Der Stadtrat in Passau. Alois Huber
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Название: Der Stadtrat in Passau

Автор: Alois Huber

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783748564461

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СКАЧАТЬ Vergnügen? Kleinstädtischer...? Also, Claudia, du hast eine Art, die Dinge ins Lächerliche zu verdrehen, dass ich rasend werden könnte! Ist das nicht wieder Spott und Hohn? Offenbar kannst du gar nicht anders, als meinen so ernsten und verantwortungsvollen Dienst am Wohle unserer Stadt bei jeder Gelegenheit zu ironisieren. Und auch mein Sohn und Erbe hat nicht das geringste Interesse dafür. Soll ich mich darüber freuen?“

      „Du siehst alles zu schwarz, Horst“, entgegnete Claudia einlenkend. „Wenn wir auch nicht Zeuge deines Triumphes über Herrn Kälberer und Genossen sein werden, in Gedanken sind wir bestimmt bei dir. Du wirst uns doch wohl auch alles genau berichten, nicht wahr? Und außerdem können wir’s morgen doch auch haarklein im PNP lesen.“

      Buschinski schnaufte erregt. Aber er wusste, dass er gegen die ruhige Bestimmtheit seiner Frau in dieser Sache nichts erreichen konnte. Sie hatte nun mal ihren Kopf für sich. Zudem drängte die Zeit.

      „Na, schön!“, meinte er schließlich versöhnlich. „Vielleicht würde mich eure Anwesenheit unter den Zuhörern bei der Auseinandersetzung auch nur irritieren. Wünsch mir wenigstens einen großartigen Erfolg, Claudia!“

      „Ja, von ganzem Herzen!“, rief sie lachend. „Und nun geh, lieber Horst! Ich glaube, draußen wartet man schon auf dich.“

      In der Tat, vor der Villa pendelten seit einer Viertelstunde zwei Herren in eifrigem Gespräch auf und ab. Es waren der hochaufgeschossenen, unheimlich dürre Studienrat Dr. Franz Weißnicht, Deutschlehrer an der Passauer Oberschule für Mädchen, und der ebenfalls spindeldürre, aber von einen Kopf kleinere Reiner Hohn, Abteilungsleiter der Keksfabrik Buschinski. Beide gehörten zu den treusten der Freunde Hans Carossas, der Studienrat als Beisitzer und der Abteilungsleiter als Schriftführer.

      Als sie hörten, dass endlich die Tür der Villa Buschinski ihr melodisches Geläut ertönen ließ, schossen sie wie der Blitz an die Gartenpforte. Mit gezogenen Hüten und vielen Verbeugungen begrüßten sie hier den heraustretenden Ratsherrn.

      „Na, meine Herren?“, fragte Horst Buschinski leutselig. „Haben Sie noch letzte Informationen für mich?“

      „Nein, verehrter Herr Buschinski, das nicht“, entgegnet der Studienrat schnell mit seiner stadtbekannten Fistelstimme. „Aber wir hielten es für unsere Pflicht, Sie als Vorstandsmitglied des Vereins der Freunde Hans Carossas zur heutigen Ratssitzung untertänigst zu begleiten. Sie gestatten doch, verehrter Herr Buschinski?“

      Der Ratsherr rückte schmunzelnd an seiner Hornbrille. „Gewiss, gewiss, meine Herren! Es freut mich, dass Sie sich herbemühten. Haben Sie auch dafür gesorgt, dass unsere Gesinnungsfreunde unter der Zuhörerschaft nicht in der Minderheit sind?“

      „Wir werden mindestens eine Zweidrittel–Majorität bilden, verehrter Herr Chef“, versicherte in näselndem Tonfall der tüchtige Reiner Hohn.

      „Erfreulich, meine Herren, erfreulich!“, rief Buschinski und setzte sich in Richtung Rathausplatz in Bewegung.

      Claudia war inzwischen in der Villa hinter die Gardinen eines Fensters der Straßenfront getreten, von wo aus sie die drei urkomischen Männergestalten draußen an der Vorgartenpforte unauffällig beobachten konnte. Das Bild, das sie sah, rührte offenbar an die heiterste Seite ihrer empfindsamen Seele. Sie begann zu kichern. Ihr Kichern wurde schließlich zu klingendem Lachen, als ihr Horst, dick und plump, zwischen den beiden Vorstandsmitgliedern die Allee hinauf davonging.

      Sie sah, dass er sich schon nach wenigen Schritten gewaltig in die Brust warf, während die ihn flankierenden dürren Wichte gleichsam mehr und mehr zu wandelnden Strichen zusammenschrumpften.

