Название: Insolvenzstrafrecht
Автор: Gerhard Dannecker
Издательство: Bookwire
Серия: Praxis der Strafverteidigung
isbn: 9783811440494
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Das Insolvenzverfahren wurde durch das Gesetz zur Vereinfachung desselben zum 1.7.2007[1] in nicht unbeachtlichem Maße überarbeitet. Erklärte Ziele der Novelle waren die Modernisierung sowie die Anpassung des Verfahrens an aktuelle Möglichkeiten elektronischer Kommunikation. So soll in Zukunft das Insolvenzgeschehen lückenlos auf einer bundeseinheitlichen Onlineplattform dokumentiert werden. Um dies zu ermöglichen, schuf der Gesetzgeber die rechtliche Grundlage für die öffentliche Bekanntmachung über das Internet und passte die Postsperre wie auch die öffentliche Bekanntmachung bei einer mangels Masse erfolgten Abweisung an.
Die früher im Bereich der Bewerbung um einen Posten als Insolvenzverwalter üblichen so genannten „geschlossenen Listen“ wurden abgeschafft. Mit dieser Änderung folgt die Judikative den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, das in seiner Entscheidung vom 3.8.2004[2] den nicht unerheblichen Einfluss eines solchen Vorauswahlverfahrens auf die beruflichen Betätigungsmöglichkeiten der Interessenten kritisiert hatte. So muss der Insolvenzverwalter heute aus dem Kreis aller zur Übernahme bereiten Personen ausgewählt werden.
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Schließlich sieht das modifizierte Insolvenzverfahren vor, dass Sanierungen[3] nur mehr unter engen Voraussetzungen im eröffneten Verfahren bereits im Vorfeld des Berichtstermins zugelassen werden können. Dadurch soll gewährleistet werden, dass außergewöhnlich günstige Verwertungschancen bereits in einem frühen Stadium des Verfahrens genutzt werden können. Abschließend ergibt sich nunmehr die Möglichkeit für den Insolvenzverwalter, einzelne Gegenstände aus der Masse freizugeben.
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Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens bleiben von dieser Entwicklung der Gesetzeslage unberührt. Sie liegen gem. § 1 InsO nach wie vor in der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger eines Schuldners. Um dieses Ziel zu fördern, hat der Gesetzgeber ein standardisiertes und formalisiertes Verfahren entwickelt, das sich durch die gesamte Insolvenzordnung zieht.
2. Zulässigkeit, Voraussetzungen, Ablauf und Wirkungen eines Insolvenzverfahrens
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Die §§ 11, 12 InsO regeln die Zulässigkeit des Insolvenzverfahrens, indem sie diesem nur das Vermögen bestimmter Schuldner unterwerfen. Es muss danach zunächst geprüft werden, ob der Zugriff auf die Vermögenswerte zulässig ist. Dies ist etwa bei Bundes- oder Landesvermögen gem. § 12 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht der Fall.
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§ 13 Abs. 1 S. 1 InsO verlangt für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Vorliegen eines schriftlichen Antrags[4], der bis zur Eröffnung oder rechtskräftigen Abweisung gem. § 14 Abs. 2 InsO wieder zurückgenommen werden kann. Antragsberechtigt sind gem. § 13 Abs. 1 S. 2 InsO sowohl der Schuldner als auch seine Gläubiger. Im letzteren Fall erfordert § 14 Abs. 1 InsO ein rechtliches Interesse des Gläubigers an der Eröffnung des Verfahrens sowie die Glaubhaftmachung sowohl seiner Forderung als auch eines Eröffnungsgrundes.
