Название: Trink aus! Den bitteren Kelch
Автор: Michel Tapión
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783750214378
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Tante Hanni
Der Buschauffeur kennt den unaussprechlichen Ort, der ihm genannt wird. Mit etwas Unbehagen begibt sich Karin mit ihrer Tochter Dorli, wie sie sie nennt, auf die Reise zu ihrer Tante Hanni. Sie hofft abgeholt zu werden und gleichzeitig ängstigt sie sich vor der Begegnung mit Hanni und ihrer Familie. Die Busfahrt ist unbequem und schüttelt die beiden, doch Dorli scheint das nicht zu stören. Karin hat sich über die Dauer der Busfahrt nicht erkundigt und ist nach dreistündiger Fahrt in voller Erwartung ihre neue Bleibe kennen zu lernen. Als der Bus dann doch hält, steht ein Bub von etwa zehn Jahren an der Haltestelle und erwartet sie bereits. Die Begrüßungen sind rasch ausgetauscht und Karin folgt ihm zu einem Einfamilienhaus ganz in der Nähe. Hanni ist mit Küchenarbeit beschäftigt, als Karin mit Dorli im Arm eintritt, zur Begrüßung hört sie Hanni sagen „Do seids jo, es Gfris umassist“, was soviel bedeuten sollte wie
„Da seid ihr ja, ihr überflüssigen Gesichter.“ Dieser Satz war prägend für den gesamten Aufenthalt in diesem Haus. Als bald wurden Karin Aufgaben zugewiesen. Diese waren Gänsehüten, Holzarbeiten und Beerenpflücken. Auf die Reihe der Ausführung kam es nicht an. Sollte eines davon nicht zur Zufriedenheit für Tante Hanni erfüllt werden, gab es eine Mahlzeit weniger am Tag. Das bedeutet Hunger, weil die Mahlzeiten für das überflüssige ‚Gfris‘ unter normalen Umständen bereits sehr karg bemessen sind. Üblicherweise begann der Tag nach Bettenbau und Morgentoilette mit einem Brei aus Heidenmehl, das war Buchweizenmehl, mit Wasser und dazu Feigenkaffee. Danach hatte Karin zwar Appetit auf etwas Süßes, aber es gab nichts Derartiges. Der Brei war alles andere als schmackhaft, er war zum Kotzen, wie sie feststellte. Das kam auch Tante Hanni zu Ohren und von nun an gab es für sie bis auf Weiteres nur noch eine Schale Kaffee ohne Brei. Danach ging es jeden Tag zuerst zum Holzhacken, in der Mitte des kleinen Hofes befand sich der Hackstock und aus einer Nische nahm Karin die Scheite. Etwas unbeholfen nahm sie die große Hacke, die im Hackstock steckte und versuchte die Scheite zu zerteilen. Sie wusste, dass ihr dabei kein Missgeschick zustoßen dürfe, denn ihr würde nicht geholfen werden. Das nächste Krankenhaus war erst in einer Stunde erreichbar und bis dahin könnte sie verblutet sein. So gab sie sich redlich Mühe, um gut voranzukommen und trotzdem war sie vorsichtig, um sich nicht zu verletzen. Ihr blieb aufgrund der abgebrochenen Schulausbildung keine andere Wahl, wenn sie nicht ohne Brot und Bett dastehen wollte, mit Dorli am Arm, als Bettlerin durch das Land zu ziehen, musste sie diesen Gulag mitmachen. Doch dann kam ihr eine glänzende Idee. Sie wunderte sich selbst, warum sie nicht schon früher daran gedacht hatte. Aber so war sie. Sie dachte kaum an sich, immer nur daran, wie es den anderen mit ihren Handlungen geht. Das hat ihr die Mutter anerzogen und während ihrer Kindheit hat sich diese Einstellung entwickelt. Ihre Mutter schlug sie kaum, sie bekam selten eine Ohrfeige, aber ihre kreischende Stimme bewirkte in ihr einen Schmerz, den sie in den Knochen spürte, so als ob er ihre Gebeine zersägte. Waldemar war wenig erfreut, dass er sich mit Karin treffen sollte, schließlich gab es in diesem unaussprechlichen Ort kein Kurbad und die Attraktivität Karins war durch Dorli noch tiefer in den Keller gerückt. Dann kam aber doch ein Wiedersehen zustande. Sie trafen sich auf weiter Flur, etwas unromantisch, so wie diese Beziehung war, abseits der Landstraße in einiger Entfernung von Hannis Haus. Die Gänse schnatterten um ihn und es brauchte etwas Geduld sie zu beruhigen. Um sie herum war Wiese und Karin hatte keine Schuhe an. Als Waldemar sie danach fragte, begründete sie es damit, nur ein Paar zu besitzen und das wolle sie nicht mit Gänsekot beschmutzen und außerdem sei der Boden schon etwas kühl und der Gänsekot wärme sie ein wenig. Sie bringt das Thema auf ihr Anliegen, warum sie Waldemar gebeten hatte, in diese Gegend nahe diesem unaussprechlichen Ort zu kommen. Ob es ihm denn so schwer falle sie zu ehelichen und für sie und Dorli zu sorgen. Sie würde in der Stadt eine Arbeit annehmen, vielleicht als Bedienerin. Würde etwas zum Leben beisteuern wollen, damit er es nicht allein tragen müsse. Waldemar, sichtlich beschämt, fragt sie ganz unvermittelt danach, wieviel Zeit sie für die Abreise benötige. Nach kurzer Überlegung sagt sie, sie müsse noch die Gänse und Dorli versorgen. „Treffen wir uns beim Gasthof am Kirchplatz, so etwa in einer Stunde.“ Es war das zweite Glas Bier, das Waldemar gerade bestellte, als Karin zu ihm trat. Der Kellner warf ihr einen fragenden Blick zu während sie sich neben Waldemar setzte, ohne ein Getränk zu bestellen. Waldemar goss das Bier in einem Zug in sich hinein, stand auf, rief den Kellner, um zu bezahlen und die drei verließen in Windeseile die Gaststätte.
