Название: Gösta Berling: Erzählungen aus dem alten Wermland
Автор: Lagerlöf Selma
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
isbn:
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»Willst du jetzt leben, Gösta Berling?« fragte sie mit einer Stimme, die von Tränen fast erstickt war. »Weshalb willst du sterben? Du hättest ein tüchtiger Pfarrer werden können, nie aber war der Gösta Berling, den du in Branntwein ertränktest, so strahlend unschuldsrein wie die Margarete Celsing, die ich in Haß erstickte. Willst du jetzt leben?«
Gösta fiel vor der Majorin auf die Knie. »Vergib mir«, sagte er, »aber ich kann nicht!«
»Ich bin eine alte Frau,« sagte die Majorin, »verhärtet in bitterem Kummer, und ich sitze hier und gebe mich selber einem Bettler preis, den ich halb erfroren in einer Schneewehe am Wege gefunden habe. Es geschieht mir recht. Geh Er nur hin und werd’ Er ein Selbstmörder, dann kann Er jedenfalls nichts von meiner Torheit erzählen.«
»Ich bin kein Selbstmörder, ich bin ein zum Tode Verurteilter. Mache mir den Kampf nicht zu schwer! Ich kann nicht leben. Mein Körper hat die Obergewalt über meine Seele gewonnen, deswegen muß ich die freigeben, damit sie zu Gott kommen kann.«
»Er glaubt also, daß sie zu Gott kommt?«
»Lebt wohl, Majorin Samzelius, und habt Dank!«
»Leb wohl, Gösta Berling!«
Der Bettler erhob sich und ging mit hängendem Kopf und schleppenden Schritten auf die Tür zu. Diese Frau machte ihm den Weg zu den ewigen Wäldern schwer.
Als er an die Tür kam, mußte er sich umwenden. Da begegnete er einem Blick der Majorin, die regungslos dasaß und ihm nachsah. Er hatte niemals eine solche Veränderung in einem Gesicht wahrgenommen, und er stand still und starrte sie an. Sie, die eben noch böse und drohend gewesen war, saß still da wie verklärt, und ihre Augen strahlten vor erbarmender, mitleidiger Liebe. Es war etwas in ihm, in seinem verwilderten Herzen, das vor diesem Blick schmolz; er lehnte seine Stirn gegen den Türpfosten, hob die Arme über dem Kopf in die Höhe und weinte, als wenn sein Herz brechen sollte.
Die Majorin warf die Tonpfeife ins Feuer und kam zu ihm hin. Ihre Bewegungen waren plötzlich so sanft wie die einer Mutter.
»Nun, nun, mein Junge!«
Und sie zog ihn zu sich auf die Bank neben der Tür, so daß er, den Kopf in ihrem Schoß, weinte.
»Will Er noch sterben?«
Er wollte aufspringen. Sie mußte ihn mit Gewalt festhalten.
»Jetzt sage ich Ihm zum letztenmal, daß Er tun kann, was Er will. Das aber verspreche ich Ihm, wenn Er leben will, so werde ich die Tochter des Brobyer Pfarrers zu mir nehmen und sie zu einem tüchtigen Menschen erziehen: dann kann Er ja Gott danken, daß Er ihr Mehl stahl. Nun, will Er?«
Er hob den Kopf in die Höhe und sah ihr in die Augen.
»Ist das Euer Ernst?«
»Freilich ist es das, Gösta Berling.«
Da rang er die Hände in unsagbarer Angst. Er sah vor sich die eingeschüchterten Augen, die zusammengekniffenen Lippen, die kleinen, abgemagerten Hände. Das arme kleine Wesen sollte Schutz und Pflege haben, das Brandmal der Erniedrigung sollte aus ihrem Körper getilgt werden, wie das Böse aus ihrer Seele. Jetzt ward ihm der Weg zu den ewigen Wäldern verschlossen.
