Gösta Berling: Erzählungen aus dem alten Wermland. Lagerlöf Selma
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Читать онлайн книгу Gösta Berling: Erzählungen aus dem alten Wermland - Lagerlöf Selma страница 20

СКАЧАТЬ bereits hoch, Gösta aber brachte noch mehr Fahrt hinein. Die grünen Scheine kamen zum Vorschein, und der Geldhaufen vor dem mächtigen Melchior Sinclaire wuchs von Minute zu Minute.

      Aber auch vor Gösta häufte sich das Kupfer- und Papiergeld an, und bald war er der einzige, der den Kampf mit dem Besitzer von Björne aushielt. Es währte denn auch nicht lange, bis der große Geldhaufen von Melchior Sinclaire zu Gösta Berling hinüberwanderte.

      »Nun, Gösta,« rief der Gutsherr lachend, als er alles verspielt hatte, was sich in seiner Börse und in seinem Taschenbuch befand, »was sollen wir jetzt anfangen? Ich bin völlig ausgeplündert, und mit geliehenem Gelde spiele ich niemals, das habe ich meiner Mutter versprochen.«

      Er fand aber einen Ausweg. Er verspielte seine Uhr und seinen Biberpelz und war gerade im Begriff, sein Pferd und seinen Schlitten aufs Spiel zu setzen, als Sintram ihn davon zurückhielt.

      »Setze doch lieber gleich etwas ein, was sich verlohnt«, rief der böse Besitzer von Fors. »Nimm etwas, was den Unglücksbann brechen kann!«

      »Der Teufel mag wissen, was ich aussetzen soll!«

      »Spiel um dein rotestes Herzblut, Melchior, spiel um deine Tochter!«

      »Das kann der Herr Sinclaire getrost wagen«, lachte Gösta. »Den Preis bekomme ich nimmer unter mein Dach!«

      Der mächtige Melchior konnte ebenfalls nicht umhin zu lachen. Er duldete es nur ungern, daß Mariannens Name am Spieltisch genannt wurde, aber diese Idee war zu toll, um darüber böse zu werden. Mariannen an Gösta zu verspielen – ja, das konnte er getrost wagen.

      »Das heißt, Gösta,« erklärte er, »unter der Bedingung, daß, wenn du ihr Jawort erringen kannst, so setze ich meinen väterlichen Segen auf diese Karte.«

      Gösta setzte seinen ganzen Gewinn dagegen, und das Spiel begann. Er gewann, und der Gutsherr Melchior Sinclaire hielt mit dem Spielen inne. Gegen das Unglück konnte er nicht ankämpfen, das sah er ein. –

      Nun, Gösta Berling, pocht nicht dein Herz bei alledem! Begreifst du nicht, was dein Schicksal will? Was bedeuteten Mariannens Küsse, was bedeutete Mariannens Zorn? Verstehst du dich denn nicht mehr auf Weiberherzen? Und nun dies gewonnene Spiel! Siehst du denn nicht, daß das Schicksal will, was die Liebe will? Auf, Gösta Berling!

      Nein, an diesem Abend ist Gösta Berling nicht in Erobererlaune. Er murrt über die Unbeugsamkeit des Schicksals. Warum wird Liebe nur von Liebe gestillt? Er weiß, wie alle diese schönen Lieder enden. Liebe kann er bekommen, aber keine Gattin. Es kann nicht nützen, das zu versuchen. –

      Die Nacht verstrich, es war bereits über Mitternacht. Die Wangen der schönen Damen fingen an zu erbleichen, die Locken fielen aus, die Spitzengarnituren waren zerdrückt. Die alten Damen erhoben sich aus ihren Sofaecken und sagten, das Fest habe nun volle zwölf Stunden gedauert, da sei es Zeit, aufzubrechen.

      Und das schöne Fest sollte wirklich ein Ende haben, da aber griff Liliencrona selber zur Fiedel und spielte die letzte Polka. Die Schlitten hielten vor den Türen, die alten Damen hüllten sich in ihre Pelze und Kapuzen, die alten Herren knoteten die Schals um den Hals und knöpften die Pelzstiefel zu.

      Die Jungen aber konnten sich nicht vom Tanz losreißen. Sie tanzten in ihren warmen Hüllen, es war ein wildes, wahnsinniges Tanzen. Sobald ein Kavalier eine Dame zu Platz führte, kam ein anderer und riß sie mit sich fort.

      Selbst der schwermütige Gösta Berling wurde mit hineingezogen in diesen Wirbel. Er wollte den Kummer und die Demütigung forttanzen, er wollte sich brausende Lebenslust ins Blut tanzen, er wollte fröhlich sein wie die andern. Und er tanzte, so daß die Wände im Saal sich drehten und seine Gedanken schwindelten.

