Mara und der Feuerbringer. Tommy Krappweis
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Читать онлайн книгу Mara und der Feuerbringer - Tommy Krappweis страница 6

Название: Mara und der Feuerbringer

Автор: Tommy Krappweis

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isbn: 9783964260444

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      »Na, Antworten will er.«

      »Und die kriegt er vom Wiglaf?«

      »Nein, vom Hliðskjálf, bitte schön, wie Hlið die Öffnung und skjálf, was vielleicht Gerüst oder gar Turm bedeutet. Also in etwa der Blick von oben herab – und zwar auf die ganze Welt!«

      Mara hatte schon zu viel Götterzeugs erlebt, um sich nun über einen Thron zu wundern, der einem die ganze Welt zeigte. Dafür war ihr nun auch klar, was Heimdall vorhatte: Er wollte von Odins Thron einen Blick über die Welt werfen, um zu sehen, was passiert war. Oder ob es die Welt noch gibt, dachte sie.

       Hliðskjálf, Odins Sitz …

       Vorsichtig stellt Heimdall Allfaðirs Blick wieder auf, zögert erst voll Demut, setzt sich dann – und schweigt.

      Das Gesicht des alten Gottes sprach Bände. Verwirrung, Bestürzung, Panik, Trauer, Verzweiflung! Mara konnte den Schmerz spüren, den all diese Eindrücke in Heimdall hervorriefen und hätte ihm am liebsten Trost gespendet. Stattdessen sah sie hilflos zu, wie der Wächter sich in Agonie hin und her warf, mit schmerzverzerrter Miene, dabei seine Finger um die Armlehne krallte, bis diese splitterte. Hölzerne Spreißel drangen tief in die Handfläche Heimdalls, aber er ließ nicht los, konnte nicht oder wollte nicht.

      »Oh mein Gott«, flüsterte der Professor und merkte dabei gar nicht, wie passend dieser Ausruf gerade jetzt eigentlich war. »Wenn mich nicht alles täuscht, holt der arme Kerl gerade viele Hundert Jahre Menschheitsgeschichte nach.«

      Mara schluckte den Spruch So was hätte ich mal im Geschichtsunterricht gebraucht ganz bewusst herunter, denn ihr war eigentlich gar nicht nach Witzen zumute. Warum fielen ihr die eigentlich immer nur in den unpassendsten Momenten ein?

      Sie zuckte zusammen, als der morsche Sitz unter Heimdall mit der Lautstärke eines Gewehrschusses brach und der ganze Thron unter ihm zusammensackte. Dazu stürzten die letzten Reste der Treppe ein, und der alte Gott verschwand in einer Wolke aus Holz, Staub und Steinbrocken.

      Was … was ist denn jetzt passiert?, dachte Mara in Richtung des Professors.

      Mir scheint, dass der alte Thron diesem Ansturm an Geschichte und Geschichten nicht gewachsen war, Mara. Schade, denn ehrlich gesagt, hätte ich das auch gerne einmal ausprobiert, antwortete der Professor ihr in Gedanken, näherte sich dann neugierig den Trümmern und versuchte, den Stein zu berühren. Seine Hand glitt hindurch, und er wirkte enttäuscht.

      Mara war fassungslos.

      Wie bitte? Haben Sie denn nicht gesehen, wie der gerade gelitten hat, der Heimdall?

      Oh, das habe ich wohl, und trotzdem denke ich, das wäre es wert gewesen, gab Professor Weissinger zurück und meinte spürbar jedes Wort ganz genau so, wie er es zu ihr hinüberdachte.

      Mara schüttelte nur den Kopf. So viel Wissensdurst war ganz bestimmt nicht gesund.

      Da rührte sich etwas in den Trümmern, und der Professor ging zur Sicherheit doch wieder auf Abstand.

      »Zäher Hund«, murmelte Mara.

      Muss er auch sein, als einziger Wächter vor dem einzigen Eingang zur Festung der Götter, hörte sie den Professor in ihrem Kopf sprechen. Mara nickte. Ja, da stellt man wohl am besten den zähesten Knochen von allen hin.