»Ich werde mir das Leben nicht nehmen, solange sie unter Eurem Schutz steht«, sagte er. »Ich wußte es ja, daß die Majorin stärker sei als ich, daß sie mich zwingen würde zu leben.«
»Gösta Berling,« sagte sie feierlich, »ich habe um dich gekämpft wie um meine eigene Seligkeit. Ich sagte zu Gott: Wenn noch eine Spur von Margarete Celsing in mir ist, so mache, daß sie sich zu erkennen gibt und den Mann verhindert, sich das Leben zu nehmen! Und Gott erhörte mein Flehen, und du hast sie gesehen, und deswegen konntest du nicht gehen. Und sie flüsterte mir zu, daß du vielleicht um des armen Kindes willen den Gedanken an den Tod aufgeben würdest. Ach, ihr fliegt so kühn, ihr wilden Vögel, Gott aber kennt das Netz, das euch fangen kann.«
»Er ist ein großer, wunderbarer Gott!« sagte Gösta Berling. »Er hat mich zum Narren gehabt und mich verworfen, aber er will mich nicht sterben lassen. Sein Wille geschehe.«
Seit jenem Tage wurde Gösta Berling Kavalier auf Ekeby. Zweimal versuchte er es, sich loszumachen und sich einen Weg zu bahnen, um von der eigenen Arbeit zu leben. Das einemal gab ihm die Majorin ein Haus in der Nähe von Ekeby; er zog dahin und wollte versuchen, als Arbeiter zu leben. Es gelang ihm auch eine Zeitlang, aber er ward bald der Einsamkeit und der täglichen Arbeit müde und wurde wieder Kavalier. Das zweitemal ward er Hauslehrer auf Borg bei dem jungen Grafen Heinrich Dohna. Dort verliebte er sich in Ebba Dohna, des Grafen Schwester; als sie aber starb, gerade als er sie zu gewinnen meinte, gab er jeden Gedanken, etwas anderes als ein Kavalier auf Ekeby zu werden, auf. Es schien ihm, als seien einem abgesetzten Pfarrer alle Wege zur Wiederherstellung seiner Ehre verschlossen.
Gösta Berlings Sage
Die Landschaft
Nun muß ich diejenigen, die den langen See, die reichen Ebenen und die blauen Berge schon kennen, bitten, daß sie einige Seiten überschlagen. Sie können es ruhig tun, das Buch wird trotzdem lang genug.
Ein jeder wird verstehen, daß ich gezwungen bin, diese drei Szenerien denen zu beschreiben, die sie noch nicht gesehen haben, denn sie waren der Schauplatz, auf dem Gösta Berling und die Kavaliere ihr lustiges Leben lebten. Aber für diejenigen, die sie gesehen haben, ist es gar leicht zu verstehen, daß dies die Kräfte eines Menschen übersteigt, der nur die Feder führen kann.
Am liebsten würde ich mich damit begnügen, von dem See zu erzählen, daß er der Löfsee heißt, daß er lang und schmal ist, daß er sich von den großen einsamen Wäldern im nördlichen Wermland bis hinab in die Niederungen des Wenersees nach Süden zu erstreckt; von der Ebene, daß sie zu beiden Seiten des Sees dahinläuft, und von den Bergen, daß sie mit ihren ragenden Ketten das ganze Tal umschließen. Aber das ist nicht genug für mich, wenn ich den See meiner Kindheitsträume und das Leben meiner Kindheitshelden schildern will.
Die Quellen des Sees liegen hoch oben im Norden, und da ist ein herrliches Land für einen See. Wald und Berge werden niemals fertig, Wasser für ihn zu sammeln, Elfe und Bäche stürzen das ganze Jahr hindurch in ihn hinab. Er hat feinen, weißen Sand, auf dem er sich ausstrecken kann, Landzungen und Inseln, die er widerspiegeln kann, da ist freier Spielraum für den Wassermann und die Meerfrau, und er wächst groß und schön heran. Da oben im Norden ist er munter und freundlich. Ihr solltet ihn nur an einem Sommermorgen sehen, wenn er ganz wach daliegt und unter dem Nebelschleier blitzt, wie lustig er da ist. Er verbirgt sich erst eine Weile, dann schlüpft er leise, ganz leise aus seiner lichten Hülle heraus, so bezaubernd schön, daß man ihn kaum wiedererkennen kann. Aber dann, mit einem Ruck, wirft er die ganze Decke ab und liegt da, bloß und frei und rosenrot und strahlt im Morgenlicht.
Aber der See begnügt sich nicht mit Spiel und Lustigkeit; er bricht sich einen Weg durch einige Sandhügel nach Süden zu, schnürt sich zu einem engen Sund zusammen und sucht sich ein neues Reich. Das findet er, wird bald wieder groß und mächtig, hat eine bodenlose Tiefe auszufüllen und eine fleißige Gegend zu schmücken. Aber nun wird das Wasser auch dunkler, die Ufer werden weniger abwechselnd, die Winde schärfer, der ganze Charakter wird strenger. Aber es ist noch immer ein stattlicher, ein herrlicher See. Mannigfach sind die Schiffe und die Holzflöße, СКАЧАТЬ