Gösta Berling: Erzählungen aus dem alten Wermland. Lagerlöf Selma
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Читать онлайн книгу Gösta Berling: Erzählungen aus dem alten Wermland - Lagerlöf Selma страница 16

СКАЧАТЬ auf dem Pfarrhof bleiben. Laß mich dich diese Nacht nach Ekeby fahren, dort werde ich dich schon zu verteidigen wissen, bis wir Hochzeit halten können.«

      Es ward eine berauschende Fahrt in jener Nacht. Sie beugten sich dem Gebot der Liebe und ließen sich von Don Juan entführen. Es war, als wenn das Knirschen des Schnees unter den Schlittenkufen die Klage des Betrogenen sei. Was kehrten sie sich daran? Sie hing an seinem Halse, und er beugte sich zu ihr hinab und flüsterte ihr ins Ohr: »Kann sich eine Seligkeit mit gestohlenem Glück vergleichen?«

      Das Aufgebot – was hatte das zu bedeuten? Sie hatten Liebe. Und der Zorn der Menschen? Gösta Berling glaubte an das Schicksal. Das Schicksal hatte sie bezwungen, gegen das Schicksal kann niemand streiten. Wären die Sterne Hochzeitslichter gewesen, die zu ihrer Hochzeit angezündet waren, wären Don Juans Schellen Kirchenglocken gewesen, die die Leute zu ihrer Hochzeit mit dem alten Dahlberg zusammenriefen – sie hätte dennoch mit Gösta Berling fliehen müssen. So mächtig ist das Schicksal! –

      Sie waren glücklich und wohlbehalten am Pfarrhof zu Munkerud vorübergekommen. Sie hatten noch eine halbe Meile bis Berga und eine zweite halbe Meile bis Ekeby zurückzulegen. Der Weg führte am Waldesrande entlang, rechts von ihnen lagen dunkle Berge, links ein langes, weißes Tal.

      Da kam Tankred herangestürzt. Er lief, als läge er der Länge nach am Boden. Heulend vor Angst sprang er in den Schlitten und verkroch sich zu Annas Füßen.

      Don Juan zog mit einem Ruck an und sprang im Galopp dahin.

      »Wölfe!« sagte Gösta Berling.

      Sie sahen einen langen grauen Strich, der sich am Waldessaum entlang bewegte. Es waren mindestens ein Dutzend.

      Anna erschrak nicht. Der Tag war reich an Aben teuern gewesen, und die Nacht versprach, ihm darin nicht nachzustehen. Das war Leben! So über die schimmernde Schneefläche dahinzusausen, den wilden Tieren und den Menschen trotzend.

      Gösta stieß einen Fluch aus, beugte sich vornüber und versetzte Don Juan einen scharfen Schlag mit der Peitsche.

      »Fürchtest du dich?« fragte er. »Sie schlagen einen Richtweg ein und werden uns da hinten, wo die Landstraße eine Biegung macht, einholen.«

      Don Juan sprang und lief um die Wette mit den wilden Tieren des Waldes, und Tankred heulte vor Wut und Angst. Sie erreichten die Krümmung des Weges gleichzeitig mit den Wölfen, und Gösta trieb den ersten mit der Peitsche zurück.

      »Ach, Don Juan, mein Junge, wie leicht könntest du zwölf Wölfen entfliehen, wenn du uns Menschen nicht zu schleppen hättest!«

      Sie banden den grünen Reiseschal hinten am Schlitten fest. Die Wölfe wurden davor bange und hielten sich eine Zeitlang in einiger Entfernung. Als sie aber ihre Furcht überwunden hatten, sprang einer von ihnen mit lang heraushängender Zunge und mit geöffnetem Rachen auf den Schlitten zu. Da nahm Gösta Madame de Staëls Corinna und warf es ihm ins Maul.

      Abermals hatten sie eine kleine Ruhepause, während die Tiere ihre Beute zerrissen, und abermals fühlten sie die Rucke, wenn die Wölfe an dem grünen Reiseschal zerrten, und der kurze, hastige Atemzug der wilden Tiere drang an ihr Ohr. Sie wußten, daß sie vor Berga an keiner menschlichen Wohnung vorüberkamen; aber es erschien Gösta weit schlimmer als der Tod, denen ins Auge sehen zu sollen, die er betrogen hatte. Er sah auch ein, daß das Pferd ermüden würde, und was sollte dann nur aus ihnen werden?

      Da ward das Bergaer Haus am Waldesrande sichtbar. In den Fenstern brannten Lichter. Gösta wußte sehr wohl, wem die galten.

      Doch nun flüchteten die Wölfe, bange vor der Nähe der Menschen, und Gösta fuhr an Berga vorüber. Er kam aber trotzdem nicht weiter als bis zu der Stelle, wo der Weg sich wieder in den Wald verliert; da erblickte er eine dunkle Gruppe vor sich – die Wölfe warteten auf ihn.

