Название: Die Nacht der Schuld
Автор: Maxi Hill
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783748565277
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Eines erweckt Holgers Interesse. Ein Briefumschlag steckt mit einer Ecke unter dem Aktendulli. Renée hat ihn noch nicht abgeschickt, auch trägt er keine Briefmarke. Er ist nur mit ihrer Handschrift versehen: Mein Schatz.
Holger versagen die Knie. Sein Herz schlägt plötzlich wie nie mehr zuvor, als er noch ebenso verliebt war, wie er inzwischen von Zweifeln zerfressen ist. Mit zitternden Fingern öffnet er die Lasche. Zugeklebt ist der Brief gottlob auch nicht…
Renée schreibt seit langem kaum noch mit der Hand. Auch sie schwimmt in der Flut der Unsitten und benutzt für ihre Korrespondenz den Computer.
Das Papier ist leicht getönt — nicht rosa oder blau, eher gelblich. Chamois würde Renée es nennen, sofern er sich an ihre Begriffe überhaupt noch erinnert. Manchmal hatte sie eine Art, mit den Dingen umzugehen, die an Pedanterie oder an Haarspalterei erinnerten. Dafür hatte er weder Zeit noch Muße…
Zweimal gefaltet verbirgt das Papier viele Worte an einen Schatz, der ihr viel bedeuten muss.
Bevor dieser Gedanke von Holger Bach endlich Besitz ergreift, tragen ihn seine Beine fast willenlos zum Sessel, wo die zitternde Hand zu entfalten gewillt ist, was er sich nie hätte ausmalen können.
Mein liebster Schatz
Verzeih mir, ich kann mal wieder nicht mit Dir reden. Wir beide wissen, dass reden bei uns zu nichts Gutem führt…
Du hast mir sehr weh getan. Wie kannst Du nur denken, ich habe Dich betrogen. Ich habe einen alten Kollegen wiedergetroffen – vor ein paar Wochen schon. Er war lange nicht in der Stadt, weil es etwas gab, was ich Dir nicht erzählt habe. Dieses Etwas war für uns beide nicht wichtig und Du wirst es vermutlich auch nicht billigen.
Als junge Kollegen teilten Marc und ich unsere Freude über die Arbeit ebenso wie unseren Frust über die devoten Chefs.
An diesem Morgen war mir eingefallen, wann er Geburtstag hat. Früher in der Abteilung gab es an einem solchen Tage immer eine Überraschung, warum sollte es nicht jetzt noch immer möglich sein.
Es war nichts als eine profane Gratulation aus alter Gewohnheit. Vermutlich war es Dir erschreckend heimlich vorgekommen, weil wir gerade beim Putzen waren, Du den Staubsauger führtest und ich mit feuchten Händen allerlei Hinterlassenschaften zuleibe rückte. Ein ungewöhnlicher Augenblick – ich weiß. Aber wie schnell bringt uns der Alltag wieder ab von den rein menschlichen Gesten. Und ich hätte vermutlich wieder vergessen, ihm zu gratulieren. Nein, ganz bestimmt sogar…
Hätte ich Dich um Deine Erlaubnis fragen müssen, Marc anzurufen? Ist es das, was Du von mir erwartest?...
Sie hat diesen Brief nicht beendet. Vermutlich hat sie doch Skrupel bekommen, weil wenige Tage danach — sie waren für ein paar Tage an die See gefahren — alles wieder ins Lot gekommen war.
Weit weg von zu Hause war Renée stets weich wie Butter, und nichts anderes brauchte er nach dieser Art Ungewissheit, die sie ihm zuweilen bereitet hat. Es war alles wunderbar geworden. Er hat sie lieben dürfen bei Tag und bei Nacht. Doch dann fand sie diesen Hühnergott…
Und damit war Marc Bergé schon bald wieder zwischen sie gekommen…
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