Название: Die Nacht der Schuld
Автор: Maxi Hill
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783748565277
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Er hatte sich über ihren Rücken geschoben, mit den Knien ihre Schenkel auseinander dirigiert und einen Arm unter ihren Bauch gedrückt. So konnte er ihren Unterleib anheben und so gelang es ihm, rücklings in sie einzudringen. Er wusste genau, dass sie das nicht mochte. Sie hatte ihm einmal gesagt, dass sie Menschen seien, die sich — abgesehen von den Bonobos — als einzige Wesen beim Sex in die Augen schauen können und dass die Augen das Fenster zu Seele sind. Und Sex ohne Seele sei pure Gier, und die käme gleich nach Vergewaltigung.
Wie hätte er vermuten sollen, was dann geschah?
Er hätte es ahnen können. Freilich, er hätte es sogar wissen müssen… Und nun? Nun sitzt er hier in der dunklen Küche, abgestempelt als mieser Verbrecher, der seine Frau bis zur Ohnmacht würgt und danach selenruhig zum Dienst geht…
MONTAG, 20. MAI — POLIZEIREVIER
Welche Intrigen sich hinter den Mauern der Staatsgewalt abspielen, bleibt für die meisten Beamten unergründlich. Auf alle Fälle bekommt Hauptkommissar Andreas Weiler die Angelegenheit «Renée Bach» übertragen. Sie müssen der Sache nachgehen, weil dieser Notarzt Anzeige erstattet hat. Ein Fall ist es deshalb noch nicht.
Im Revier weiß man, um welch angesehene Person es sich bei dem betroffenen Ehemann handelt, der zugleich — zu diesem Zeitpunkt noch — der einzige Verdächtige ist. Deshalb brauche das Vorgehen, so die Order vom Chef, eine Menge Einfühlung und zugleich spitzfindiges, kriminalistisches Gespür, die Schreiners — bei anderer Klientel zwar erfolgreichen — Methoden nicht hergeben.
Eine erste Brisanz bekommt der ansonsten wenig spektakuläre Fall, als Doktor Haarström von der Intensivstation des Klinikums seine Bedenken geäußert hat, die Patientin Renée Bach bleibe vermutlich komatös, bestenfalls, wie er anfügte.
Für Andreas Weiler ist nur der Umstand schmeichelhaft, es diesem Großmaul Schreiner mal wieder zeigen zu können. Niemand im Dezernat ist so mit dem Mund vornweg wie Schreiner. Bisweilen wird es peinlich mit ihm, allein, weil seine Art zu fragen, normale Leute abschreckt. Bei der Jugend mag er ja erfolgreich sein, aber hier handelt es sich um einen Studierten, was nicht bedeutet, ein Hochschuldozent ist zwingend immun, wie ein Diplomat.
Normalerweise wäre dieser Fall für Weiler uninteressant, darüber hilft die Tatsache nicht hinweg, dass er ziemlich vertrackt ist. Einerseits ist es weder einer für die Mordkommission, andererseits gibt es noch keine stichhaltigen Anhaltspunkte für ein Verbrechen. Klar ist bisher nur, die Frau kann sich nicht selbst bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben.
Für Weilers angeborene Skepsis ist sogar die Tatsache, dass Holger Bach täglich mehrere Stunden in der Klinik am Bett seiner Frau verbringt, kein Indiz für Unschuld. Eher ein Grund zur Sorge. Sollte der Ehemann die Hand im Spiel gehabt haben, wäre es für ihn am Bett seiner Frau ein Leichtes, das Aufwachen zu unterbinden, zumindest aber zu eruieren, ob sie noch in der Lage ist, zu reden oder sich zu erinnern.
Weilers Vorstoß in dieser Angelegenheit an Doktor Haarström wurde vom Mediziner sofort verstanden. Inwieweit das Personal so konsequent ein Auge auf die Sache wirft, bleibt Weiler unklar.
Widerwillig wirft er einen Blick in das Protokoll der Befragung dieser Studentin.
