Название: Handbuch des Aktienrechts
Автор: Hans-Peter Schwintowski
Издательство: Bookwire
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811443150
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Gleichwohl kommen die Fallgruppen der Existenzvernichtungshaftung, der Vermögensvermischung und der Unterkapitalisierung auch bei der AG in Betracht. Nach bisheriger Rechtslage durfte sich der Aktionär in diesen Fallkonstellationen nicht mehr auf die Haftungsbeschränkung des § 1 Abs. 1 S. 2 AktG berufen und haftete unmittelbar[31] und unbegrenzt[32] gegenüber den Gesellschaftsgläubigern. Trotz der Außenhaftung sei aber im Falle eines Insolvenzverfahrens allein der Insolvenzverwalter berechtigt, diese (eigentlich den Gesellschaftsgläubigern und nicht der Gesellschaft zustehenden) Ansprüche geltend zu machen.[33]
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Hinsichtlich der besonders prominenten Fallgruppe der Existenzvernichtungshaftung hat der II. Zivilsenat des BGH dieses Konzept der Außenhaftung durch die sog. „TRIHOTEL“-Entscheidung[34] nunmehr ausdrücklich aufgegeben, so dass in diesen Fällen nur ein Anspruch der Gesellschaft gegenüber dem Aktionär, mithin nur noch eine Innenhaftung besteht.
3.2.1 Existenzvernichtungshaftung
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Die Fallgruppe der Existenzvernichtungshaftung unterlag in den letzten 30 Jahren einem stetigen Wandel. Zunächst wählte der BGH (für die GmbH) mit dem sog. qualifiziert faktischen Konzern einen konzernrechtlichen Ansatz.[35] Danach haftete der herrschende Gesellschafter, wenn dieser seine Leitungsmacht in einer Weise ausübte, „welche das Eigeninteresse der abhängigen Gesellschaft nachhaltig beeinträchtigt“, und diese dauerhaft „wie eine Betriebsabteilung“ führte. Dieser am Konzernrecht ausgerichteten Rechtsprechung kehrte der II. Zivilsenat mit der sog. „Bremer Vulkan“-Entscheidung[36] den Rücken und stützte einen Haftungsdurchgriff in der Folgezeit auf die Grundsätze der Existenzvernichtung. Diese Grundsätze konkretisierte der BGH dahingehend, dass sich ein Gesellschafter dann nicht auf die Haftungsbeschränkung berufen kann, wenn er „auf das der Gesellschaft überlassene und als Haftungsfonds erforderliche Vermögen“ zugreift und die Gesellschaft damit in eine Lage bringt, in der diese ihren Verbindlichkeiten nicht mehr vollständig nachkommen kann,[37] mithin bei der Gesellschaft eine insolvenzrechtliche Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegt.[38] Soweit diese Voraussetzungen vorlagen, haftete der Gesellschafter dann ohne jede Haftungsbeschränkung, wenn er nicht nachweisen konnte, dass die der Gesellschaft insgesamt zugefügten Schäden nicht nach anderen Regeln konkret ausgeglichen werden können.[39] Zudem stand dem Gesellschafter die Nachweismöglichkeit offen, dass bei rechtmäßigem Alternativverhalten ebenfalls ein Schaden eingetreten wäre. In diesem Fall wäre der Schadensersatzanspruch gegen den Aktionär auf die Differenz zwischen tatsächlicher Vermögenslage und derjenigen begrenzt, die bestanden hätte, wenn sich der Aktionär rechtmäßig verhalten hätte. Es musste folglich in einer Intensität und Dichte in das Vermögen der Gesellschaft eingegriffen werden, die einem Einzelausgleich nicht mehr zugänglich ist. Mithin handelte es sich um echte Ausnahmekonstellationen und klare Missbrauchsfälle, bei denen oftmals auch Ansprüche aus § 826 BGB in Betracht kamen.[40]
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Nunmehr hat der II. Zivilsenat auch diese eigenständige Rechtsfigur der existenzvernichtenden Haftung ausdrücklich aufgegeben. Solche Fälle werden nunmehr allein nach § 826 BGB behandelt, so dass auch keine unmittelbare Außenhaftung gegenüber Gläubigern der Gesellschaft besteht.[41]
