Название: Arbeitsrecht in der Umstrukturierung
Автор: Stefan Schwab
Издательство: Bookwire
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811476097
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Der Abschluss bzw. die Verhandlung mit dem unzuständigen Gremium sperrt keine Verhandlung bzw. keinen Abschluss mit dem zuständigen Gremium, sodass ggf. neu verhandelt und abgeschlossen werden muss. Damit ist nicht nur ein erheblicher Aufwand, sondern auch ein erhebliches Kostenrisiko verbunden.
2. Größte Einflussnahmemöglichkeit der betrieblichen Arbeitnehmervertretung
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Mit einer oder mehreren Betriebsänderungen i.S.d. § 111 BetrVG verbundene Umstrukturierungen bergen auch das größte Einfluss- und Verzögerungspotential des zuständigen Betriebsrats für die Transaktion.[10]
a) Nachteilsausgleichsansprüche
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Die verfrühte Umsetzung der Planung[11] bringt – sofern sie ausgleichspflichtige Nachteile kausal verursacht – jedenfalls Nachteilsausgleichsansprüche gemäß § 113 BetrVG mit sich, die sich als erheblicher, die Transaktion gefährdender Kostenfaktor erweisen können, zumal sie im Grunde über etwaige Sozialplanleistungen hinausgehen. Voraussetzung hierfür ist zwar, dass hierdurch ausgleichspflichtige Nachteile entstehen.[12] Bereits die Diskussion hierüber kann aber – und zwar erst recht, wenn sie in einer Vielzahl von Fällen vor Gericht ausgetragen werden muss – wirtschaftlich erheblichen Aufwand verursachen.
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Insofern bildet das Vorliegen einer Betriebsänderung unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten für Umstrukturierungsüberlegungen eine zentrale Weichenstellung. Durch ein Hinauszögern des Verhandlungsabschlusses (inklusive ggf. erforderlicher Einigungsstellenverhandlungen) kann der zuständige Betriebsrat die erfolgreiche Umsetzung von geplanten, als Betriebsänderung zu qualifizierenden Maßnahmen daher durchaus gefährden.
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Praxistipp:
Das muss insbesondere beachtet werden, wenn – zum Beispiel aufgrund eines zeitlich begrenzten Zur-Verfügung-Stehens von Kreditlinien – das Erfordernis besteht, die Transaktion innerhalb eines relativ engen zeitlichen Rahmens abzuschließen und umzusetzen.
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Strategisch muss dann aus Unternehmenssicht darauf geachtet werden, Betriebsänderungen i.S.d. § 111 BetrVG (ggf. zunächst) zu vermeiden oder das Verzögerungspotential des zuständigen Betriebsrates jedenfalls möglichst gering zu halten.
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Praxistipp:
Dies fängt an mit einer zielführenden Informationspolitik und endet mit einer effizienten Verhandlungsführung im Rahmen eines ggf. erforderlichen Einigungsstellenverfahrens.
b) Einstweilige Verfügung auf Unterlassung der Umsetzung der geplanten Betriebsänderung bis zum Abschluss der Verhandlungen
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Differenziert werden muss bei der Planung nicht nur in Bezug auf die Informationspolitik und die geplanten Maßnahmen, sondern zusätzlich auch danach, in welchem LAG-Bezirk die Maßnahme vollzogen werden soll. Denn in manchen LAG-Bezirken gewähren die Arbeitsgerichte dem zuständigen Betriebsrat ggf. eine einstweilige Verfügung, die auf eine Unterlassung der Betriebsänderung bis zum Abschluss der Verhandlungen gerichtet ist.[13] Daran können Zeit- und Liquiditätspläne scheitern.
c) Praxisrisiko: Verkannte Betriebsänderung
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Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Betriebsänderungen auch bei beschäftigungsneutralen Umstrukturierungen vorliegen können. Ob und in welchem Umfang im Zusammenhang mit der Umstrukturierungsmaßnahme Entlassungen geplant bzw. erforderlich sind, spielt zwar eine wichtige Rolle – und zwar nicht nur wegen eines etwaigen Sozialplanvolumens. Dass keine Entlassungen geplant sind, darf aber nicht zu der irrigen Annahme verführen, es handele sich nicht um eine Betriebsänderung und dem Betriebsrat stünden daher nicht die vorgenannten Verzögerungsinstrumente zur Verfügung.
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Beispiel:
Auch eine bloße Betriebsspaltung, selbst wenn sie rechtsträgerintern durchgeführt wird und sich letztlich in der bloßen Etablierung separater Leistungsstrukturen in den wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten des BetrVG erschöpft (Einrichtung separater Personalleitungen), ist unter den in § 111 BetrVG geregelten Voraussetzungen als Betriebsänderung zu qualifizieren.
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Dass sozialplanpflichtige Nachteile in ihrem Rahmen typischerweise nicht entstehen, ändert nichts daran, dass ein Interessenausgleich versucht werden muss und dies im Bezirk mancher Landesarbeitsgerichte per einstweiliger Verfügung für den Betriebsrat durchsetzbar ist. Im Übrigen darf im Zusammenhang mit Betriebsänderungen – wie gezeigt (vgl. Rn. 78) – nicht bei der Gefahr einer einstweiligen Verfügung stehengeblieben werden: Die Nichtbeachtung des Mitbestimmungsrechts des zuständigen Betriebsrates nach § 111 BetrVG bewirkt zudem nach § 113 BetrVG für die von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer Nachteilsausgleichsansprüche, sofern sie kausal entsprechende Nachteile herbeiführt.
1. Kapitel Unternehmensumstrukturierungen und ihre Erscheinungsformen › C. Arbeitsrechtliche Maßnahmen › II. Betriebsübergang
1. Bloßer Rechtsträgerwechsel
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Ein Betriebsübergang i.S.d. § 613a BGB ist nach zutreffender h.M.[14] keine Betriebsänderung (und zwar auch dann nicht, wenn er sich umwandlungsrechtlich vollzieht[15]). Daran ändert angesichts des klaren Wortlauts von § 111 BetrVG auch Art. 4 Abs. 2c RL 2002/14/EG nichts.[16] Auch eine analoge Anwendung umwandlungsrechtlicher Beteiligungsvorgaben kommt nicht in Betracht.[17] Einflussnahmemöglichkeiten der Arbeitnehmervertreter bestehen daher nicht in rechtlicher, sondern allein in tatsächlicher Hinsicht (kommunikative Begleitung der vom Arbeitgeber geplanten Übertragung). § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG erfasst auch Betriebsübergänge, sodass eine Information des Wirtschaftsausschusses zu erfolgen hat. Unterschätzt werden darf diese kommunikative (politische) Einflussnahme allerdings unter keinen Umständen.
2. Große Einflussnahmemöglichkeit der Belegschaft
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Im Rahmen von Asset Deals besteht nämlich eine große Einflussnahmemöglichkeit der Arbeitnehmer auf den Umstrukturierungserfolg СКАЧАТЬ