Gösta Berling: Erzählungen aus dem alten Wermland. Lagerlöf Selma
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Читать онлайн книгу Gösta Berling: Erzählungen aus dem alten Wermland - Lagerlöf Selma страница 14

СКАЧАТЬ ihn in den Saal hinein und fing an, von den Bewohnern des Gutes und den unsicheren Verhältnissen zu sprechen.

      Kummer und Sorge stünden vor der Tür, sagte sie; harte Zeiten herrschten auf Berga. Sie hätten nicht einmal Meerrettich zu dem gesalzenen Fleisch am Mittag; aber Ferdinand und die Mädchen hätten Disa vor einen Schlitten gespannt und seien nach Munkerud gefahren, um ein wenig zu leihen. Der Hauptmann sei wieder in den Wald gegangen und käme vermutlich mit einem zähen Hasen heim, der mehr Butter zum Braten erfordere, als er selber wert sei. Das nenne er Essen fürs Haus schaffen. Das ginge aber noch allenfalls, wenn er nur nicht mit einem jämmerlichen Fuchs käme, dem elendesten Tier, das der liebe Gott erschaffen, gleich unbrauchbar, mag er nun tot oder lebendig sein!

      Und die gnädige Frau – ja, die war noch nicht aufgestanden. Sie lag im Bett und las Romane, wie sie es jeden Tag zu tun pflegte. Sie war nicht zum Arbeiten geschaffen, diese Engelsunschuld!

      Nein, das überließ man den Alten, im Dienst Ergrauten, so wie sie es war. Tag und Nacht war man auf den Beinen, um nur die Brocken zusammenzuhalten. Und das war nicht so ganz leicht. Einen ganzen Winter hindurch hatten sie wahrhaftig keine andern Fleischspeisen im Hause gehabt, als einen einzigen Bärenschinken. Und einen großen Lohn erwartete sie nicht; bisher hatte sie noch nicht das geringste davon gesehen, aber man würde sie wohl auch nicht auf die Landstraße hinauswerfen, wenn sie einmal nicht mehr fürs tägliche Brot arbeiten könne. Hier im Hause betrachtete man die Wirtschafterin wie einen Menschen und würde der alten Ulrika schon ein ehrliches Begräbnis gönnen, falls Geld genug da sei, um einen Sarg zu kaufen.

      »Denn wer weiß, wie es werden soll?« rief sie, sich mit der Schürze über die Augen fahrend, die stets so leicht übergingen. »Wir schulden dem bösen Gutsherrn Sintram Geld, und er kann uns alles nehmen. Nun ist ja Ferdinand mit der reichen Anna Stjärnhök verlobt, aber sie wird seiner überdrüssig, sie wird seiner überdrüssig. Und was soll nun aus uns werden mit unsern drei Kühen und unsern neun Pferden, mit unsern fröhlichen jungen Fräulein, die von einem Ball zum andern fahren wollen, mit unsern dürren Äckern, wo nichts wächst, mit unserm guten Ferdinand, aus dem nie im Leben ein Mann wird! Was soll aus diesem ganzen Hause werden, wo alles gedeiht, die Arbeit ausgenommen!«

      Aber es wurde Mittag, und die Hausbewohner versammelten sich. Der gute Ferdinand, der sanfte Sohn des Hauses und die munteren Töchter kamen mit dem geborgten Meerrettich heim. Der Hauptmann kam, erfrischt durch ein Bad in einer Wake des Sees und durch die Jagd im Walde. Er riß das Fenster auf, um frische Luft zu bekommen, und reichte Gösta die Hand mit warmem Druck. Und die gnädige Frau kam in seidenem Kleide mit breiten Spitzen über den weißen Händen, die sie Gösta gnädigst zum Kuß reichte. Alle begrüßten Gösta mit Jubel, Scherz und Lachen kam in den Kreis hineingeflogen. Fröhlich fragte man: »Wie lebt ihr denn auf Ekeby, wie sieht es aus in dem Gelobten Lande?«

      »Dort fließt Milch und Honig«, erwiderte er. »Wir entleeren die Berge allen Eisens und füllen unsere Keller mit Wein. Die Äcker tragen Gold; damit vergolden wir das Elend des Lebens, und unsere Wälder fällen wir, um Kegelbahnen und Lusthäuser zu bauen.«

      Frau Uggla aber seufzte und lächelte über die Antwort, ihren Lippen entschwebte ein einziges Wort: »Poet!«

      »Viele Sünden habe ich auf dem Gewissen,« erwiderte Gösta, »nie aber habe ich eine Zeile Poesie geschrieben.«

      »Du bist trotzdem ein Poet, Gösta, den Spitznamen hast du nun einmal weg. Du hast mehr Gedichte erlebt, als unsere Dichter geschrieben haben.«

      Später sprach Frau Uggla sanft wie eine Mutter zu ihm über sein vergeudetes Leben. »Ich werde es sicher noch erleben, dich zum Manne heranreifen zu sehn«, sagte sie. Und es erschien ihm süß, sich von dieser milden Frau vorwärtstreiben zu lassen, die eine so treue Freundin war und deren starkes, schwärmerisches Herz vor Liebe zu großen Taten entbrannte.

