»Ich bleib vielleicht hier noch kurz sitzen, ein bbbisschen …«, nuschelte Tom kleinlaut.
»Ja, ist besser so«, brummte Welf. »Ich hab dich auch lieber im Blick und kann hier jetzt erstmal nicht weg, bis alle ausgestiegen sind. Okay für dich?«
»Die beste Zeit meines Lebens, gak«, antwortete Tom.
»Gak?« Welf zog irritiert die Stirn kraus.
»Was? Bib! Wua«, machte Tom, und fühlte, wie sein Gesicht hin- und herzuckte, obwohl er das überhaupt nicht beabsichtigte.
Der Werwolf seufzte. »Okay … ich hab’s gleich. Dann trag ich dich rüber in den Zirkuswagen und du legst dich eine Weile aufs Ohr.«
»Tragen?« Toms Stimme überschlug sich. Wie peinlich wäre das denn bitte?! »Nununu… nur über meine Leiche!«
Welf bedachte ihn mit einem undurchdringlichen Blick. »Nein danke, davon haben wir hier schon genug …«
Kapitel 2: Voll logisch
Tatsächlich hatte Welf darauf bestanden, Tom auf den Armen in den Zirkuswagen zu tragen und ihn erst losgelassen, als sie an seinem Bett angekommen waren. Dort lag Tom nun herum, starrte an die Decke und kam sich aus mehreren Gründen blöd vor. Erstens, weil er so einen saudummen Fehler gemacht hatte, zweitens, weil er ausgerechnet an einem so gut besuchten Tag dafür gesorgt hatte, dass die Geisterbahn wieder einmal still stand und drittens, weil er so einen saudummen Fehler gemacht hatte. Das war zwar der gleiche Grund wie der Erste, aber der war eben nun mal so schwerwiegend, dass er locker die Plätze eins und drei belegte. Das änderte nicht einmal die plötzliche Stimme in seinem Kopf.
»Hallo Tom, hier ist Mimi. Ich spreche auf telepathischem Wege zu dir, um dir vorab anzukündigen, dass ich beabsichtige, in sehr naher Zukunft – also quasi jetzt gleich – durch die westliche Wand deines Zirkuswagens zu schweben. Solltest du damit einverstanden sein, so stöhne einmal genervt auf.«
Tom stöhnte und Mimi verstand: »Vielen Dank und bis gleich.«
Keine Sekunde später schwebte das grünlich schimmernde Geistermädchen durch die Wohnwagenwand und glitt lautlos genau bis vor Toms Bett.
»Und da bin ich«, sagte sie fröhlich und grinste über das ganze Gesicht. »Hallo.«
»Hallo.« Tom hatte sich besonders Mühe gegeben, zu diesem zweisilbigen Wort ein besonders einsilbiges Gesicht zu machen.
Das Lächeln des hübschen Geistermädchens war dafür umso strahlender.
»Warst du diesmal zufrieden mit meiner Vorwarnung?«
»Hmpf …«, grummelte Tom.
Er setzte sich auf und sah dabei aus den Augenwinkeln, wie Mimi beleidigt die Unterlippe vorschob. »Och menno, ich hatte die lange Anmoderation extra auswendig gelernt.«
Tom seufzte erneut. »Mimi, das ist total übertrieben. Ich wollte doch nur, dass du kurz Bescheid sagst, bevor du reinkommst, damit ich nicht halbnackt am Ofen stehe.«
»Willst du lieber ganz nackt am Ofen stehen?« Mimi kicherte.
»Mimiii, du weißt doch, was ich meine …« Tom verzog gequält die Mundwinkel. Dann griff er nach dem Kissen auf seinem Bett, presste es mit beiden Händen gegen sein Gesicht und stöhnte sehr genervt, sehr ausgiebig und sehr laut in selbiges.
Sanft zog Mimi das Kissen zur Seite und bedachte Tom mit einem liebevollen Blick. Dafür hatte sie extra ihre Hand für einen kurzen Moment feststofflich werden lassen.
»Klar weiß ich was du meinst. Aber jetzt erzähl mir lieber, wie es dir geht. Wir haben uns alle große Sorgen gemacht!«
An ihrem Blick sah Tom, dass sie das ernst meinte. Sofort bereute er seinen genervten Tonfall. »Tut mir leid, Mimi. Mir geht’s schon wieder besser. Also bis auf, dass ich … Ich hab aus Versehen Wasser über das Steuerpult gekippt …«
»… und dir einen Stromschlag abgeholt, das weiß ich schon. Warum hast du denn nicht auf Welf gehört, als er dir gesagt hat, dass du das Wasser besser auf den Boden stellst?«
»Ich … ich hab gedacht …«, stammelte Tom, schwieg aber dann. Mimi verschränkte die Arme vor dem Brustkorb und sah ihn mit schräg gelegtem Kopf an. »Du hast gedacht, dass dir sowas schon nicht passieren wird, stimmt’s?«
Tom brummte eine undeutliche Antwort, während er die Bilder an der Zirkuswagenwand betrachtete, nur um Mimi nicht ansehen zu müssen. Das Geistermädchen aber glitt zur Seite und hing nun direkt zwischen Toms Gesicht und den Fotos in der Luft. Die Bilder konnte Tom natürlich noch immer erkennen – nun aber mit einem grünlichen Geisterfilter.
»Du lebst und arbeitest ausschließlich mit Leuten zusammen, die nie gedacht hätten, dass ihnen passiert, was ihnen passiert ist«, erklärte Mimi eindringlich.
»Jaaa, ich weiß doch …«, erwiderte Tom genervt.
»Oh oh«, machte Mimi, runzelte die Stirn und schwebte ein wenig näher an Tom heran. Dann zuckte sie mit den Schultern und erklärte: »Naja, Welf hat uns schon gesagt, dass du lieber erstmal ein bisschen alleine sein willst.«
Tom blieb vor Erstaunen der Mund offenstehen. »Und das hast du zum Anlass genommen …«
»… um bei dir vorbeizuschauen. Genau.«, vervollständigte das Geistermädchen Toms Satz mit einem bestätigenden Nicken.
Tom zog verwirrt die Augenbrauen nach oben. »Weil ich allein sein will?«
»Richtig.«
»Aber das macht doch gar keinen Sinn!«
»Für mich schon.«
»Aber … aber …« Tom versuchte Mimis Logik zu verstehen und scheiterte hörbar kläglich.
Das Geistermädchen lachte und sah Tom mit einer Mischung aus Mitleid und Zuneigung an. »Aber das ist doch ganz einfach: Du freust dich IMMER, wenn ich vorbeischaue, oder?«
»Ja schon, aber …«
»Und wenn du sagst, dass du alleine sein willst – ich also NICHT vorbeischauen soll, dann ist das doch ein ganz klares Zeichen dafür, dass irgendwas ganz und gar nicht in Ordnung ist, richtig?«
»Ja schon, aber …«
Mimi schwebte noch ein Stückchen näher an ihn heran. »Aber-schmaber! Was macht die beste Freundin, wenn beim besten Freund etwas nicht in Ordnung ist, hm?«
Tom stöhnte. Er wusste schließlich längst, worauf Mimi hinauswollte und dass sie Recht hatte, konnte sich aber gerade nicht so recht dazu durchringen, das zuzugeben.
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