»Sie … sie …«
»… schaaaaauuuuuuuut…«, half Mimi nach. Sie sah ihn gespielt durchdringend an wie ein zweitklassiger Kirmes-Hypnotiseur und wackelte erwartungsvoll mit den Augenbrauen, bis Tom nicht mehr anders konnte als zusammen mit seiner Geisterfreundin den Satz zu vollenden:
»… vooorbeiiiii.«
Mimi klatschte begeistert in die Hände, während sie sich um ihre eigene Achse drehte und jubelte: »Sie schaut vorbei! Richtiiiig!«
Da musste Tom lachen und Mimi stimmte erleichtert in sein Gelächter ein. »Na siehst du, das war doch gar nicht so schwer.« Sie war sichtlich zufrieden mit dem Ergebnis ihrer Bemühungen. Und tatsächlich fühlte sich Tom schon viel besser. Seine Geisterfreundin schaffte es doch immer wieder, ihn mit ihrer fröhlichen Art und dieser ganz speziellen, verqueren Logik aufzumuntern. »Also, das ist auf so viele Arten falsch und ignorant und übergriffig und frech und … alles, dass ich … dass ich dafür gar keine Worte finde.«
»Dafür waren das grade aber ganz schön viele Worte.« Mimi zwinkerte ihm grinsend zu.
»Pfff, wenn ich nicht wieder rumgestammelt hätte, wären es locker drei weniger gewesen«, warf Tom ein und räusperte sich. »In Zukunft wünsche ich mir aber, dass du meine Wünsche respektierst.«
Mimi kicherte. »Das waren ja fast schon zwei Wünsche, jetzt hast du nur noch einen frei.«
»Was?«, fragte Tom irritiert.
»Weltfrieden?«, bot Mimi an. Da musste Tom abermals lachen und Mimi grinste zufrieden. »Keinen Weltfrieden? Na gut. Wie wär’s stattdessen mit einem Kuss?«
»Wiewaswer … einkusswiesowarummmmmpf…«, brabbelte Tom völlig überfordert. Doch schon war Mimi ganz nah an ihn herangeschwebt, hatte sein Gesicht in beide Hände genommen und ihn sanft mitten auf den Mund geküsst. Dann sah sie Tom tief in die Augen. »Ich bin sehr froh, dass dir nicht mehr passiert ist, Tom. Bitte pass in Zukunft besser auf, ja?«,
»Wew. Habm. Fip. Äh.«
Für einen Moment herrschte Totenstille im Zirkuswagen. Hatte er gerade tatsächlich »Wew. Habm. Fip. Äh.« gesagt?
»Wenn das sowas heißen sollte wie ›Okay, ich passe in Zukunft besser auf, liebe Mimi‹ dann bin ich zufrieden!«, lachte Mimi und drehte eine Pirouette in der Luft. »So, und jetzt stell dir mal vor, ich hätt’ mich an deinen Wunsch gehalten und wär’ nicht reingekommen. Da hättest du aber was verpasst!«
»Ja, das stimmt. Trotzdem …«
»Trotzdem Schmotzdem«, unterbrach ihn Mimi fröhlich und schwebte hinüber zu Toms Schreibtisch, auf dem der Computer stand. Mit dem Finger tippte sie gegen den Monitor. »Was stellen wir jetzt an mit dem angebrochenen Abend, vielleicht eine Runde World Of WerWizards?«
Tom hatte sich noch immer nicht wirklich daran gewöhnt, dass das Geistermädchen seit ihrem letzten Abenteuer in der Lage war, für eine begrenzte Zeit feststofflich zu sein. Mimi konnte Dinge anfassen, hochheben, verschieben und äh … küssen. Die Dinge. Oder die Toms.
»Ja, gerne … ich muss nur …« begann Tom gerade als er von Vlarads telepathischer Stimme unterbrochen wurde.
»Raahhh! Treffen in sechzig Sekunden, bis gleich!«, dröhnte der Vampir laut in Toms Kopf und schon war der Kontakt wieder unterbrochen.
