Название: Wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen
Автор: Lagerlöf Selma
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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„Dann wollen wir lieber dableiben, wo wir sind,“ sagten die Wildgänse. „Wir können nicht durch ein Land reisen, wo es weder Wasser noch Futter gibt.“
„Wenn wir bleiben, wo wir sind, werden wir vielleicht einen ganzen Monat warten müssen,“ sagte Akka. „Da wollen wir lieber ostwärts durch Blekinge reisen und versuchen, ob wir nicht später über Småland durch den Mörebezirk, der an der Küste liegt und wo es frühzeitig Frühling wird, weiterkommen können.“
So ritt nun also der Junge am nächsten Tage über Blekinge hin. Jetzt wo es hell war, hatte sich sein Gemüt wieder beruhigt, und er konnte nicht begreifen, was ihn gestern abend so sehr angefochten hatte. Jetzt wollte er die Reise nach Lappland und das ungebundene Leben ganz und gar nicht mehr aufgeben.
Über der Landschaft Blekinge lag ein dichter Regennebel, und der Junge konnte nicht erkennen, wie das Land unter ihm aussah. „Ich möchte wohl wissen, ob wir hier über gutes oder schlechtes Erdreich hinfliegen?“ dachte er, und er zerbrach sich den Kopf, um sich zu erinnern, was er in der Schule darüber gehört hatte. Zugleich aber wußte er auch, daß ihm dies nichts nützen konnte, weil er ja seine Aufgaben nie ordentlich gelernt hatte.
Doch plötzlich sah er die ganze Schule deutlich vor sich. Die Kinder saßen in den schmalen Schulbänken und streckten die Finger in die Höhe, der Lehrer saß auf dem Katheder und sah unzufrieden aus, er selbst aber stand vorne an der Karte und sollte Fragen über Blekinge beantworten, wußte aber kein Wort zu sagen. Mit jeder Sekunde wurde das Gesicht des Lehrers düsterer, und der Junge dachte, der Lehrer nehme es viel genauer mit der Geographie als mit irgend einem der andern Fächer. Jetzt kam er auch noch vom Katheder herunter, nahm dem Jungen den Stock aus der Hand und schickte ihn auf seinen Platz zurück. „Das nimmt gewiß kein gutes Ende,“ dachte der Junge.
Aber der Lehrer trat an ein Fenster und sah eine Weile hinaus, und dann begann er leise zu pfeifen, wie er zu tun pflegte, wenn er guter Laune war. Jetzt stieg er wieder auf den Katheder und sagte, er wolle ihnen etwas von Blekinge erzählen.
Und was der Lehrer dann erzählt hatte, war so unterhaltend gewesen, daß der Junge wohl aufgepaßt hatte. Wenn er nur daran dachte, wußte er jedes Wort wieder.
„Småland ist ein hohes Haus,“ begann der Lehrer, „mit Tannen auf dem Dache; vor dem Hause aber ist eine breite Treppe mit drei Stufen, und diese Treppe wird Blekinge genannt.
Es ist eine Treppe, die tüchtig zugenommen hat. Sie erstreckt sich acht Meilen weit über die Vorderseite des småländischen Hauses, und wer die Treppe bis an die Ostsee hinuntergehen will, hat vier Meilen zu wandern.
Es ist auch schon recht lange her, seit die Treppe gebaut worden ist. Tage und Jahre sind vergangen, seit die ersten aus Feldsteinen gehauenen Stufen zu einer bequemen Verkehrsstraße zwischen Småland und der Ostsee eben und gleichmäßig gelegt wurden.
Da die Treppe schon so alt ist, wird man wohl begreifen, daß sie jetzt nicht mehr so aussieht wie zu der Zeit, wo sie neu war. Ich weiß nicht, wie viel man sich damals um so etwas gekümmert hat, aber jedenfalls war bei einer solchen Größe keine Kunst imstande, sie rein zu halten. Nach ein paar Jahren wuchsen Moos und Flechten darauf, Spreu und dürres Laub wurde im Herbst darüber geweht, und ihm Frühling wurde sie mit niederprasselnden Steinen und Kies überschüttet. Und da dies alles liegen blieb, sammelte sich schließlich so viel Erde auf der Treppe an, daß nicht nur Gras und Kräuter, sondern auch Büsche und große Bäume darauf Wurzel schlugen.
Aber zugleich ist zwischen den drei Stufen ein großer Unterschied entstanden. Die oberste, die Småland am nächsten liegt, ist zum großen Teil mit magrer Erde und kleinen Steinen bedeckt, und es wachsen nicht gern andre Bäume da als Weißbirken und Faulkirschen und Tannen, die die Kälte dort oben ertragen und mit wenig zufrieden sind. Am allerbesten begreift man, wie kärglich und ärmlich es da oben ist, wenn man sieht, wie klein die vom Walde urbar gemachten Äcker sind, was für winzige Häuser die Leute sich da bauen und wie weit die Kirchen voneinander entfernt sind.
