Der Eindringling. Hermann Christen
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Название: Der Eindringling

Автор: Hermann Christen

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783742750112

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СКАЧАТЬ er bei einem seiner Streifzüge, den menschenkundlichen Feldstudien, wie er das nannte, mitbekommen hatte. Das war, als der Zahnarzt im Ort einen gesunden statt den kranken Backenzahn zog. Später hörte er zufällig, dass der Zahnarzt darauf spezialisiert sei, gesunde Zähne zu ziehen. Man munkelte, dass er eine unheimliche, nicht durchschaubare Vergangenheit habe. Es ging das Gerücht er sei Verhörspezialist beim Geheimdienst gewesen. So geriet jedes Mal unter Verdacht wenn Haustiere verschwanden. Dann unterstellte man ihm, dass er an diesen Objekten übe, um die mühsam erworbenen Fertigkeiten als Folterknecht zu bewahren. Rudolf wusste es besser: die Haustiere verschwanden, weil die Fleischfresser sich am Überangebot von Katzen, Ratten und Freiland-Hühnern bedienten. Selbst die Vegetarier im Wald wussten das und veranstalteten jeden Vollmond eine Prozession zum Gedenken an diese 'Märtyrer des Heiligen Paktes'. Rudolf schüttelte den Kopf. Es war schwierig zu entscheiden, wer nun verrückter war: Vegetarier oder Menschen. Er kannte beide Spezies bestens. Auf seinen Expeditionen bekam Rudolf eine ganze Menge von dem mit, was im Dorf so vor sich ging. Menschen glaubten offenbar, dass man in der Nacht nicht nur nichts sah, sondern auch nichts hörte. Es war leicht Dinge in Erfahrung zu bringen, mit denen jeder durchschnittlich begabte Erpresser ein Vermögen gemacht hätte.

      Er legte sich wieder hin.

      'Menschen sind seltsamer', entschied er. Die Tiere konnten froh sein, dass die Menschen schon vor langer Zeit die Wildnis verlassen hatten und ihre eigenen Höhlen draußen auf dem Land bauten.

      Dafür brachten sie ihre Abfälle in den Wald zurück und vergruben sie dort. Den tieferen, eventuell religiösen Sinn dieses Tuns vermochte Rudolf bis heute nicht ergründen. Das blieb ein offener Punkt auf seiner to-do-Liste. Menschen - er hatte während seiner Studien eine Menge von ihren seltsamen und absurden Denkmustern mitbekommen.

      Er starrte wieder in den Regen.

      "Sind sicher Menschen, die mit ihren Maschinen rum albern", murmelte er.

      Er hatte das Geräusch, das ihn aufgeschreckt hatte, bereits vergessen und stellte im Halbschlaf enttäuscht fest, dass Tschoban wieder alles verlernt hatte, als es ihn erneut aufscheuchte. Lauter und bedrohlicher! Es war ohnehin Zeit die Blase zu leeren und Rudolf beschloss, das Notwendige mit der Neugier zu kombinieren.

      "Nass werde ich ohnehin", murmelte er.

      Er steuerte in die Richtung aus der er das Geräusch kam und schnupperte. Keine Menschen, denn Maschinen rochen anders!

      Er erleichterte sich und stapfte weiter. Jetzt hörte er einen dumpfen Schlag, ein unterdrücktes Stöhnen, ein Krachen und dann den Lärm eines fallenden Baumes.

      Warum fielen Bäume, wenn weder Mensch noch Sturm am Werk war? Es ging etwas vor im Wald! Etwas, was er nicht kannte…

      Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen und schlich zur Quelle des Lärms. Erschreckt blieb er vor drei Bäumen stehen, die übereinander am Boden lagen. Er sprang in Deckung und versuchte zu erkennen, was diese Bäume so zugerichtet hatte. Das Geräusch war jetzt einer spannungsgeladenen Stille gewichen, die noch unheimlicher war. Es war, als ob der Himmel den Atem anhielt. Das einzige was Rudolf hörte, war sein rasend schneller Pulsschlag.

