Vom Stromkartell zur Energiewende. Peter Becker
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Vom Stromkartell zur Energiewende - Peter Becker страница 35

Название: Vom Stromkartell zur Energiewende

Автор: Peter Becker

Издательство: Bookwire

Жанр:

Серия: ZNER-Schriftenreihe

isbn: 9783800593729

isbn:

СКАЧАТЬ Demarkation (im Unterschied zur horizontalen mit den Konzessionsverträgen). Danach erhielt der vorgelagerte Energielieferant etwa für ein Stadtwerk das Recht zur ausschließlichen Belieferung für 20 Jahre. Eine Konkurrenz zwischen den Strom erzeugenden Konzernen und Gas importierenden Ferngasgesellschaften war damit von vornherein ausgeschlossen. Ein Lieferantenwechsel war also nur alle 20 Jahre möglich. Aber auch der wurde von den Strom- und Gaskonzernen mit allerlei Wohltaten für die Geschäftsführer verhindert. Auf derartige Strukturen machte Papier aufmerksam und entwickelte daraus ein Gebot verfassungskonformer „Grundrechtskonkretisierung“. Unternehmen und Kunden, die den Netzzugang reklamierten, könnten sich auf eine grundrechtlich garantierte Wettbewerbsfreiheit berufen, sei es, dass man sie auf die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 oder auf die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG stützte: Interessant, weil damit die Grundrechte, die in der Auseinandersetzung mit Brüssel für eine Einschränkung des Netzzugangs eingesetzt worden waren, nunmehr für eine Netzöffnung dienstbar gemacht wurden. Das lief auf einen Anspruch gegen den Gesetzgeber auf Regelung eines Netzzugangsanspruchs hinaus.

       4. Der Wettbewerb bei Strom springt an: Die langfristigen Lieferverträge kippen

      Entgegen allen Erwartungen sprang der Wettbewerb auf dem Strommarkt rasch an. Das lag allerdings nicht am Bundeskartellamt. Die „kartellrechtlichen Regeln“, mit denen es das Geflecht der langfristigen Energielieferverträge, das sich über ganz Deutschland zog, hätte aufreißen können, blieben ungenutzt. Das Anspringen des Wettbewerbs hatte vielmehr zwei Auslöser, die eigentlich gar nicht im Interesse der Konzerne lagen:

      Die Loslösung aus den langfristigen Verträgen hätte den Stadtwerken allerdings nichts gebracht, wenn es keine Lieferanten gegeben hätte, die bereit waren, mit besseren Preisen Wettbewerb zu machen. Da passierte etwas völlig Unerwartetes: Zum RWE-Konzern gehört die Tochter Heidelberger Druckmaschinen mit Sitz in Heidelberg, mithin im Netzgebiet des Badenwerkes, das gerade mit der EVS zur Energie Baden-Württemberg (EnBW) fusioniert wurde. RWE verlangte von der EnBW, ihre Tochter unter Inanspruchnahme des EnBW-Netzes selbst zu versorgen. Die Bedeutung dieses Verlangens ging weit über den Wunsch nach Befriedigung des Energiebedarfs im eigenen Konzern hinaus. Denn RWE erklärte damit, dass der Konzern nicht länger gewillt war, das System der geschlossenen Versorgungsgebiete zu achten, das – bezogen auf die Konzernebene – ja zugleich die stillschweigende Abmachung enthielt, dass sich die „großen Schwestern“ keinen Wettbewerb machen würden. Der Vorstoß von RWE war daher sehr, sehr weitreichend – aber EnBW musste sich ihm wegen der Änderung des rechtlichen Rahmens fügen.

      Das geschah freilich nicht ohne Revanche. EnBW machte vielmehr jedem Stadtwerk im bisherigen Versorgungsgebiet von RWE Lieferofferten, das um solche ersuchte. EnBW stellte dafür eigens eine Armada von Stromhändlern ein, die teilweise nicht viel vom Geschäft verstanden, sondern nur vom Auftrag getrieben waren, der EnBW Kunden zu verschaffen, koste es, was es wolle. Das war übrigens keineswegs Frucht einer kurzfristigen Taktik. Vielmehr verfolgte EnBW damit eine grundlegend neue Strategie, nämlich die, das eigene Versorgungsgebiet massiv auszuweiten. Diese Strategie wurde nicht allein in Stuttgart ausgeheckt. Vielmehr stand dahinter ein deutsch-französisches Joint Venture: Das Land Baden-Württemberg hatte nämlich seine 45 %ige Beteiligung an den vormaligen Konzernen EVS und Badenwerk, die nach Fusion an der EnBW bestand, an die Electricité de France (EdF) verkauft. Die EdF, die in Frankreich keinerlei Neigung erkennen ließ, sich dem Wettbewerb zu öffnen, unterstützte als Beteiligungspartner der EnBW die entgegengesetzte Vorgehensweise. EnBW gründete Yello, eine Handelstochter mit Sitz in Köln, deren Aufgabe vor allem die Gewinnung von Haushalts- und kleineren Gewerbekunden war. Dafür wurde eine – nach Ansicht von Branchenexperten unsinnig teure – Werbestrategie aufgelegt. Mit der Formel 19/19 – 19 DM als monatlicher Grundpreis, 19 Pf. als Preis für die Kilowattstunde – wurden attraktive Angebote in den Raum gestellt und in Werbespots vor der Tagesschau aggressiv beworben. Freilich war der Anfang nicht so einfach. Zwar musste der wechselwillige Kunde lediglich eine Postkarte losschicken, mit der er nicht nur erklärte, Strom von Yello beziehen zu wollen, sondern auch die bisherigen Lieferdaten übermittelte und vor allem eine Vollmacht erteilte, den bisherigen Liefervertrag zu kündigen. Aber schon das war ein unübersichtlicher Vorgang, weil die Kunden erst lernen mussten, dass sie mit dem Wechsel des Versorgers keineswegs einen Zusammenbruch der bisherigen Netzverbindung befürchten mussten – und die Angst unbegründet war, dass bei einer Störung im Netz der bisherige Netzbetreiber (und Lieferant) nicht zur Stelle wäre.

      So konnten nicht nur die Stadtwerke Solingen Strom für 3,6 Pf. für die Kilowattstunde beziehen, und zwar in einem längerfristigen Liefervertrag mit Verlängerungsoption. Auch zahlreiche andere Stadtwerke versorgten sich günstig mit EnBW-Strom. EnBW schickte sich auch an, in die Industriekundenklientel СКАЧАТЬ