»Ja, wenn Sie es so sagen, war Doktor Bach heute schon (was heißt «schon»?) anders als normal. Unkonzentriert. Abweisend. Wir sind oft den Weg gemeinsam nach Hause gegangen. Doktor Bach ist ein ziemlich cooler Typ…«
»Was heißt cool?«
»Er ist witzig, mitunter ironisch. Und er ist klug, wie man es ja erwartet von einem Dozenten. Aber glauben Sie mir, nicht alle Dozenten…«
»Und das war exakt sechzehn Uhr?« So hatte er die junge Frau brüsk unterbrochen, um Schreiner die gewohnte Angriffsfläche für seine notorische Abneigung gegen die gebildete Oberschicht im Keim zu ersticken.
»Fünfzehn Uhr fünfzig war die Vorlesung zu Ende. Ja, sechzehn Uhr, das kommt hin. Ich bin dann, weil es mir langsam peinlich wurde, noch abseits gegangen. Ich glaube aber, er ist schnurstracks nach Hause…«
»Was wurde peinlich?«
»Dieses Schweigen. Dieses wortlose Nebenher…Man kommt sich vor wie ein lästiger Parasit…«
»Und das war anders als gewöhnlich?«
»Auf alle Fälle.«
Weiler hatte eine Pause gemacht, weil er wusste, die Zeugin würde nichts Wesentliches zum Fall beisteuern können. Es war ohnehin nicht leicht, das Auftauchen von zwei Polizisten zu erklären, ohne ein eindeutiges Verbrechen. Sein Kollege Karl Schreiner nutzte ruck, zuck die Pause, entweder, um eines seiner Spielchen zu spielen, oder um seine Position als beauftragter Ermittler, in der er am Freitag noch war, zu untermauern.
»Wie äußerte sich, wenn der Bach witzig war?«
Die Augen der jungen Frau weiteten sich. Das geht manch einem Zeugen so, wenn im knappen Polizeijargon geredet wird. «Der Bach» gehörte unbedingt dazu. Der pure Name ist allemal besser, als vor Zeugen vom «Verdächtigen» zu reden.
»Na ja, da gibt es so vieles… ich weiß nicht, ob ich…«
»Wie hat er denn über seine … über Frauen geredet, ganz allgemein?«
»Eigentlich harmlose Sätze.« Das halbe Kind wurde rot bis hinter beide Ohren. »Zum Beispiel: Der Mann ist so jung, wie die Frau, die er fühlt.«
»Das ist nicht witzig, das ist Lebensweisheit.«
»Na ja, er hatte auch ironische Bemerkungen, wenn eine von uns mit ihrer Kleidung übertrieb… na ja, Sie wissen schon…«
Weiler hatte Schreiner einen Wink gegeben, er soll die Befragung nicht in eine künstliche Richtung treiben, aber da hatte das Mädchen gerade eine Erinnerung.
»Einmal sagte er zu Kathrin, die stets hautenge Pullis trägt: Der Pullover einer Frau sitzt goldrichtig, wenn die Männer nicht mehr atmen können. Er sagte das in ziemlichem Tempo, was er dann mit gespielter Schnappatmung enden ließ. Die Schenkelklopfer kamen von der Männerbank, wie Sie verstehen werden…«
Schreiner formulierte zwar im Protokoll seine eigenen Fragen nicht aus, aber sie waren für Weiler noch gut nachvollziehbar.
»Glauben Sie, dass er sexistisch ist?«
»Wer weiß das schon. Er hat zumindest auch Sprüche drauf wie die: Jeder Mann braucht eine Frau, weil irgendwann einmal etwas passiert, wofür er die Politik nicht verantwortlich machen kann.«
Vermutlich hätte die junge Frau gerne noch einige von Bachs Sprüchen von sich gegeben, aber der Wink ihres Vaters ließ sie verstummen. Womöglich auch deswegen fragte sie zu guter Letzt: »Das hier… äh, davon erfährt doch Doktor Bach nichts. Oder?«
»Ich denke nicht, dass diese Dinge überhaupt eine Relevanz für den Fall haben«, hatte sich Weiler wieder eingemischt. Einer musste dem Schreiner ja zeigen, wo es lang geht. Er hatte sich in seiner bekannten Konsequenz erhoben, legte eine Hand auf die Schulter СКАЧАТЬ