Hochzeit
Karin spielt mit Waldemar zwischen den Wäschestangen des großen Hofes Fußball. Dorli läuft lachend dem Ball nach. Die Szene strahlt Harmonie aus und Karin plant in Gedanken, wie es wäre, außer dem Bedienen der wohlhabenden Beamtenfamilie eine Arbeit in der Fabrik zu beginnen. Gerade jetzt stünden die Chancen günstig aufgenommen zu werden. Waldemar würde nichts dagegen haben, wenn sie eine Arbeit als Helferin annähme und ein paar Stunden die Woche im ersten Stock des Mehrparteienhauses die Wäsche und die gröberen Arbeiten eines Beamtenhaushalts erledigte. Die Vorbereitungen zur Hochzeit nahmen Gestalt an. Das gemeinsam genutzte Zimmer, bis jetzt lebten die beiden im Konkubinat, wurde von Karin auf Hochglanz gebracht. Die Spuren der vergangenen Tage, als noch das Preferencen das Zimmer beherrschte, waren beseitigt. Statt der schönen Wolldecke, auf der Karten und Spielkapital die Besitzer wechselten, wurde ein Tischtuch aus Damast aufgezogen. Die Aschenbecher wurden entleert und geputzt in den Küchenschrank gestellt. Die leeren Bierflaschen waren dem Greißler zurückgegeben worden. Die Betten wurden frisch überzogen und die Vorhänge gewaschen. Eine sogenannte „Fassung“ vom Greißler im jagdgrünen Rucksack nach Hause getragen, überlegt, ob schon alles für die Hochzeitstafel zuhause wäre oder ob noch etwas vergessen wurde. Karin hatte die vergangene Woche saubere Arbeit geleistet. Eine Kiste Bier und selbstverständlich zwei Flaschen Sekt leistete sich Waldemar für jene Feier, der er eigentlich gar nie beiwohnen wollte. Dafür freute sich die Kartenrunde umso mehr. Nach der sehr schlichten Zeremonie mit Ringübergabe, Kuss und Unterschrift der Brautleute, sowie der beiden Beistände, die der Kartenrunde angehörten, trat die Gruppe den Nachhauseweg an. Während der Zeremonie ging ein Starkregen mit Hagel nieder. Die Hochzeitsgesellschaft, die eher den Eindruck erweckte, mit der gestohlenen Braut unterwegs zu sein, wartete das Ende ab und ging danach durch die von Hagel gesäumten Straßen nach Hause. Der Hagel kam nicht ungelegen, Waldemar stellte darin die zwei Sektflaschen kalt, dann ging es zum Buffet. Karin zauberte schmackhafte Köstlichkeiten aus dem Einkauf. Die Kartenrunde freute sich schon auf das Bier nach dem Hochzeitsschmaus, doch zuerst stießen sie mit Sekt an und ließen das Brautpaar hochleben. Als die Kiste Bier leergetrunken war, schleppten die Beistände eine weitere Kiste als Überraschung herbei, die auch bald zur Neige ging. Waldemar verspielte an diesem Tag ein kleines Vermögen und eigentlich müsste Karin gar nicht Bedienen gehen, wenn nicht so viel Bier und verlorene Spiele tonangebend wären. Der erste Tag begann mit freundlichem Wetter, die Sonne setzte sich meistens durch und die Wolken, die der Wind vom Vortag übriggelassen hatte, waren bald verweht. Karin war als Erste aus dem Bett und gerade dabei, Kathreiner Kaffee zu kochen, ein Malzkaffee, der bekömmlich und gutschmeckend war. Bohnenkaffee war sündhaft teuer. Die leeren Bierflaschen, die Aschenbecher und die Unordnung vom Vortag beseitigte sie, während der Kaffee kochte. Waldemar wurde vom Duft des Kaffees und der Küchengeräusche angelockt und begab sich steif und schwerfällig aus dem Bett. Als Frühstück konnten noch Köstlichkeiten vom Vortag verzehrt werden. Der Sekt war allerdings bereits ausgetrunken und somit konnte man auch das Frühstück nicht als Sektfrühstück im klassischen Sinne bezeichnen. Waldemar wäre Bier auch lieber gewesen, als der Kathreiner. Zu blöd, dass er nicht zwei Flaschen weggelegt hatte und heute war Sonntag, aber er würde einfach Karin schicken, damit sie ein paar Flaschen aus dem Wirtshaus holte. Es ist zwar ein kleiner Fußmarsch nötig, doch Karin tut die Morgengymnastik bestimmt gut.
Dorli
Dorli entwickelt sich prächtig und sie liebt ihre Gänseschar. СКАЧАТЬ