Mit Stellung des Insolvenzantrages[5] wird das Eröffnungsverfahren eingeleitet. Voraussetzung dafür ist gem. § 16 InsO das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes. Mögliche Eröffnungsgründe sind die bereits dargestellte Zahlungsunfähigkeit gem. § 17 InsO[6], die drohende Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 InsO[7] und die Überschuldung gem. § 19 InsO[8]. In dieser Verfahrensphase prüft das Gericht die Zulässigkeit und Begründetheit des Insolvenzantrages.[9] Ist der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulässig, so treffen den Gemeinschuldner gegenüber dem Insolvenzgericht[10] Auskunfts- und Unterstützungspflichten gem. § 20 Abs. 1 S. 1 InsO.[11]
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Das Insolvenzgericht entscheidet nun über das konkrete Vorgehen. Es hat gem. § 21 InsO Sicherungsmaßnamen zur Verhütung nachteiliger Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners anzuordnen, wobei ihm insbesondere die in § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 5 InsO enumerativ, in abgestufter Reihenfolge entsprechend ihrer Eingriffsintensität aufgeführten Instrumentarien zur Verfügung stehen. So kann das Gericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen[12] oder dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen, wobei es stets den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren hat.[13] Im letzteren Fall trifft das Insolvenzgericht eine Pflicht zur öffentlichen Bekanntmachung seines Beschlusses gem. § 23 InsO. Verstößt ein Schuldner gegen das ihm auferlegte Verfügungsverbot, ereilt seine Verfügung gem. § 24 Abs. 1 InsO das Schicksal entsprechend der §§ 81, 82 InsO. Die Wirksamkeit von Verfügungen über Finanzsicherheiten nach § 1 Abs. 17 KreditwesenG sowie die Wirksamkeit der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Überweisungs-, Zahlungs- oder Übertragungsverträgen, die in ein System nach § 1 Abs. 16 KreditwesenG eingebracht wurden, bleibt von solchen Sicherungsmaßnahmen gem. § 21 Abs. 2 S. 2 InsO unberührt. Bedeutung und Weite der Sicherungsinstrumentarien des Insolvenzgerichts sind in der Praxis nicht zu unterschätzen. Sie ermöglichen im Bedarfsfall nicht nur die zwangsweise Vorführung, sondern auch die Inhaftierung des Schuldners.[14]
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Im Anschluss prüft das Insolvenzgericht die Massezulänglichkeiten und weist den Antrag mangels Masse gem. § 26 Abs. 1 S. 1 InsO[15] ab, wenn das schuldnerische Vermögen aller Voraussicht nach nicht ausreichen wird, die Kosten des Verfahrens zu decken.[16] Gegen eine solche Entscheidung steht dem Antragsteller wie auch dem Schuldner gem. § 34 Abs. 1 InsO das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zur Verfügung. Wird ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen oder werden die Kosten des Verfahrens gem. § 4a InsO gestundet, unterbleibt eine Abweisung mangels Masse gem. § 26 Abs. 1 S. 2 InsO. Dieser Beschluss ist gem. § 26 Abs. 1 S. 3 InsO unverzüglich – d.h. ohne schuldhaftes Verzögern – öffentlich bekanntzumachen. Im Falle der Abweisung der Eröffnung mangels Masse erfolgt gem. § 26 Abs. 2 S. 1 InsO ein Eintrag des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis – die so genannte „schwarze Liste“[17] – bzw. eine Mitteilung von Amts wegen an das Handels-, Genossenschafts- oder Vereinsregister gem. § 31 Nr. 2 InsO, wenn der Schuldner dort als juristische Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit verzeichnet ist.
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Mit Rechtskraft des Abweisungsbeschlusses werden Gesellschaften kraft Gesetzes aufgelöst.[18] Die Abweisung mangels Masse führt in der Praxis zu der problematischen Situation, dass kein geordnetes Insolvenzverfahren mehr durchgeführt werden kann[19], auch wenn der insolvenzrechtliche Begriff der Masseunzulänglichkeit nicht mit demjenigen der Vermögenslosigkeit gleichgesetzt werden kann.[20] Eine beschränkt haftende Gesellschaft ist nach der Lehre vom „Doppeltatbestand“ erst in dem Zeitpunkt voll beendet, in dem sie nicht nur vermögenslos ist, sondern auch im Register gelöscht wurde.[21] So ist – unabhängig von der Schwierigkeit einer solchen Prüfung ohne konkrete Einblicke in die Geschäftsunterlagen der Gesellschaft[22] – stets zu kontrollieren, ob noch Vermögenswerte – etwa in Form von Ansprüchen gegen Dritte – auf Seiten der Gesellschaft vorhanden sind, da eine Gesellschaft, die zwar gelöscht wurde, aber noch über Vermögen verfügt, als Rechtsträger weiterexistiert. Der insolvenzrechtliche Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung gilt für die Liquidatoren nicht, so dass die Gläubiger regelmäßig resignieren, sobald die GmbH im Handelsregister gelöscht wurde.[23] Dies wiederum stellt eine Chance für die ehemaligen Geschäftsführer und jetzigen Liquidatoren dar, nach eigenem Ermessen das verbleibende Restvermögen zu verteilen.[24]
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