Gösta Berling: Erzählungen aus dem alten Wermland. Lagerlöf Selma
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Читать онлайн книгу Gösta Berling: Erzählungen aus dem alten Wermland - Lagerlöf Selma страница 11

СКАЧАТЬ einer Ecke am Ofen sitzen die Kavaliere an einem Tisch für sich; heute ist kein Platz für sie an der großen Tafel. Zu ihnen gelangen die Speisen spät und die Weine spärlich, zu ihnen fliegen nicht die Blicke der schönen Damen hinüber, niemand lauscht dort Göstas Scherzen.

      Die Kavaliere gleichen aber gezähmten Füllen, matten Raubtieren. Nur eine Stunde Schlaf hatte die Nacht für sie, dann fuhren sie beim Fackel- und Sternenschein zur Frühmesse. Sie sahen die Weihnachtskerzen, sie hörten die Weihnachtslieder, ihre Mienen wurden wie die sanfter Kinder. Sie vergaßen die Christnacht in der Schmiede, wie man einen bösen Traum vergißt.

      Groß und mächtig ist die Majorin auf Ekeby. Wer wagt es, seinen Arm zu erheben, um sie zu schlagen, wer wagt es, den Mund zu öffnen, um gegen sie zu zeugen? Sicherlich nicht die armen Kavaliere, die jahrelang ihr Brot gegessen und unter ihrem Dach geschlafen haben. Sie setzt sie hin, wo es ihr beliebt, sie kann ihnen die Tür verschließen, wenn sie will, und sie können sich nicht einmal ihrer Macht entziehen. Gott steh ihnen bei! Fern von Ekeby können sie nicht leben.

      An dem großen Tisch genießt man das Leben; dort strahlen Marianne Sinclaires schöne Augen, dort klingt das fröhliche Lachen der munteren Gräfin Dohna.

      Bei den Kavalieren aber ist es still. Wäre es nicht recht und billig, wenn sie, die um der Majorin willen in den Abgrund gestürzt werden sollen, an demselben Tische säßen wie ihre anderen Gäste? Was für eine beschämende Einrichtung ist dies mit diesem Tisch unten in der Ofenecke? Als ob die Kavaliere nicht würdig seien, an der Gesellschaft der Honoratioren teilzunehmen!

      Die Majorin brüstet sich, wie sie da zwischen dem Grafen auf Borg und dem Probst zu Bro sitzt. Die Kavaliere lassen die Köpfe hängen wie Kinder, die in die Ecke gestellt sind. Und währenddes fangen die Gedanken der Nacht an, bei ihnen zu erwachen.

      Gleich scheuen Gästen kommen die munteren Einfälle, die lustigen Lügengeschichten zu dem Tisch in der Ecke. Dort halten der Zorn der Nacht, die Gelübde der Nacht ihren Einzug in die Gehirne. Wohl macht Patron Julius dem starken Hauptmann, Christian Bergh, weis, daß die gebratenen Haselhühner, die jetzt am großen Tisch herumgereicht werden, nicht für alle Gäste ausreichen, aber dieser Einfall ruft kein munteres Lachen hervor.

      »Sie können nicht ausreichen«, sagt er. »Ich weiß, wie viele da waren. Aber deswegen ist man nicht in Verlegenheit, Hauptmann Christian, man hat für uns hier an dem kleinen Tisch Krähen gebraten.«

      Aber Oberst Beerencreutz’ Lippen kräuseln sich nur zu einem matten Lächeln unter dem wüsten Schnurrbart, und Gösta sieht den ganzen Tag hindurch aus, als gehe er mit dem Gedanken um, irgend jemand totzuschlagen.

      »Ist nicht jegliches Essen gut genug für die Kavaliere?« fragt er.

      Da gelangt denn endlich eine hochgetürmte Schale voll prächtiger Haselhühner an den kleinen Tisch.

      Aber Hauptmann Christian ist wütend. Hat er nicht den ganzen Haß seines Lebens den Krähen geweiht, diesen abscheulichen, schreienden Geschöpfen. So bitter war sein Haß, daß er im Herbst Frauengewänder anlegte und sich zum Gespött für alle machte, nur um bis auf Schußweite an sie heran zu gelangen, wenn sie das Korn auf den Feldern verzehrten. Er überraschte sie im Frühling beim Liebestanz auf den kahlen Feldern und erschlug sie. Er suchte im Sommer ihre Nester auf und warf die schreienden, federlosen Jungen heraus oder vernichtete die halbausgebrüteten Eier.

      Jetzt rückt er die Schale mit den Haselhühnern zu sich heran.