      »Laß uns nach dem Pfarrhof umwenden, wir können ja sagen, daß wir eine kleine Spazierfahrt im Sternenschein gemacht haben. Dies geht nun und nimmer gut.«

      Sie wandten um, aber im nächsten Augenblick war der Schlitten von Wölfen umringt. Graue Gestalten glitten an ihnen vorüber, die weißen Zähne schimmerten in den weit aufgerissenen Rachen, die funkelnden Augen leuchteten. Sie heulten vor Hunger und Blutdurst. Die schimmernden Zähne waren bereit, sich in das weiche Menschenfleisch zu hauen. Die Wölfe sprangen an Don Juan in die Höhe und hängten sich in dem Geschirr fest. Anna dachte darüber nach, ob die Bestien sie mit Haut und Haar verzehren oder ob sie wohl ein wenig von ihnen übriglassen würden, und ob wohl die Leute am nächsten Morgen zernagte Gebeine in dem niedergetretenen, blutigen Schnee finden würden.

      »Jetzt gilt es unser Leben«, sagte sie, beugte sich herab und ergriff Tankred beim Nacken.

      »Laß das, es nützt nichts! Nicht des Hundes wegen sind die Wölfe über Nacht unterwegs.«

      Damit fuhr Gösta auf den Bergaer Hof ein, aber die Wölfe verfolgten ihn bis an die Treppe. Er mußte sich ihrer mit der Peitsche erwehren.

      »Anna,« sagte er, als er an der Treppe hielt, »Gott wollte es nicht. Mach nun eine gute Miene dazu, wenn du das Mädchen bist, für das ich dich halte, hörst du!«

      Drinnen hatten sie das Schellengeklingel gehört und kamen heraus.

      »Er hat sie!« riefen sie. »Er hat sie! Gösta Berling soll leben!« Und die Gäste taumelten aus einer Umarmung in die andere.

      Es wurden nicht viele Fragen gestellt. Die Nacht war weit vorgeschritten, die Reisenden waren überwältigt von ihrer gefährlichen Fahrt und bedurften der Ruhe. Es genügte ja, daß Anna da war.

      Alles war gut. Nur Corinna und der grüne Reiseschal, Mamsell Ulrikas wertvolles Geschenk, waren vernichtet.

      Das ganze Haus schlief. Da stand Gösta Berling auf, kleidete sich an und schlich hinaus. Unbemerkt zog er Don Juan aus dem Stall, spannte ihn vor den Schlitten und wollte sich davonmachen. Da kam Anna Stjärnhök aus dem Hause.

      »Ich hörte dich fortgehen«, sagte sie. »Da stand ich auf. Ich bin bereit, mit dir zu fahren.«

      Er trat an sie heran und ergriff ihre Hand.

      »Verstehst du es denn noch nicht? Es kann nicht sein! Gott will es nicht! Hör mich an und versuche, mich zu verstehen! Ich war heute mittag hier und sah, wie sie über deine Treulosigkeit jammerten. Da fuhr ich nach Borg, um dich zu Ferdinand zurückzuführen. Aber ich bin stets ein erbärmlicher Wicht gewesen und werde nie mehr etwas anderes. Ich verriet ihn und behielt dich für mich. Hier ist eine alte Frau, die glaubt, daß noch einmal ein Mann aus mir werden kann. An ihr habe ich ehrlos gehandelt. Und eine andere arme Alte will hier frieren und hungern, nur um zwischen Freunden sterben zu können, ich aber war kurz davor, sie vom bösen Sintram heimführen zu lassen. Du warst schön, und die Sünde war süß. Gösta Berling ist so leicht zu verlocken.

      »Ach, was für ein armseliger Schuft bin ich doch! Ich weiß, wie sehr die da drinnen ihr Heim lieben, und doch war ich kurz davor, es der Plünderung preiszugeben. Ich vergaß alles um deinetwillen. Du warst so entzückend in deiner Liebe. Aber jetzt, Anna, jetzt, wo ich Zeuge ihrer Freude gewesen bin, will ich dich nicht behalten. O, du meine Geliebte! Der dort oben spielt mit unserm Willen. Jetzt ist es Zeit, daß wir uns unter seine züchtigende Hand beugen. Sag mir, daß du von heute an deine Last auf dich nehmen willst! Alle da drinnen verlassen sich auf dich. Sag, daß du bei ihnen bleiben und ihnen eine Stütze, eine Hilfe sein willst! Wenn du mich liebst, wenn du meinen bittern Kummer erleichtern willst, so versprich mir dies! Meine Geliebte, ist dein Herz so groß, daß es sich selbst überwinden und dabei lächeln kann?«

      Sie СКАЧАТЬ