Название: Arbeitsrecht in der Umstrukturierung
Автор: Stefan Schwab
Издательство: Bookwire
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811476097
isbn:
263
Ob und unter welchen Bedingungen eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund zulässig ist, ist höchstrichterlich bislang nicht abschließend entschieden. Das BAG hat dies in seiner Entscheidung vom 10.8.1994 ausdrücklich offengelassen.[428] Nach zutreffender Ansicht in der Literatur kann hier allerdings nichts anderes gelten als bei anderen Dauerschuldverhältnissen. Sofern ein Sozialplan also sog. „Dauerregelungen“ trifft, sprechen damit gute Gründe dafür, auch in diesem Fall von einer Kündbarkeit aus wichtigem Grund auszugehen.[429]
264
Im Falle einer zulässigen ordentlichen und auch außerordentlichen Kündigung eines Sozialplanes wirken seine Regelungen nach, bis sie durch eine neue Regelung ersetzt werden. Die ersetzende Regelung kann Ansprüche der Arbeitnehmer, die vor dem Wirksamwerden der Kündigung entstanden sind, nicht zuungunsten der Arbeitnehmer abändern. Das gilt auch dann, wenn die Arbeitnehmer auf Grund bestimmter Umstände nicht mehr auf den unveränderten Fortbestand des Sozialplanes vertrauen konnten.[430]
265
Ist die Geschäftsgrundlage eines Sozialplanes weggefallen und ist einem Betriebspartner das Festhalten am Sozialplan mit dem bisherigen Inhalt nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten, so können die Betriebspartner die Regelungen des Sozialplanes den veränderten tatsächlichen Umständen anpassen. Der Wegfall der Geschäftsgrundlage einer Betriebsvereinbarung bzw. eines Sozialplans führt nicht dazu, dass diese bzw. dieser von selbst und gegebenenfalls rückwirkend unwirksam wird. Der Wegfall der Geschäftsgrundlage hat vielmehr nur zur Folge, dass die Regelung im Sozialplan den geänderten tatsächlichen Umständen insoweit anzupassen ist, als dem Vertragspartner das Festhalten an der getroffenen Regelung auch unter den geänderten tatsächlichen Umständen noch zuzumuten ist.[431] Die Anpassung der Regelung müssen die Betriebspartner vereinbaren. Derjenige Betriebspartner, der sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage beruft, hat gegenüber dem anderen einen Anspruch auf Aufnahme von Verhandlungen über die Anpassung der im Sozialplan getroffenen Regelung. Verweigert der andere Betriebspartner die Anpassung, entscheidet die Einigungsstelle verbindlich. Die anpassende Regelung kann auf Grund des anzupassenden Sozialplanes schon entstandene Ansprüche der Arbeitnehmer auch zu deren Ungunsten abändern. Insoweit genießen die Arbeitnehmer keinen Vertrauensschutz.[432]
266
Beispiel:
Von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage ist das BAG etwa in einem Fall ausgegangen, in dem beide Parteien bei Abschluss des Sozialplans von der Vorstellung ausgingen, die Treuhandanstalt werde die für die Erfüllung des Sozialplans benötigten Mittel ganz oder teilweise zur Verfügung stellen.[433] Auch die Übernahme eines Betriebs, der eigentlich stillgelegt werden sollte, kann die Geschäftsgrundlage entfallen lassen.[434]
2. Kapitel Umstrukturierung durch Betriebsänderungen › II. Betriebsänderungen i.S.d. § 111 BetrVG › 4. Durchsetzbarkeit der Beteiligungsrechte gemäß §§ 111 ff. BetrVG
4. Durchsetzbarkeit der Beteiligungsrechte gemäß §§ 111 ff. BetrVG
267
Besteht zwischen den Betriebsparteien Streit über die Frage, ob überhaupt eine Betriebsänderung i.S. d § 111 BetrVG vorliegt, kann der Betriebsrat seine Ansprüche im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren geltend machen und die gerichtliche Feststellung beantragen, dass die geplante Maßnahme eine Betriebsänderung sei, die den Unternehmer zu Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan verpflichte.[435]
268
Der gerichtliche Beschluss bindet Arbeitgeber und Betriebsrat und entfaltet darüber hinaus auch Bindungswirkung im Verhältnis zu einzelnen Arbeitnehmern, die einen Anspruch auf Nachteilsausgleich nach § 113 BetrVG geltend machen.[436] Stellt das Gericht fest, die geplante Maßnahme löse keine Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus (der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, einen Interessenausgleich zu versuchen und einen Sozialplan aufzustellen), sind die Gerichte in späteren Verfahren, in denen ein Arbeitnehmer einen Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 BetrVG fordert, an diese Entscheidung gebunden.