      Sie war beeindruckt von dem alten Gott, der sich da vor ihr aus den Gesteinsbrocken schälte. Mit dem unnachgiebigen Grimm eines Mannes, der schon Dinge gesehen und erlebt hatte, die er am liebsten vergessen hätte, schob er das Geröll von sich und richtete sich wieder auf. Doch kaum stand er wieder auf seinen lederumwickelten Füßen, als er auch schon zu dem seltsamen Köcher auf dem Rücken fasste und mit geübtem Griff etwas daraus hervorzog.

      »Ich werd verrückt, jetzt auch noch das Gjallarhorn«, rief der Professor und schlug sich sofort die Hände auf die Ohren. Mara überlegte nicht lange und tat es ihm gleich. Er würde schon seine Gründe haben. Doch kaum hatte sie seine Schulter losgelassen, als er auch schon verblasste und verschwand. Wenn sie den Kontakt zu ihm abbrach, sah er nicht mehr, was sie sehen konnte!

      Sofort tat sie das einzig Richtige und machte einen großen Schritt in seine Richtung, ohne die Hände von den Ohren zu nehmen. Kaum berührte ihr Arm wieder den seinen, erschien er wieder und sah sie erleichtert an.

      Sie war trotzdem verwundert, als die Stimme des Professors laut und deutlich in ihrem Kopf ertönte, obwohl sie sich die Ohren zuhielt. »Danke, Mara, es wäre wirklich schade, wenn ich das nicht miterlebt hätte. Wobei mir gerade etwas einfällt …« Dann lachte er und nahm die Hände von den Ohren. »Das bringt nix. Ist ja alles in unseren K…«

      Alle Fasern von Maras Körper wurden nun von dem wahnwitzigsten Geräusch durchgerüttelt, das sie jemals gehört hatte und sicherlich auch jemals hören würde.

      Heimdall stieß in sein Gjallarhorn.

       Kapitel 4

      Eine wahnwitzige Mischung aus Schiffstuten, Drucklufttröte, Schafsblöken und Hilfeschrei schmetterte sich durch die Köpfe von Mara und ihrem Mitstreiter. Es klang so widerlich, als würden vierhundert Schweine durch ebenso viele Vuvuzelas kreischen und dabei so erhaben wie Kirchenglocken.

      Können die nicht einmal einfach nur ein ganz normales Geräusch machen, die Götter?!, schimpfte Mara in sich hinein.

      Das Ohrenzuhalten half überhaupt nichts, denn natürlich konnte man sich innerhalb einer Vision, die nur im Kopf stattfand, nicht die Ohren zuhalten. Nun gut, natürlich konnte man. Es brachte nur nix.

      Mara schlang trotzdem ihre Arme um den Kopf, denn es war nicht auszuschließen, dass dieser von dem Lärm bald platzen würde. Und zwar in fünf, vier, drei …

       Odin erwacht

       Allvaðir! Heimdall eilt zu dem kaum wahrnehmbaren, schemenhaften Umriss des Oberhaupts der alten Götter, will ihn stützen. Aber seine Hände gleiten durch die Gestalt, er kann nicht helfen. Gleichzeitig erscheinen rundherum weitere Schatten, manche etwas klarer, andere nicht mehr als ein Flirren der Luft.

      Der Professor drehte sich um die eigene Achse, deutete hin und her und stieß verzückte Laute aus, die Mara einfach mal als Namen nordisch-germanischer Götter interpretierte.

      »ÓðinnÞórrSunnaUllrForsetiSifHöðrViðarrFriggFreyr … ich kann nicht mehr …«

      Mara registrierte, dass sie nun tatsächlich von alten Göttern eingekreist waren. Also war das vielleicht der geeignete Moment, um hier abzuhauen. Andererseits war sie nun ganz nah an einer Antwort auf viele, viele Fragen, und sie hatte es gründlich satt, weiter dumm durch die Gegend zu stolpern. Also blieb sie einfach stehen, wo sie war und sah zu, was weiter passierte.

      Da kam Heimdall direkt auf sie und den Professor zu, und beide reagierten leider etwas asynchron: Während Mara in Richtung des Professors ausweichen wollte, drängelte der in die entgegengesetzte Richtung, und so blieben sie ein paar wertvolle Sekunden rangelnd in der Mitte wie zwei Schuljungen.

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