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Existenzvernichtungshaftung sollen aber trotz der neuen dogmatischen Grundlage weitgehend unverändert fort gelten. Klargestellt wurde allerdings, dass nunmehr wenigstens bedingter Vorsatz des Anspruchsschuldners erforderlich ist, mithin keine verschuldensunabhängige Haftung mehr besteht.[42] Diesbezüglich reicht indessen die Kenntnis des Gesellschafters von den Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass sein Handeln dazu führt, dass die Gesellschaft faktisch dauerhaft ihren Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen kann.[43]
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Auch der Begriff „existenzvernichtender Eingriff“ soll weiterhin – nunmehr allerdings als gesonderte Fallgruppe des § 826 BGB – verwendet werden.[44]
3.2.2 Unterkapitalisierung
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Die Fallgruppe der Unterkapitalisierung war bis zum Jahre 2008 – jedenfalls im Schrifttum – im Grundsatz anerkannt.[45] Auch in der Rechtsprechung wurde diese Rechtsfigur verschiedentlich herangezogen, um eine Durchgriffshaftung zu begründen.[46] Klare Anwendungsvoraussetzungen ließen sich aber zu keinem Zeitpunkt ausmachen. Es wurde lediglich die allgemeine und kaum subsumierbare Formel herangezogen, nach der eine Durchgriffshaftung wegen Unterkapitalisierung dann in Betracht komme, wenn die Aktionäre ihre Gesellschaft mit so wenig Grundkapital ausstatten, dass hiermit der Geschäftsbetrieb nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen nicht durchgeführt werden kann. Nunmehr hat der II. Zivilsenat dieser Rechtsfigur ausdrücklich eine Absage erteilt. Im Einzelnen führt der BGH aus, dass es einen allgemeinen (haftungsbewährten) Grundsatz, eine Kapitalgesellschaft angemessen mit Kapital auszustatten, nicht gebe. Für derartige Fälle komme allenfalls eine deliktische Haftung in Betracht, wobei der Senat offen lassen konnte, ob auch insoweit eine Fallgruppe im Rahmen des § 826 BGB zu bilden sei.[47]
3.2.3 Vermögensvermischung
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Anders als die Fallgruppe der Unterkapitalisierung sind die Voraussetzungen der sog. Vermögensvermischung deutlicher von der Rechtsprechung herausgearbeitet worden. So kann sich ein Aktionär dann nicht mehr auf die Haftungsbeschränkung berufen und haftet gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft – auch nach der „TRIHOTEL“-Entscheidung[48] – im Sinne einer Außenhaftung unmittelbar, „wenn die Abgrenzung zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen durch eine undurchsichtige Buchführung oder auf andere Weise verschleiert worden ist und deshalb die Kapitalerhaltungsvorschriften, deren Einhaltung ein unverzichtbarer Ausgleich für die Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen ist, nicht funktionieren können“[49]. Da die Buchführungspflicht in erster Linie die Leitungsorgane der Gesellschaft trifft, reichen bloße Versäumnisse bei der Buchführung nicht aus, um eine Haftung der Gesellschafter zu begründen. Insoweit muss hinzukommen, dass der Aktionär die Vermögensvermischung zwischen seinem Privatvermögen und dem Gesellschaftsvermögen zu verantworten hat und die Vermögensmassen sich nicht mehr trennen lassen.[50]
2. Kapitel Grundlagen › I. Wesen der Aktiengesellschaft › 4. Bedeutung der Aktiengesellschaft
4. Bedeutung der Aktiengesellschaft
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Die Anzahl der in Deutschland registrierten AG und KGaA stieg, nachdem deren Anzahl seit 1960 mit 2 300 bis 2 500 weitgehend konstant blieb, zu Beginn der neunziger Jahre sprunghaft an.[51] Im Jahr 1994 waren bereits 3 527[52] und im Jahr 1998 СКАЧАТЬ