»Hui, das war heftig«, stöhnte Tom. »Und dann auch noch telepathisch, boah …«
»Ich hab’s auch gehört, Tom«, unterbrach ihn Mimi und zog die Stirn in Falten. »So ein Ausbruch ist voll untypisch für Vlarad.«
»Allerdings.« Wenn der Vampir derart die Fassung verlor, musste irgendetwas mächtig danebengegangen sein.
Aus der Geisterbahn hörten sie Schritte näherkommen. Schon öffnete sich die Zwischentür und nacheinander betraten die anderen Toms Zirkuswagen. Der Werwolf und die Mumie nickten Tom und Mimi ernst zu, Zombie Wombie tapste wie immer in seine Ecke, blieb dort einfach stehen, rückte aber seinen Kuschelhasen Odor so in seiner Armbeuge zurecht, dass dieser aussah, als würde er in Toms Richtung schauen.
»Hallo, Welf, hallo, Hop-Tep, hallo, Wombie, hallo … Oh Gott … hallo, Odor.«
Kapitel 3: Vanille-Mango-Traum
Tom keuchte erstickt, denn Wombies Kuschelhase hatte den gesamten Zirkuswagen in ein klebrig-süßliches Geruchsinferno verwandelt. »Das ist … das ist … brutal«, röchelte Tom und hielt sich beide Hände vor Mund und Nase, in der Hoffnung, nicht die ganze Ladung einatmen zu müssen.
»Zwei Flaschen Weichspüler Typ ›Vanille-Mango-Traum‹«, knurrte Welf trocken als Erklärung, während er sich gegen den Kleiderschrank neben der Durchgangstür lehnte.
»Wer um Himmels Willen träumt denn von Vanille-Mango?«, näselte Tom fassungslos zwischen den Fingern hindurch.
Welf wies mit dem Zeigefinger auf Tom, allerdings sah er nicht danach aus, als würde er scherzen. »Du heut Nacht, würd’ ich sagen. Den Gestank kriegst du hier kaum mehr raus.«
»GMMMHHH«, machte Wombie beleidigt und Welf verdrehte die Augen Richtung Decke. »Is ja gut, von mir aus nennen wir es ›Duft‹.«
»GHM«, grunzte der Zombie zufrieden, wirkte aber unmittelbar danach genauso teilnahmslos wie immer.
Hop-Tep meldete sich auf telepathischem Wege bei Tom, da er durch seine Bandagen in der Regel kaum zu verstehen war. »Ich freue mich, dich wohlauf zu sehen, junger Prinz.« Er verneigte sich und legte dabei eine Hand auf die Brust.
»Danke, Hop-Tep, ich mich auch, ehrlich gesagt.«
Der ägyptische Prinz richtete sich wieder auf und verschränkte die Arme. »Darf ich davon ausgehen, dass du von den anderen schon mehr als genug getadelt wurdest für dein Fehlverhalten, das, mit Verlaub, an Dämlichkeit und Fahrlässigkeit nur schwer zu übertreffen war?«
Wenn der vornehme Königssohn solche Worte wählte, dann war es ihm wirklich ernst. Tom schluckte schwer. »Ja … Äh …«
In diesem Moment riss Vlarad der Vampir die Tür auf, trat herein und schmetterte sie so heftig hinter sich zu, dass der gesamte Zirkuswagen erzitterte.
»Holla«, brummte Welf und sogar Wombie hatte den Kopf leise knirschend in Richtung des Vampirs gedreht.
Der Graf knurrte nur ungehalten und deutete dann auf den freien Stuhl vor dem Computertisch. »Darf ich?«
»Na klar, setz dich«, beeilte sich Tom zu antworten.
»Verbindlichsten Dank«, antwortete Vlarad knapp, rückte den Stuhl zurecht, setzte sich und funkelte dann aus seinen düsteren Vampiraugen wütend in die Runde.
»Was ist denn los?«, erkundigte sich Tom vorsichtig. »Oder bist du auch sauer auf mich СКАЧАТЬ