Der Eindringling. Hermann Christen
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Название: Der Eindringling

Автор: Hermann Christen

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783742750112

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СКАЧАТЬ Er sah die vielen Tiere. Allen voran ein prächtiger Hirsch, in dessen Geweih eine alte Eule hockte.

      Er hatte Erfahrungen mit Eulen. Auf seiner Wanderung war er vielen begegnet. Er mochte diese Wichtigtuer nicht, die sich als weiß-Gott-wie-gescheit verkauften.

      Der Kerl auf dem Geweih war jedoch anders. Der Bär sah, wie er den linken Flügel hob und der Lärm sofort verstummte sofort.

      'Das ist der Anführer des Aufruhrs', überlegte er.

      Er beobachtete wie die Eule dem Hirsch etwas zuflüsterte. Dieser schüttelte den Kopf. Die Eule hob ab und landete vor dem Bären. Dieser meinte noch so etwas wie "… geweihtragender Feigling" zu hören.

      Die Eule vor ihm auf dem Boden blickte ihn keck und entschlossen an.

      "Was willst du hier?", forderte sie den Bären heraus.

      "Verstehst du mich nicht? Was willst du hier!"

      Der Bär bewunderte die Frechheit der Eule. Ein Prankenhieb und das Vögelchen taugte höchstens noch als Füllung für eine Duvetjacke. Ihre Dreistigkeit schüchterte ihn ein.

      "Sag - schon: was - willst - du - hier?"

      Die Eule betonte jedes Wort, als habe sie etwas Begriffsstutziges, geistig Behindertes vor sich. Sie hob wieder den rechten Flügel und die Tiere stimmten ihr Gebrüll und Gekreische wieder an. Der Bär presste sich noch dichter an die Wurzel. Was wollten die von ihm? Er war nur auf Durchreise und hatte etwas innere Unruhe abgebaut!

      Die Eule flog zurück, tauschte ein paar Worte mit einer Häsin, die einen schweren Beutel um die Schulter geschlungen trug, und einem Eichhörnchen. Häsin und Eichhörnchen stützten etwas, das aussah wie eine Rolle Klopapier. Wollten sie, dass er hier sein Geschäft erledigte? Seltsame Sitten – vielleicht eine Art abstruser Religion, die sie hier praktizierten…

      Der Lärm verstummte und die Eule kam zurück.

      "Schau dir an, was du angestellt hast", rief sie vorwurfsvoll und deutete auf die Klorollengruppe.

      "Du hast Herrn Specht beinahe umgebracht."

      Der Bär erkannte einen Schnabel, der aus der Klorolle ragte. Er kapierte, dass die Klorolle ein einbandagierter Vogel war.

      "Was, wie…", brummte er verwirrt.

      "Dein Werk", tadelte die Eule und wagte es, noch näher zu kommen, "du hast Herrn Specht schwer verletzt. Saß auf einem der Bäume da. Was soll das? Sag schon!"

      Die Eule blickte ihn kämpferisch an. Er bedauerte, den Specht verletzt zu haben.

      "schuldigung…", murmelte er.

      Die Eule deutete dem Hasen und dem Eichhörnchen, dass sie den Specht wieder zurückbringen sollten.

      "Zum letzten Mal: was willst du hier – wir brauchen dich nicht."

      Bevor der Bär eine Antwort geben konnte, brauste das Gebrüll wieder auf. Der Bär kauerte sich zusammen, legte seinen starken Arm schützend über sein Gesicht und drückte einen schäbigen Rucksack an sich. Er hatte Angst! Zufrieden erkannte Merlin, dass sein Plan funktionierte. Die Bestie wirkte nicht mehr Furcht erregend, sondern kauerte ängstlich zitternd an einen umgestürzten Baum gepresst. Jetzt glich sie einem alten, weg geworfenen, vergessenen Fellmantel – Größe XXL.

      "Wir wollen, dass du hier verschwindest!", rief Merlin selbstsicher, "wir brauchen niemanden, der Bäume platt macht."

      Die Ohren des Bären zuckten unregelmäßig. Über seinen Arm hinweg blickte er eingeschüchtert auf die Phalanx der Tiere.