      Geduckt tastete er sich weiter vor. Seitlich von ihm, den Abhang hinunter, stöhnte etwas. Ängstlich und vorsichtig hob er seinen Kopf. Ein braunes Irgendetwas, riesig und offensichtlich in übler Laune stemmte sich gegen einen Baum, prügelte auf den Stamm, rüttelte daran und drückte ihn ächzend zur Seite. Der Baum knirschte protestierend, aber das Irgendetwas ließ nicht locker. Schließlich splitterte das Holz. Der Baum fiel und krachte dicht neben Rudolf hart auf dem Boden auf. Er sprang zur Seite. Aus den Blättern des Baumes rollte ein bunt schimmerndes Paket direkt vor seine Pfoten. Rudolf erkannte Herrn Specht, der in diesem Baum offenbar Schutz vor dem Regen gesucht hatte. Rudolf stupste ihn mit der Pfote an. Das schnelle Heben und Senken des Brustkorbes zeigte, dass der Specht noch lebte. Einige Sekundenbruchteile lang war Rudolf unschlüssig, ob er sich diesen kleinen Snack gönnen oder sich an den Vertrag halten sollte.

      'Charakter ist, wenn niemand hinsieht', murmelte er resigniert und nahm den Specht vorsichtig in sein Maul und eilte zu Merlin.

      Merlin, die Eule, galt als der klügste Kopf im Wald. Eulen gelten überall als klug. Wahrscheinlich deshalb, weil sie nichts sagen, wenn sie nichts zu sagen haben. Eigentlich sagen Eulen selten etwas. Dabei reden sie sich geschickt damit heraus, dass sie nachts unterwegs seien und tagsüber, wenn alle anderen wach sind, schlafen sollten. Werden sie während des Tages angesprochen, plustern sie sich verärgert auf, murmeln gereizt von Melatoninüberschuss, blinzeln kurzsichtig und warten, bis dem Fragesteller die Antwort selbst einfällt. Es war dieses überleg-doch-selber-Blinzeln, welches die Fragesteller genug einschüchterte und ihnen die Lösung zufliegen ließ. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden dann freudetrunken den Eulen zugeschrieben. In Wahrheit blinzeln Eulen nur, weil das Licht blendete und sie tagsüber blind sind wie Maulwürfe bei Neumond. Aber Eulen sind zumindest klug genug, die gute Meinung über sie nicht zu korrigieren.

      Merlin litt an Schlafstörungen und fand den erholsamen Tagschlaf nicht. Er war auch tagsüber ansprechbar – wenn er Lust dazu hatte.

      In der Waldschule unterrichtete er Sprache, Naturkunde und Geschichte. Geschichte interessierte ihn: war er doch als junges Küken dabei gewesen, als der Vertrag in Kraft gesetzt wurde.

      Rudolf erreichte Merlins Baum. Vorsichtig legte er den Specht ab, der wenigstens wieder stöhnte.

      'Geht ihm schon viel besser', dachte er erleichtert und griff den Ruf-Stock. Wenn es unten klopfte, wusste Merlin, dass wer was von ihm wollte.

      Beim dritten Klopfen zeigte gereiztes Schuhuen, dass Merlin ansprechbar war – oder zumindest wach.

      Sein gefiederter Kopf erschien im Astloch und blinzelte verärgert.

      "Was'ss?"

      "Etwas Riesiges, Komisches im Wald", japste Rudolf.

      "Riesiges? Komisches?"

      Merlin gähnte.

      "Genau!"

      Merlin schüttelte den Schlaf aus seinen Gliedern.

      "Und es killt Bäume und jagt Spechte", Rudolf tänzelte vor Aufregung hin und her.

      "Killt Bäume und Spechte?", wiederholte Merlin gelangweilt.

      "Genau!"

      Rudolf wies auf das bunte Bündel neben sich. Merlin hatte es vorher nicht beachtet. Er kannte Rudolfs seltsame Art, Müll zu sammeln und im Unterricht zu verwenden. Rudolf behauptete, es handle sich hierbei um Beweise und Anschauungsmaterial, wie übel die Menschen mit dem Wald umgingen.

      Merlin schaute genauer hin und erkannte, dass das bunte Bündel Herr Specht war. In diesem Zustand befand sich Herr Specht sonst nur im Herbst. Herr Specht liebte gärendes Fallobst. Nach dem Genuss desselben sang er wie eine Nachtigall, verlor jedoch die Zielsicherheit beim Fliegen. Oft knallte er dann in Bäume, trudelte zur Erde und blieb bewusstlos liegen. Herr Specht behauptete jeweils, dass die Bäume ihm völlig unerwartet vor den Schnabel gesprungen seien – aber außer den Jüngsten im Wald und Buran nahm ihm das niemand ab. Zum Glück sind Spechte hart im Nehmen.

      Merlin wusste, dass gärendes Fallobst diesmal nicht der Grund für den Zustand von Herrn Specht sein konnte – es war Sommer. Er breitete die Flügel aus und schwebte zu Rudolf hinab.

      Interessiert umkreiste er den Specht.

      "KO!", meinte СКАЧАТЬ