      Aber was für eine Dame war es denn, die er aus der Menge mit sich fortgerissen hatte? Sie war leicht und geschmeidig, und es war ihm, als wenn Feuerströme zwischen ihm und ihr hin und her zuckten. Ach, Marianne!

      Während Gösta mit Marianne tanzte, saß Sintram bereits unten im Hof in seinem Schlitten, und neben ihm stand Melchior Sinclaire. Der mächtige Gutsherr war ungeduldig, weil er auf Marianne warten mußte. Er stampfte mit den großen Pelzstiefeln in den Schnee und machte sich Bewegung mit den Armen, denn es war bitter kalt.

      »Du solltest doch nicht am Ende Marianne an Gösta verspielt haben, Sinclaire?« sagte Sintram.

      »Wie beliebt?«

      Sintram ordnete die Zügel und hob die Peitsche in die Höhe, dann erwiderte er: »Diese Küsserei vorhin gehörte nicht mit zu den lebenden Bildern.«

      Der mächtige Gutsherr erhob den Arm zu einem vernichtenden Schlage, aber Sintram war bereits fort. Er fuhr dahin, hieb auf die Pferde ein, so daß sie in wilder Flucht von dannen jagten, und wagte es nicht, sich umzusehen; denn Melchior Sinclaire hatte eine schwere Hand und eine kurze Geduld.

      Der Besitzer von Björne begab sich nun in den Tanzsaal, um seine Tochter zu holen, und da sah er denn, wie Gösta und Marianne tanzten.

      Wild und stürmisch war die letzte Polka. Einige Paare waren bleich, andere glühendrot; der Staub lag gleich einer Rauchwolke über dem Saal, die Wachskerzen flackerten tief herabgebrannt in den Leuchtern, und inmitten all dieser ungemütlichen Zerstörung flogen sie dahin – Gösta und Marianne, königlich in ihrer unerschöpflichen Kraft, ohne Makel an ihrer Schönheit, glücklich in dem Gefühl, sich dieser herrlichen Bewegung ganz hingeben zu können.

      Als Marianne aufhörte zu tanzen und nach ihren Eltern fragte, waren diese nach Hause gefahren. Sie ließ sich jedoch ihre Überraschung nicht merken, sondern kleidete sich ruhig an und ging hinaus. Die Damen im Toilettenzimmer glaubten, daß sie im eigenen Schlitten fahre.

      Sie aber eilte in ihren dünnen, seidenen Schuhen den Weg entlang, ohne jemand ihre Not zu klagen. In der Finsternis erkannte keiner der Gäste sie, wie sie dort am Rande des Weges ging, niemand würde geglaubt haben, daß diese nächtliche Wanderin, die von den vorübereilenden Schlitten in die hohen Schneeschanzen gedrängt wurde, die schöne Marianne sei. Sobald sie ungestört in der Mitte des Weges gehen konnte, fing sie an zu laufen. Sie lief, solange sie konnte, ging dann eine Strecke und lief darauf wieder. Eine unheimliche, qualvolle Angst trieb sie vorwärts.

      Von Ekeby bis Björne ist nur eine Viertelmeile. Marianne war bald zu Hause, aber sie glaubte beinahe, daß sie sich verirrt habe. Als sie auf den Hof kam, waren alle Türen verschlossen, alle Lichter ausgelöscht, sie glaubte anfänglich, daß ihre Eltern noch nicht nach Hause gekommen seien.

      Sie ging an die Haustür und klopfte mit einigen schweren Schlägen an. Sie faßte an das Schloß und rüttelte daran, daß es im ganzen Hause widerhallte. Niemand kam und öffnete; als sie aber die eiserne Türklinke loslassen wollte, die sie mit den bloßen Händen erfaßt hatte, riß sie sich die an dem Metall festgefrorene Haut von den Händen.

      Der mächtige Gutsherr Melchior Sinclaire war nach Hause gefahren, um seinem einzigen Kinde die Tür zu verschließen. Er war berauscht von Getränken, wild vor Zorn. Er haßte seine Tochter, weil sie Gösta Berling liebte. Jetzt sperrte er die Dienstboten in die Küche und seine Frau in die Schlafstube. Mit kräftigen Eiden gelobte er, denjenigen totzuschlagen, der es wagen würde, Marianne einzulassen. Und man wußte, daß er Wort halten würde.

      So erzürnt hatte ihn noch niemand gesehen. Ein größerer Kummer war ihm noch niemals widerfahren. Wäre ihm seine Tochter vor die Augen gekommen, so würde er sie vielleicht getötet haben.

      Er hatte ihr goldenes Geschmeide und seidene Kleider geschenkt; er hatte ihr eine feine Bildung und eine wissenschaftliche Erziehung zuteil werden lassen. Sie war sein Stolz СКАЧАТЬ