Vom Stromkartell zur Energiewende. Peter Becker
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Название: Vom Stromkartell zur Energiewende

Автор: Peter Becker

Издательство: Bookwire

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Серия: ZNER-Schriftenreihe

isbn: 9783800593729

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СКАЧАТЬ der Ex post-Kontrolle musste aber jeder Einzelfall aufgegriffen werden. Der Angriff auf die Kalkulationsgrundsätze der Verbändevereinbarung111 scheiterte vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf.112 Das OLG meinte, das Bundeskartellamt sei im Rahmen der Missbrauchsaufsicht nicht befugt, irgendeine Kalkulationsmethode vorzuschreiben. Die Preisfindungsprinzipien der VV II plus seien ein „taugliches und betriebswirtschaftlich vertretbares Konzept zur Preiskalkulation“. Im juristischen Schrifttum wurden daher seit dem Jahre 2001113 die Effekte des verhandelten Netzzugangs kritisch beleuchtet und eine Regulierung gefordert.

       7. Das erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts

      Das war ein folgenschwerer rechtstechnischer Trick: Wenn das Gesetz einem Verfahren die gesetzliche Vermutung der Richtigkeit beimisst, führt das zu einer Beweislastumkehr vor Gericht. Es muss jetzt nicht mehr der Netzbetreiber nachweisen, dass die Kalkulationsgrundsätze der Verbändevereinbarung fachlich in Ordnung sind und die Anwendung dieser Kriterien daher zu angemessenen Netzentgelten führt. Vielmehr musste der Netzzugangsaspirant dartun, warum diese Kalkulationsgrundsätze nicht zu angemessenen Netzentgelten führen, der davon gar nichts verstand: So war beispielsweise sehr strittig, welche Nutzungsdauern einem Anlagegut beizumessen waren. Beispiel: Ein Kabel, das nach seiner technischen Auslegung 50 Jahre nutzbar war, war gleichwohl mit einer Nutzungsdauer von nur 25 Jahren abgeschrieben worden. Solche kurzen Nutzungsdauern waren in vielen Bundesländern üblich, weil die Behörden, die die Aufsicht über die Strompreisbildung führten, die kurzen Abschreibungsfristen als sogenannte steuerliche Abschreibung akzeptiert hatten. Nach 25 Jahren wurde es also mit dem Wert 0 im Anlagenspiegel geführt. Wenn dasselbe Anlagegut nach den Nutzungsdauern der Verbändevereinbarung auf 50 Jahre abgeschrieben wurde, war es plötzlich wieder halb so viel wert, wie es ursprünglich einmal gekostet hatte. Man konnte es der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW) kaum verdenken, wenn sie im Rahmen einer Verbändevereinbarung für die Beibehaltung dieser Wohltaten aus früheren Monopolzeiten stritt. So blieben die Kosten der Stromdurchleitung rechnerisch höher als sie eigentlich sein mussten, und dementsprechend die Netznutzungsentgelte. Wenn der Gesetzgeber nunmehr diese Grundsätze der Verbändevereinbarung damit adelte, dass sie „gute fachliche Praxis“ darstellten, war jahrelanger Streit vor Gericht programmiert: Jahrelang deswegen, weil kein Richter sich mit dieser neuartigen Materie auskannte und deswegen auf Sachverständigengutachten setzen musste, um sich die Kalkulationsgrundsätze und die Berechnung als solche erklären zu lassen. Eine weitere Problematik bestand darin, einen Sachverständigen zu finden, auf den sich beide Parteien einigen konnten; sind doch in der Energiewirtschaft alle Sachverständigen irgendwo wirtschaftsnah. Auch Sachverständige aus Wirtschaftsprüfungsgesellschaften waren keineswegs neutral. Immer spielte eine große Rolle, welche Jahresabschlüsse sie zu prüfen hatten. Da brachte das Internet häufig überraschende Verortungseinsichten.

      Am 14.3.2003 lehnte der Bundesrat die Verrechtlichung der Kalkulationsgrundlagen beim Netzzugang ab und rief den Vermittlungsausschuss an. In der öffentlichen Anhörung im Wirtschaftsausschuss des Bundestags am 13. Mai wandten sich die Mehrheit der Sachverständigen und insbesondere das Bundeskartellamt gegen die Verrechtlichung der Verbändevereinbarungen. Allenfalls könne man die Verbändevereinbarungen „berücksichtigen“. Insbesondere könne eine solche Vermutung nicht dem Kalkulationsleitfaden für Netzentgelte Strom zukommen. Die Verbändevereinbarung Gas sei insgesamt nicht so weit und könne deswegen keinesfalls an der Vermutung teilhaben.

      Aber der Lobby-Einfluss war stärker: Der Bundestag beschloss die Verrechtlichung beider Verbändevereinbarungen mit der Beweislastumkehr. Jedoch wurde unter dem Eindruck des Vermittlungsverfahrens mit Art. 2 § 3 ein Monitoring eingeführt. Danach habe das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit dem Bundestag bis zum 31.8.2003 über die energiewirtschaftlichen und wettbewerblichen Wirkungen der Verbändevereinbarungen zu berichten und ggf. Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten.

      „Insgesamt wird die Missbrauchsaufsicht im Rahmen des allgemeinen Wettbewerbsrechts durch die Rechtsauffassung des Gerichts im Hinblick auf die Folgewirkungen der ‚Verrechtlichung‘ der Verbändevereinbarung geradezu ad absurdum geführt.“

      Das OLG, dessen Entscheidungen wegen seiner Zuständigkeit für das Bundeskartellamt in Bonn die Rechtsprechung stark beeinflusst hatte, hatte ja die Verbändevereinbarung rundherum abgesegnet.

      Damit hatte das OLG freilich nur die vom Gesetzgeber offensichtlich gewollte Reduzierung der gerichtlichen Kontrolldichte praktiziert. Es war daher nur konsequent, wenn die Monopolkommission jetzt eine „Reform des Regulierungsrahmens“ und die vorherige Genehmigung der Netznutzungsentgelte forderte. Beides wurde dann mit dem zweiten Neuregelungsgesetz zum EnWG in Angriff genommen. Dabei musste der Gesetzgeber die Erfahrungen der Regulierung bei Telekom und Post berücksichtigen.

       8. Rechtsschutz