Название: Insolvenzstrafrecht
Автор: Gerhard Dannecker
Издательство: Bookwire
Серия: Praxis der Strafverteidigung
isbn: 9783811440494
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Gemäß § 38 InsO erfasst der Begriff der „Insolvenzforderung“ diejenigen Forderungen, die im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung begründet waren. Zur Feststellung des berücksichtigungsrelevanten Zeitpunkts stellt sich somit die Frage, wann eine Steuerforderung begründet ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Rechtsgrund für ihre Entstehung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits gelegt war.[51] Eine Steuerforderung begründet sich dabei unabhängig von ihrer Entstehung und ihrer Fälligkeit. So können Steuerforderungen, deren Entstehen an den Ablauf des Veranlagungs- oder des Voranmeldezeitraums gebunden ist,[52] auch schon vor Entstehung begründet sein. Zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung begründete Steuerforderungen sind als Insolvenzforderungen nach § 174 Abs. 1 InsO anzumelden. Das Finanzamt ist als Steuergläubiger auch Insolvenzgläubiger und Massegläubiger hinsichtlich der sonstigen Masseverbindlichkeiten im Sinne von § 55 InsO. Zu Letzteren gehören die Steuern, insbesondere auch die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder des qualifizierten vorläufigen Insolvenzverwalters entstandene Umsatzsteuer. Ein insolvenzfreies Vermögen ist der Insolvenzordnung unbekannt. Stattdessen fließt jeder Neuerwerb des Schuldners während des Insolvenzverfahrens gem. § 35 InsO in die Insolvenzmasse.
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Unabhängig vom Vorliegen einer Insolvenz des Schuldners lässt sich das formale Vorgehen rund um die Steuerschuld zeitlich wie inhaltlich in verschiedene Stufen untergliedern. Dem Steuerermittlungsverfahren folgen das Steuerfestsetzungsverfahren, gegebenenfalls ein Steueraufsichtsverfahren oder ein Steuerfeststellungsverfahren sowie das Rechtsbehelfs- und Vollstreckungsverfahren.
Die Insolvenz unterbricht das Streitverfahren lediglich, so dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Steuerermittlungs- und das Steueraufsichtsverfahren unberührt lässt. Letztere werden vom Finanzamt ohne Rücksicht auf die Insolvenz des Schuldners eingeleitet, fortgesetzt oder abgeschlossen. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens treffen den Insolvenzverwalter allerdings die Mitwirkungspflichten des Schuldners.
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Anders verhält es sich mit dem Steuerfestsetzungs- und dem Steuerfeststellungsverfahren. Beide werden durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen und können erst nach Einstellung des Insolvenzverfahrens auf Antrag des Schuldners mit Zustimmung aller Gläubiger (§ 213 Abs. 1 InsO) oder wegen Unzulänglichkeit der Masse (§ 207 Abs. 1 InsO) fortgesetzt werden. Der Erlass eines Steuer-, Feststellungs- oder Messbescheides wegen vorinsolvenzlicher Steuerforderungen ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus diesem Grund sowohl gegenüber dem Schuldner als auch gegenüber dem Insolvenzverwalter unzulässig. Solche vorinsolvenzlichen Forderungen sind vielmehr ebenso wie noch nicht fällige, noch nicht festgesetzte oder noch nicht angemeldete Steuern zur Insolvenztabelle anzumelden.[53]
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Von der Insolvenzeröffnung unberührt bleiben Steuerermittlungs- und Steueraufsichtsverfahren sowie Betriebsprüfungen und Steuerfahndungsverfahren im Sinne der §§ 208, 404 AO. Die Insolvenzmasse betreffende Steuerverwaltungsakte können nach Verfahrenseröffnung nicht mehr durch Bekanntgabe an den Schuldner wirksam werden.[54] Gleiches gilt für gesonderte Gewinnfeststellungsbescheide im Sinne von § 180 Abs. 1 Nr. 2b AO, Steuermess- und Zerlegungsbescheide, andere Feststellungsbescheide im Rahmen der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs nach § 10d EStG, der gesonderten Feststellung nach § 47 KStG, von Einheitswerten, bei Grundsteuermessbescheiden sowie nach geänderter Rechtsprechung des BFH[55] für Bescheide im Rahmen der einheitlichen wie gesonderten Gewinnfeststellung.[56]
