Junge schließlich.

      Noch nie hatte er sich so klein und ärmlich gefühlt wie an diesem Abend. Er versuchte sich aufzuraffen, indem er etwas Keckes sagte. Dann dachte er nicht mehr an das Standbild, sondern bog in eine breite Straße ein, die zum Meer hinunterführte. Aber er war noch nicht lange gegangen, als er hörte, daß jemand hinter ihm herkam. Vom Markt her kam jemand, der mit schweren Füßen auf das Pflaster stampfte und seinen Stock auf den Boden aufstieß. Es klang fast, als hätte der große Mann aus Bronze, der drüben auf dem Markte stand, sich auf den Weg gemacht.

      Der Junge horchte auf die Schritte, während er die Straße hinunterlief, und immer deutlicher erkannte er, daß es der Mann aus Bronze sein mußte. Die Erde bebte und die Häuser zitterten, sicherlich konnte niemand anders so gehen; und der Junge erschrak, als ihm einfiel, was er vorhin über ihn gesagt hatte. Er wagte nicht einmal den Kopf zu drehen, um nachzusehen, ob er es wirklich sei.

      „Er geht vielleicht nur zu seinem eignen Vergnügen spazieren,“ dachte der Junge weiter. „Wegen der paar Worte, die ich über ihn gesagt habe, kann er doch unmöglich böse auf mich sein. Es war ja gar nicht schlimm gemeint.“

      Anstatt nun geradeaus zu gehen, um womöglich an die Werft zu gelangen, bog der Junge in eine nach Osten führende Straße ein. Er wollte dem, der hinter ihm herkam, um jeden Preis ausweichen.

      Aber gleich darauf hörte er den Bronzenen auch in diese Straße einbiegen. Da erschrak der Junge so sehr, daß er einfach nicht wußte, was er tun sollte. Und wie schwer ist es, einen Schlupfwinkel zu finden in einer Stadt, wo alle Türen fest verschlossen sind! Da sah er zu seiner Rechten eine alte aus Holz gebaute Kirche, die etwas abseits von der Straße in einer großen Anlage stand. Er bedachte sich nicht einen Augenblick, sondern stürzte auf die Kirche zu. „Wenn ich nur hineinkomme, werde ich wohl vor allem Übel beschützt sein!“ meinte er.

      Während er dahinstürmte, sah er plötzlich einen Mann auf einem Sandweg stehen, der ihm winkte. „Das ist gewiß jemand, der mir helfen will,“ dachte der Junge; es wurde ihm ganz leicht ums Herz, und er eilte auf den Mann zu. Er hatte wirklich Herzklopfen vor lauter Angst.

      Aber als er bei dem Mann angekommen war, der am Rande des Weges auf einem kleinen Schemel stand, stutzte er sehr. „Der kann mir doch nicht gewinkt haben,“ dachte er; denn jetzt sah er, daß der ganze Mann aus Holz war.

      Er blieb vor dem Mann stehen und betrachtete ihn. Es war ein grobgeschnittener Kerl mit kurzen Beinen, breitem rotem Gesicht, glänzendem schwarzem Haar und einem schwarzen Vollbart. Er hatte einen schwarzen hölzernen Hut auf dem Kopf, auf dem Leib einen braunen hölzernen Rock, um die Mitte eine schwarze hölzerne Schärpe, an den Beinen weite, graue hölzerne Hosen und Strümpfe und an den Füßen schwarze Holzschuhe. Er war überdies frisch gestrichen und gefirnist, so daß er im Mondschein glänzte und gleiste; und der Frühling tat auch noch das Seinige dazu und gab ihm ein so gutmütiges Aussehen, daß der Junge sogleich Vertrauen zu ihm faßte.

      Neben dem Mann auf dem Wege stand eine Holztafel, und auf dieser las der Junge:

      „Ich bitt euch ganz demütiglich,

      Kann sprechen zwar nicht gut,

      Kommt, gebt ein Scherflein her für mich

      Und legts in meinen Hut!“

      Ach freilich, der Mann war eine Armenbüchse! Der Junge war ganz verdutzt. Er hatte geglaubt, etwas ganz besonders Merkwürdiges vor sich zu haben. Und jetzt erinnerte er sich auch, daß der Großvater von diesem hölzernen Manne gesprochen und gesagt hatte, alle Kinder von Karlskrona hätten ihn sehr gern. Und das mußte wohl wahr sein, denn auch dem Jungen fiel es schwer, sich von dem hölzernen Mann zu trennen. Er hatte etwas so Altmodisches, man konnte ihn für viele hundert Jahre alt halten, und zugleich sah er doch stark und stolz und lebenslustig aus, gerade wie die Leute in alten Zeiten gewesen sein mußten.

      Es machte dem Jungen so viel Vergnügen, den hölzernen Mann anzusehen, daß er den andern, vor dem er geflohen war, ganz vergaß. Aber jetzt hörte er ihn wieder. O weh! auch er verließ die Straße und kam in den Kirchhof herein. Er ging ihm auch hierher nach! Wohin sollte der Junge nun flüchten?

      Gerade in diesem Augenblick sah er, daß der Hölzerne sich verbeugte und seine breite hölzerne Hand ausstreckte. Man konnte ihm unmöglich etwas andres als Gutes zutrauen, und mit einem Satz stand ihm der Junge auf der Hand. Und der Hölzerne hob ihn zu seinem Hut empor und steckte ihn darunter.

      Kaum war der Junge versteckt, kaum hatte der Hölzerne den Arm wieder an seinen richtigen Platz getan, als der Bronzene auch schon vor ihm stand und mit seinem Stock so gewaltig auf den Boden stieß, daß der Hölzerne auf seinem Schemel erzitterte. Hierauf sagte der Bronzene mit lauter metallener Stimme: „Wer ist Er?“

      Der Arm des Hölzernen fuhr hinauf, daß es in dem alten Holzwerk knackte, er legte die Hand an den Hutrand und antwortete: „Rosenbom, mit Verlaub, Eure Majestät, früher Oberbootsmann auf dem Linienschiff Dristigheten, nach beendigtem Kriegsdienst Kirchenwächter bei der Admiralskirche, schließlich in Holz geschnitten und als Armenbüchse auf dem Kirchhof aufgestellt.“

      Däumling fuhr zusammen, als er den Hölzernen „Eure Majestät“ sagen hörte. Denn wenn er jetzt darüber nachdachte, so fiel ihm allerdings ein, daß das Standbild auf dem Markt den vorstellen mußte, der die Stadt gegründet hatte. Es war also niemand Geringeres als Karl XI. selbst, mit dem er zusammengetroffen СКАЧАТЬ