269
Führt der Arbeitgeber die Maßnahme vor Abschluss des Beschlussverfahrens durch, kann nur noch über die Verpflichtung zur Aufstellung eines Sozialplans gestritten werden. Für die Feststellung, der Arbeitgeber müsse einen Interessenausgleich versuchen, besteht kein Rechtsschutzinteresse mehr.[437]
270
Kommt der Arbeitgeber seiner Pflicht zur rechtzeitigen Unterrichtung und Beratung nicht nach, hat der Betriebsrat die Möglichkeit, einen Antrag auf Erfüllung der Unterrichtungspflichten zu stellen. Diesen Anspruch kann er auch im Wege der einstweiligen Verfügung geltend machen.[438] Die Vollstreckung richtet sich nach § 85 ArbGG i.V.m. § 888 ZPO. Bei schweren (wiederholten) Verstößen des Unternehmers gegen die Pflicht zur Unterrichtung und Beratung kommt ein Verfahren nach § 23 Abs. 3 BetrVG in Betracht. Daneben kann eine Ordnungswidrigkeit gem. § 121 vorliegen, die mit einer Geldbuße bis zu 10 000,00 € geahndet wird (§ 121 Abs. 2 BetrVG).[439]
a) Unterlassungsanspruch
271
Ob der Betriebsrat zur Sicherung der Mitwirkungsrechte nach den §§ 111 ff. BetrVG eine einstweilige Verfügung beantragen kann, mit welcher dem Arbeitgeber untersagt wird, eine Betriebsänderung durchzuführen, etwa betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen, bis das Interessenausgleichsverfahren abgeschlossen ist, ist umstritten. Nach zutreffender Ansicht spricht gegen einen solchen Unterlassungsanspruch bereits, dass der Gesetzgeber mit dem Nachteilsausgleich gem. § 113 Abs. 3 BetrVG anders als bei der Mitbestimmung gem. § 87 BetrVG eine ausdrückliche Sanktion für die Nichtbeachtung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats vorgesehen hat. Daneben ist kein Raum für ein eigenständiges Recht des Betriebsrats zu einer präventiven Verhinderung eines vorzeitigen Abbruchs von Interessenausgleichsverhandlungen.[440]
272
In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung wird die Frage allerdings zum Teil bejaht.[441] So hat etwa das LAG Hamm in einer Entscheidung vom 17.12.2015 festgehalten, dass ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrates im Zusammenhang mit der Durchführung von Betriebsänderungen „nicht grundsätzlich ausgeschlossen“ sei.[442] Dieser Anspruch diene – so das LAG Hamm einschränkend – der Sicherung des Verhandlungsanspruchs. Ein Unterlassungsanspruch sei daher ausgeschlossen, wenn die Betriebsänderung bereits durchgeführt worden ist.
b) Nachteilsausgleichsansprüche gemäß § 113 BetrVG
273
Weicht der Arbeitgeber von einem Interessenausgleich über eine geplante Betriebsänderung ohne zwingenden Grund ab, so können Arbeitnehmer, die infolge dieser Abweichung entlassen werden, beim Arbeitsgericht Klage erheben mit dem Antrag, den Arbeitgeber zur Zahlung von Abfindungen zu verurteilen (§ 113 Abs. 1 BetrVG). Erleiden Arbeitnehmer infolge einer Abweichung von einem Interessenausgleich andere wirtschaftliche Nachteile, so hat der Unternehmer nach § 113 Abs. 2 BetrVG diese Nachteile bis zu einem Zeitraum von zwölf Monaten auszugleichen. Entsprechendes gilt nach § 113 Abs. 3 BetrVG, wenn eine geplante Betriebsänderung nach СКАЧАТЬ