      „Oh Gott“, entfuhr es ihr da, „wenn er heute Abend nur nicht platzt!“

      Horst Buschinski hatte kein Auto. Nicht, weil er sich diesen mehr oder weniger kostspieligen Luxus nicht hätte leisten können. Oh, nein, seine Keksfabrik florierte so sehr, dass er zu den geldschwersten Bürgern der Stadt Passau zählte.

      Aber er hatte eine unüberwindliche Scheu davor, seine gewichtige Persönlichkeit einem so unsicheren Verkehrsmittel anzuvertrauen. Zum Chauffieren fehlte ihm das Geschick, die Ruhe und überhaupt alles, was dazu nötig ist. Und als Fahrgast im Fond litt er einfach unter einer ständigen, nervenzermürbenden Furcht vor einem jähen Lebensende. Kurzum, nach einigen Probefahrten, zu denen ihn vor rund zwanzig Jahren seine Frau und ein Autohändler überredet hatten, war er zu dem Entschluss gekommen, dass es für ihn eine Art Schicksalsbestimmung sei, ein für alle Mal auf einen eigenen Wagen zu verzichten.

      Diesem Entschluss war Horst Buschinski treu geblieben. Nur ein Zugeständnis an den Zug der Zeit hatte er sich jüngst hin abgerungen: Als Marvin, sein Sohn, als junger Doktor der Rechtswissenschaft von der Universität München heimkehrte, um nun, geistig und charakterlich wohlfundiert, als Juniorchef in die Leitung seines künftigen Erbes einzutreten, da war ihm in der Freude und den Stolz über den ersten Doktorhut, der je in seiner Sippe errungen worden war, die Zusage entschlüpft: „Dafür kriegst du einen Wagen!“

      So war denn der frischgebackene Doktor und nunmehrige Juniorchef der Keksfabrik Buschinski in den Besitz eines flotten weinroten Cabriolets gekommen. Und in eben diesem Cabriolet juckelte er in derselben Stunde, in der sein Vater zu der bedeutsamen Ratssitzung marschierte, draußen vor den Toren der Stadt wohlgemut durch die sommerabendstille Landschaft. Das heißt, er juckelte nicht mehr planlos umher. Seit gut fünf Minuten fuhr er vielmehr auf einer schmalen Straße, die nach einem einsamen Dorf hinausführte und dabei einen herrlichen Buchenwald durchquerte, nur noch im Schneckentempo.

      Der Grund war eine junge Radfahrerin. Deren Beine waren nämlich so makellos geformt und strahlten einen so bezaubernden Reiz aus, dass es kein junger Mann mit Schönheitssinn fertig gebracht hätte, sich durch einen Druck auf den Gashebel diesen köstlichen Anblick entgehen zu lassen.

      Marvin Buschinski aber hatte sogar einen ausgeprägten Schönheitssinn. Außerdem war er im Gegensatz zu seinen cholerischen Herrn Papa immer in jener herzgewinnend frischer Laune, die der gesunden Jugend zusteht und die jederzeit zu einem munteren Jux bereit ist.

      Als Marvin die Radlerin überholen wollte und hinter ihr so nahe heran war, dass ihm die klassischen Formen ihrer Beine ins Auge stachen, hatte er jedenfalls sofort die Geschwindigkeit gedrosselt und sich sozusagen an das Katzenauge ihres Fahrrades geheftet.

      Seitdem fuhr er also im Schneckentempo und genoss mit strahlenden Blicken die nylonbestrumpften Beinchen der jungen Unbekannten, die sich ihm im rhythmischen Strampeln immerhin bis über die wunderbar gerundeten Knie darboten.

      Doch er genoss noch mehr: er genoss auch die sportlich ranke Figur der Radlerin, die in einem hübschen Sommerkleid steckte, ihre goldblonden Locken, die dauergewellt und sichtlich wohlgepflegt bis auf die Schultern herabhingen, und nun auch das überaus anmutige Profil ihres Gesichts, das sie immer öfter sehen ließ.

      Die Radlerin hielt sich, seit er, im Begriff zu überholen, ein kurzes Hupensignal ertönen ließ, hart am rechten Straßenrand. Da sie aber vergeblich darauf wartete, dass sie wieder frei weg auf der Straßenmitte fahren konnte, wurde sie augenscheinlich nervös und ungehalten.

      Marvin sah, dass sie ihm ärgerlich Zeichen machte, doch endlich vorbeizufahren. Aber das reizte ihn nur noch mehr, seine genießerische Position vorläufig beizubehalten. Spitzbübisch feixend saß er also in seinem offenen Wagen hinter dem Steuer, achtete behutsam darauf, dass er ihr dicht auf den Fersen blieb, und dachte im Übrigen: Wenn sie abspringen sollte, um mich vorbeizulassen, stoppe ich. Mit diesem hübschen Käfer muss ich unbedingt bekannt werden!

      Nun sie СКАЧАТЬ