      »Glaubst du etwa, daß ich die nicht kenne?« brüllt er dem Diener zu. »Glaubst du, daß ich sie krächzen hören muß, um sie zu kennen? Zum Teufel mit euch, Christian Bergh Krähen anzubieten! Zum Teufel, sage ich!«

      Damit nimmt er ein Haselhuhn nach dem andern und schleudert es gegen die Wand. Sauce und Fett spritzen ringsumher. Die zermalmten Vögel prallen von der Wand ab und fliegen über den Fußboden hin. Und der ganze Kavalierflügel jubelt.

      Da dringt die erzürnte Stimme der Majorin an das Ohr der Kavaliere: »Werft ihn zur Tür hinaus!« ruft sie den Dienern zu.

      Aber das wagen diese nicht. Ist er doch Christian Bergh, der starke Hauptmann!

      »Werft ihn zur Tür hinaus!«

      Er hört den Ruf. Und schreckeinflößend in seinem Zorn wendet er sich nun an die Majorin, wie sich ein Bär von einem gefallenen Feind gegen den neuen Angreifer wendet. Er tritt an den hufeisenförmig gedeckten Tisch. Der Fußboden erbebt unter den Schritten des Riesen. Er bleibt ihr gegenüber stehen, den Tisch zwischen sich und ihr.

      »Werft ihn zur Tür hinaus!« ruft die Majorin noch einmal.

      Er aber ist rasend; seine gerunzelte Stirn, seine grobe, geballte Faust sind schrecklich zu schauen. Er ist groß wie ein Riese, stark wie ein Riese. Gäste und Diener zittern und wagen nicht, Hand an ihn zu legen. Wer sollte es auch wohl wagen, jetzt, wo ihm der Zorn den Verstand geraubt hat?

      Er steht der Majorin gerade gegenüber und droht ihr. »Ich schleuderte die Krähen gegen die Wand. Hatte ich nicht ein Recht dazu?«

      »Hinaus mit dir, Hauptmann!«

      »Du Weibsbild! Christian Bergh Krähen zu bieten! Handelte ich gegen dich, wie du es von Gottes und Rechts wegen verdienst, so nähme ich dich mitsamt deinen sieben Teufeln …«

      »Bei allen Teufeln, Christian Bergh, untersteh dich nicht zu fluchen – hier darf nur ich allein fluchen.«

      »Glaubst du, daß ich mich vor dir fürchte, du Hexe? Glaubst du, daß ich nicht weiß, woher du deine sieben Besitztümer hast?«

      »Schweige, Hauptmann!«

      »Als Altringer starb, gab er sie deinem Mann, weil du seine Liebste gewesen warst.«

      »Schweig, sage ich dir!«

      »Weil du eine so treue Gattin gewesen warst, Margarete Samzelius. Und der Major nahm die sieben Güter ruhig an und überließ dir die Verwaltung und tat, als wisse er von nichts. Und der Teufel hat die ganze Geschichte angezettelt. Jetzt aber soll es ein Ende haben mit dir!«

      Die Majorin setzt sich, sie ist bleich, sie zittert am ganzen Leibe. Dann bestätigt sie seine Worte mit einer sonderbar leisen Stimme: »Ja, jetzt ist es aus mit mir, und das ist dein Werk, Christian Bergh!«

      Bei dem Ton erbebt der starke Hauptmann; seine Züge verzerren sich, Tränen der Angst treten ihm in die Augen.

      »Ich bin betrunken!« ruft er. »Ich weiß nicht, was ich sage, ich habe nichts gesagt. Hund und Sklave, Hund und Sklave und nichts weiter bin ich in diesen vierzig Jahren für sie gewesen. Sie ist Margarete Celsing, der ich mein ganzes Leben lang gedient habe. Ich sage nichts Böses von ihr. Sollte ich etwas über die schöne Margarete Celsing sagen? Ich bin der Hund, der ihre Tür bewacht, der Sklave, der ihre Lasten trägt. Sie kann mich schlagen, mich mit Füßen stoßen, aber ihr seht ja, daß ich schweige und leide. Ich habe sie vierzig Jahre lang geliebt. Wie sollte ich wohl etwas Schlechtes von ihr sagen!«

      Und ein wunderlicher Anblick ist es, wie er sich ihr zu Füßen wirft und um Verzeihung bittet, und da sie an dem andern Ende des Tisches sitzt, geht er auf seinen Knien um den Tisch herum, bis er zu ihr gelangt; da beugt er sich herab, küßt den Saum ihres Gewandes und benetzt den Fußboden mit seinen Tränen.

      Aber nicht weit von der Majorin sitzt ein kleiner, wohlbeleibter Mann. Er hat krauses Haar, kleine, schielende Augen und einen vorstehenden Unterkiefer. Er gleicht einem Bären. Ein wortkarger Mann ist er, er geht am liebsten seine eigenen Wege und СКАЧАТЬ