      Als sie aber die muntere Mahlzeit beendet und das Meerrettichfleisch und den Kohl und die Waffeln verzehrt und das Weihnachtsbier getrunken hatten, als Gösta sie durch seine Erzählungen von dem Major und der Majorin und dem Pfarrer zu Broby zum Weinen und Lachen gebracht hatte, vernahm man plötzlich Schellengeläute im Hofe, und gleich darauf trat der böse Sintram bei ihnen ein.

      Er strahlte vor Vergnügen von seinem kahlen Scheitel bis hinab zu den langen, breiten Füßen.

      Er schlenkerte mit seinen langen Armen und schnitt Grimassen; man sah es ihm auf den ersten Blick an, daß er als Träger schlechter Nachrichten kam.

      »Habt ihr es gehört?« fragte der Böse, »habt ihr es schon gehört, daß Anna Stjärnhök und der reiche Dahlberg heute zum erstenmal in der Svartsjöer Kirche aufgeboten sind? Sie muß es vergessen haben, daß sie mit Ferdinand verlobt ist.«

      Sie hatten kein Wort davon gehört. Sie waren erschrocken und traurig.

      Sie sahen im Geiste schon ihr Heim geplündert, damit ihre Schulden an den bösen Mann bezahlt werden konnten; sie sahen ihre geliebten Pferde verkauft und ebenso die alten Möbel, ein Erbe aus dem Kindheitsheim der Mutter. Sie sahen das Ende des fröhlichen Lebens mit Festen und Fahrten von Ball zu Ball. Der Bärenschinken würde wieder auf ihrem Tische stehen, und die Jungen mußten zu fremden Leuten in den Dienst gehen. Die Mutter streichelte ihren Sohn zärtlich und ließ ihn eine nie versiegende Liebe empfinden.

      Doch – da saß Gösta Berling mitten zwischen ihnen, und dem Unüberwindlichen gingen tausenderlei Pläne durch den Kopf.

      »Ei was!« rief er, »noch ist es keine Zeit zum Jammern. Die Pfarrerin in Svartsjö hat die ganze Sache gemacht. Sie hat Anna ganz in ihrer Gewalt, seit sie bei ihr auf dem Pfarrhof wohnt. Sie hat sie dazu gebracht, Ferdinand im Stich zu lassen und den alten Dahlberg zu nehmen; aber noch sind sie nicht getraut, und es soll auch nichts daraus werden. Jetzt fahre ich nach Borg, und dort treffe ich Anna. Ich will mit ihr reden, ich will sie den Pfarrersleuten, dem Bräutigam schon abspenstig machen. Ich bringe sie über Nacht hierher; dann soll der alte Dahlberg keine Freude mehr an ihr haben.«

      Und so geschah es. Gösta fuhr allein nach Borg, ohne eins der munteren Fräulein, aber geleitet von den heißen Wünschen der Zurückbleibenden. Und Sintram, der frohlockte, daß der alte Dahlberg angeführt werden sollte, beschloß, auf Berga zu bleiben, um Göstas Rückkehr mit der Treulosen abzuwarten. In einem Anfall von Wohlwollen hüllte er ihn sogar in seinen grünen Reiseschal – ein Geschenk von Mamsell Ulrika selber.

      Frau Uggla aber kam mit drei rot eingebundenen Büchern auf die Treppe hinaus.

      »Nimm die,« sagte sie zu Gösta, der schon im Schlitten saß, »nimm die und behalte sie, wenn du kein Glück haben solltest. Es ist Corinna, Madame de Staëls Corinna; ich möchte nicht gern, daß die Bücher unter den Hammer kämen.«

      »Ich habe stets Glück!«

      »Ach, Gösta, Gösta,« sagte sie und strich mit der Hand über sein entblößtes Haupt, »du Stärkster und Schwächster unter den Menschen! Wie lange wirst du daran denken, daß das Glück von uns armen Menschen in deiner Hand ruht!«

      Abermals flog Gösta über die Landstraße dahin, gezogen von dem schwarzen Don Juan, gefolgt von dem weißen Tankred, und das Bewußtsein des bevorstehenden Abenteuers erfüllte seine Seele mit Jubel.

      Er fühlte sich wie ein junger Eroberer; der Geist war über ihm. Sein Weg führte ihn am Pfarrhofe zu Svartsjö vorüber. Er fuhr dort vor und fragte, ob er Anna Stjärnhök nicht zum Balle fahren dürfe. Ja, das dürfe er. Ein schönes, eigensinniges Mädchen stieg zu ihm in den Schlitten. Wer wäre nicht gern mit dem schwarzen Don Juan gefahren!

      Anfangs waren die Jungen schweigsam, dann aber begann die Unterhaltung, trotzig wie nur der Übermut sie eingibt.

      »Hast СКАЧАТЬ