Auf der mittlern Treppe gibt es bessere Erde, und es wird dort auch nicht so sehr kalt. Man sieht das gleich daran, daß die Bäume höher und von besserer Art sind. Dort wachsen Ahorn und Eichen und Linden, Hängebirken und Haselsträucher, aber keine Nadelhölzer. Und noch deutlicher sieht man es an den vielen bebauten Landstrecken und an den großen und schönen Häusern, die sich die Menschen gebaut haben. Es stehen auch viele Kirchen auf der mittlern Stufe, und große Ortschaften liegen rings um sie herum, und sie nimmt sich in jeder Beziehung besser und schöner aus als die oberste Stufe.
Aber die unterste Stufe ist doch von allen die beste. Sie ist mit guter, richtiger Erde bedeckt, und da, wo sie liegt und sich im Meere badet, hat man nicht das geringste Gefühl von der småländischen Kälte. Hier unten gedeihen Buchen und Kastanien und Nußbäume, und sie werden so groß, daß sie über das Kirchendach hinausragen. Hier sind auch die größten Ackerfelder; aber die Leute leben nicht allein vom Ackerbau und vom Ertrag der Wälder, sie beschäftigen sich auch mit dem Fischfang, mit Handel und Schiffahrt. Deshalb gibt es hier auch die kostbarsten Häuser und die schönsten Kirchen, und die Kirchspiele sind zu Handelsplätzen und Städten herangewachsen.
Aber damit ist noch nicht alles über die drei Treppenstufen gesagt. Denn man muß wohl bedenken, daß das Wasser, wenn es auf das Dach des großen Hauses in Småland regnet, oder wenn der Schnee da oben schmilzt, sich irgendwohin verlaufen muß, und da stürzt natürlich ein Teil davon die große Treppe hinunter. Im Anfang floß es allerdings über die ganze Breite der Treppe; aber dann entstanden Risse darin, und allmählich hat sich nun das Wasser daran gewöhnt, in mehreren gut ausgewaschenen Rinnen hinunterzufließen. Und Wasser ist Wasser, was man auch immer damit tun mag. Es gönnt sich nie Ruhe. An einer Stelle gräbt es sich ein, sickert in den Erdboden und verschwindet, und an einer andern Stelle nimmt es zu. Die Rinnen hat es zu Tälern ausgegraben, die Talwände hat es mit Erde bedeckt, und dann haben Büsche und Ranken und Bäume sich daran angeklammert, in so dichter und reicher Fülle, daß sie den Wasserstrom, der in der Tiefe dahinfließt, beinahe verdecken. Aber wenn die Ströme an die Absätze zwischen den Stufen kommen, müssen sie sich kopfüber hinunterstürzen, und dadurch kommt das Wasser in so schäumende Erregung, daß es die Kraft hat, Mühlräder und Maschinen zu treiben; und Mühlen und Fabriken sind denn auch rings um jeden Wasserfall her entstanden.
Aber auch damit ist durchaus noch nicht alles über das Land mit den drei Treppenstufen gesagt, sondern es muß auch noch hervorgehoben werden, daß da droben in Småland in dem großen Haus einst ein Riese wohnte, der alt geworden war. Und es ärgerte ihn, daß er in seinem hohen Alter gezwungen sein sollte, die hohe Treppe hinunterzugehen, um den Lachs im Meere zu fangen. Er dachte, es sei viel bequemer, wenn der Lachs dahin käme, wo er hauste.
Er ging daher auf das Dach seines großen Hauses und schleuderte von da mächtige Steine in die Ostsee hinein. Er warf sie mit solcher Kraft, daß die Steine über ganz Blekinge wegflogen und wirklich ins Meer fielen. Und als die Steine hineinfielen, bekam der Lachs so große Angst, daß er aus dem Meere herausging, die Ströme von Blekinge hinauffloh, dann durch die Bäche hindurchschwamm, mit hohen Sprüngen sich die Fälle hinaufschnellte und nicht eher anhielt, als bis er weit drinnen in Småland bei dem alten Riesen war.
Und wie wahr alles das ist, das sieht man an den vielen Inseln und Schären, die vor der Küste von Blekinge liegen, die aber nichts andres sind als die vielen großen Steine, die der Riese dahingeschleudert hat.
Man erkennt es auch daran, daß der Lachs sich immer noch durch die Ströme von Blekinge und durch die Wasserfälle in die ruhig fließenden Wasser bis nach Småland hinaufarbeitet.
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