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Rechtsbehelfsverfahren und Fristen werden durch die Insolvenzeröffnung unterbrochen. Wird die angemeldete Forderung im Prüfungstermin bestritten, so bedarf es zur Weiterverfolgung eines Feststellungsstreits.[57] Mangels Vollziehbarkeit ist die Aussetzung der Vollziehung eines vor Insolvenzeröffnung ergangenen Steuerbescheids während des Verfahrens nicht mehr möglich.[58] Hinter dieser Regelung steckt die erkennbare Intention des Gesetzgebers, dass auch das Finanzamt seine Ansprüche nur noch innerhalb des Insolvenzverfahrens verfolgen können soll. Für den Insolvenzverwalter besteht die Möglichkeit der Aufnahme eines unterbrochenen Verfahrens, wenn das Rechtsbehelfsverfahren einen Erstattungsanspruch zum Gegenstand hat, der nicht durch Aufrechnung während des Insolvenzverfahrens erledigt wird.[59]
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Dem Finanzamt ist es, wie allen anderen Gläubigern auch, untersagt, wegen Insolvenzforderungen Vollstreckungsmaßnahmen in die Insolvenzmasse oder in das sonstige Schuldnervermögen durchzuführen[60] Ein entsprechendes Verwaltungszwangsverfahren gegen den Schuldner im Sinne von §§ 328 ff. AO wäre sofort einzustellen. Hatte derjenige, der die Vollstreckungsmaßnahme angeordnet hat, Kenntnis von der Zahlungsanordnung, so können diejenigen Maßnahmen im Verwaltungszwangsverfahren erfolgreich angefochten werden, die zwischen dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden.[61] Ist das Insolvenzverfahren bereits eröffnet, so genügt die Kenntnis solcher Umstände, die bereits auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eines Insolvenzgläubiger zwecks Erlangung einer Sicherung am Schuldnervermögen, die bis zu einem Monat vor dem Eröffnungsantrag oder bereits nach dem Eröffnungsantrag erfolgen, sind unwirksam.[62] Dies betrifft allerdings naturgemäß nur Sicherungen an den Teilen des Schuldnervermögens, die zur Insolvenzmasse gehören. Wenn der Insolvenzverwalter drohende Masseunzulänglichkeiten im Sinne von § 208 InsO geltend macht, ist es dem Finanzamt untersagt, in die Masse zu vollstrecken, wobei den Insolvenzverwalter eine entsprechende Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Masseunzulänglichkeiten trifft. In diesen Fällen genügt es nicht, wenn der Verwalter die Unzulänglichkeiten der Masse vor Beginn der Vollstreckung dem Finanzamt anzeigt und sie öffentlich bekannt macht.[63]
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Als Gläubiger steht dem Finanzamt die Möglichkeit offen, mit Steuerforderungen gegen Forderungen der Insolvenzmasse aufzurechnen, wenn die Aufrechnungslage bereits bei Insolvenzeröffnung bestanden hat.[64] Dieses Instrumentarium steht der Behörde unabhängig davon zur Verfügung, ob die gegeneinander aufzurechnenden Forderungen bei Eröffnung der Insolvenz auch bereits fällig waren. Ist ein Insolvenzgläubiger allerdings erst nach Eröffnung des Verfahrens etwas zur Masse schuldig geworden oder hat er seine Forderung erst nach Verfahrenseröffnung von einem anderen Gläubiger erworben, so ist eine Aufrechnung gem. § 96 InsO unzulässig. Will das Finanzamt nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Aufrechnung gegen einen Vorsteuervergütungsanspruch des Schuldners erklären und setzt sich dieser Anspruch sowohl aus vor als auch aus nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vorsteuerbeträgen zusammen, so hat das Finanzamt nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO sicherzustellen, dass die Aufrechnung den Vorsteuervergütungsanspruch nur insoweit erfasst, als sich dieser aus Vorsteuerbeträgen zusammensetzt, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sind.[65] § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO hindert nicht die Aufrechnung des Finanzamts mit Steuerforderungen aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den aus dem Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters herrührenden Vorsteueranspruch des Insolvenzschuldners. Die für das Finanzamt durch den СКАЧАТЬ