      Was wollten die? Warum konnten sie ihn nicht in Ruhe lassen? Vor einer Stunde war alles noch in bester Ordnung gewesen! Dann überfiel ihn einer seiner Wutanfälle, die ihm schon oft Ärger eingebrockt hatten. Die Erinnerung, was während dieser Zeit passierte, war bruchstückhaft. Wenn er tobte erlebte er sich selber wie durch einen Schleier. Er wusste nicht woher die Wut kam und wohin sie verschwand. Er wusste nur, dass sie irgendwo tief in ihm steckte. Sie war sein unheimlicher, verhasster Begleiter, eine Klette, die sich nicht abschütteln ließ – ein Quälgeist im eigenen Kopf. In Momenten, wo er darüber nachdenken mochte kam er zum Schluss, dass sie ihm schadete. Dann drängte sie sich mit schmeichelnder Flüsterstimme in seinen Kopf.

      'Ich mache dich stark, ich zeige, dass du lebst', raunte sie verschwörerisch, 'du brauchst mich – ohne mich wärst du ein Nichts, nur ein Bär wie andere auch. Einer unter vielen. ICH mach dich zu etwas Besonderem…'

      Er ließ sich meistens von der Stimme einlullen und seine Gedanken verblassten – wie Nebelfetzen, wenn die Sonne rauskommt. Nach den Wutanfällen war er erschöpft und brauchte Ruhe. Er wünschte, die da drüben würden verschwinden, damit er sich selber vom Acker machen konnte. Er plante nicht, hier zu bleiben…

      Er sah die Bäume, die er platt gemacht hatte. Sah, wie ihr Laub einen grünen Teppich auf dem Waldboden bildete, der sich unter den Hufen und Pfoten der Waldtiere in eine unappetitliche, grünlich-braune Masse verwandelte - den herausgewürgten Graskugeln der Katzen, wenn sie den Magen von den Haaren befreiten, nicht unähnlich. Kein Wunder waren sie sauer auf ihn.

      'Warum gehen?', dachte er erschöpft, 'warum weiterziehen? Nur um sich ein paar Kilometer weiter oder ein paar Tage später andernorts in der gleichen Lage wieder zu finden?'

      Er schloss die Augen. Eine trübe Traurigkeit übermannte ihn und er wollte nur noch schlafen. Schlafen und vergessen. Schlafen, aufwachen und erkennen, dass alles wieder gut war. Schlafen und hoffen, dass es seiner Wut zu langweilig wurde und sie sich ein anderes Opfer suchte.

      Er zog die Beine an den Körper.

      Er war doch nur auf der Suche nach Freunden und einem Platz, wo er bleiben konnte. Auf seiner langen Reise hatte er diesen Ort, dieses Zuhause, noch nicht finden können.

      Gab es ein solches Zuhause für ihn? Wo war es? Wie sieht es aus? Ein Wald wie dieser? Ein Paradies, wo Honig statt Wasser in den Bächen floss? Der Bär träumte oft mit offenen Augen in den Himmel blickend von diesem Zuhause. Es würde sich gut anfühlen, glücklich zu sein. Es würde sich gut anfühlen, zu erwachen und die orange glühende Morgensonne mit einem Lächeln zu begrüßen. Es würde sich gut anfühlen, gleich um die Ecke Freunde zu haben und mit ihnen zu schwatzen. Freunde, auf die man sich verlassen konnte. Freunde, mit denen man über das schlechte Wetter und Magenschmerzen reden konnte. Das war sein Traum.

      Immer noch über seinen Arm blickend sah er die Eule und die anderen Tiere. Gespannt, ängstlich und neugierig zugleich, beobachteten alle schweigend die Eule und den Bären.

      'Das könnten doch meine Freunde sein', schoss ein trotziger Gedanke durch den Kopf, 'die haben jetzt nur Angst, weil ich ein bisschen aufgeräumt habe. Aber ich kann ihnen zeigen, dass ich kein schlechter Kerl bin.' War das möglich? Würden sie ihm glauben, wenn er versprach, den Wald nicht mehr zu ramponieren. Würden sie ihm glauben, dass er im Grunde genommen ein lieber Kerl war – ein Kuschelteddy im Großformat? Einer, der nur Freunde und ein Zuhause suchte?

      'Vergiss es', drängte sich die Stimme der Wut in die Gedanken, 'niemand ist so blöd, dich freiwillig in der Nähe zu haben – du bist gefährlich.'

      'Bin ich nicht!', dachte er.

      'Du bist schuld!', klagte eine andere Stimme im Kopf die Wut an. Es war die Stimme, die ihn oft tröstete und gut СКАЧАТЬ