Название: Gorloin
Автор: Thomas Hoffmann
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Leif Brogsohn
isbn: 9783742776297
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Am Siedlungsfeuer waren Frauen mit Essensvorbereitungen und dem Verarbeiten von Lebensmitteln beschäftigt. Wie am gestrigen Abend lagen Tontöpfe und Küchengerätschaften um die große Feuerstelle auf dem Boden verstreut. Anscheinend wurden sie nur dann eingesammelt und gereinigt, wenn sie gebraucht wurden. Hunde streunten zwischen Töpfen mit Essensresten vom Abend umher. Nur wenige Krieger saßen um das Feuer und aßen aus hölzernen Schalen. Sie hatten ihre Bögen dabei. Offenbar hatten sie vor, auf die Jagd zu gehen.
Wir setzten uns ans Feuer und Frauen brachten uns dampfenden Tee in Holzschalen. Es war das aromatische Getränk, das wir schon am Abend zuvor bekommen hatten. Der Tee war sehr heiß. Ich fühlte mich munterer, nachdem ich ein paar Schluck geschlürft hatte, ähnlich wie nach dem Kaffee, den Ligeia mir morgens nach gemeinsamen Nächten vorgesetzt hatte.
Ligeia! Ich spürte einen heftigen Stich in der Brust.
Ich wollte nicht an sie denken, aber mit dem Nahen des Vollmonds wanderten meine Gedanken immer häufiger zu ihr. Auch diese Nacht hatte ich von Blut geträumt und von ihrer Liebe. Ich merkte, wie Lyana mich unglücklich ansah. Ich blickte zurück und zuckte hilflos mit den Schultern. Sie legte mir die Hand auf den Arm.
„Wenn ich nur wüsste, wie ich dir beistehen kann, Bruderherz,“ flüsterte sie.
Wir bekamen Schalen mit einer warmen Speise aus Bratäpfeln und weißen, runden Knollen, die aussahen wie große Bohnen. Sie schmeckten mehlig und auf eine nussige Art süß.
„Kastanien,“ meinte Kat mit vollem Mund.
Sven blickte ohne Begeisterung auf seine Schale. „Pferdefutter!“
„Probier' erst mal, bevor du 'rummaulst,“ sagte Kat zwischen zwei Bissen. „Das schmeckt besser, als die ewige Hafergrütze!“
Ich beobachtete ein junges Mädchen, das bei der Arbeit inne hielt, aufstand und zu den fernen Berggipfeln im Osten emporschaute, über denen das Morgenrot in kräftigen Farben leuchtete. Mit heller, klarer Stimme begann sie zu singen. Die Melodie ihres Gesangs und die Weisen der Flöte, die irgendwo in der Siedlung klang, umrankten einander, spielten miteinander, bis Flötenspiel und Gesang zu einer gemeinsamen Musik wurden, heiter und feierlich zugleich. Lyana hatte ihre Essschale in den Schoß gesetzt und lauschte geistesabwesend.
Nachdem das Mädchen den Gesang beendet hatte, stand sie noch eine Weile dem Morgenrot zugewandt, die Arme leicht angehoben zu einer anbetenden Geste mit offenen Händen. Auf Lyanas Gesicht lag ein kaum erkennbares Lächeln. Tränen rannen ihr über die Wange.
Als sie ihre Essschale wieder aufgenommen hatte, fragte ich Lyana nach der jungen Kriegerin, die sich am Tag zuvor zweimal für unser Leben eingesetzt hatte.
„Diese Aeolin, das Mädchen mit den hohen Kriegerrang, die von deiner Mutter gewusst hat - du hast nachts noch mit ihr gesprochen. Hast du sie gefragt, was Tamelund meinte, als er sagte, er müsse erst noch klarer sehen, was mit uns werden soll?“
„Ja, sicher,“ meinte Lyana leise. „Was er gemeint haben könnte, wusste sie auch nicht. Er hatte den Kriegern unsere Ankunft angekündigt - andernfalls hätten sie uns nicht mit solch einer Übermacht überrascht. Aber sie sagte, wir sollen uns keine Sorgen machen, Tamelund habe nur das Wohl aller Wesen im Sinn.“
Als sie mein Unbehagen bemerkte, meinte sie eindringlich: „Auch deines, Leif - ich bin sicher, dass das stimmt!“
Ich sah sie lange an. „Du verstehst dich gut mit Aeolin, nicht wahr?“
Ein Anflug von Röte trat ihr ins Gesicht. Einen kurzen Moment blickte sie zu Seite, aber sie lächelte gleich selbst über ihre Verlegenheit.
„Weißt du,“ sagte sie nachdenklich, „es geht ihr in ihrem Clan ähnlich, wie es mir gegangen ist, seit mein Vater tot ist. Niemand versteht sie wirklich, Tamelund einmal ausgenommen. Sie wollte immer Kriegerin sein, ihr eigenes Leben leben, nicht bloß in Kleidern herumlaufen und Männer bedienen - sie hat sich ihr eigenes, freies Leben erkämpft, aber sie ist zu einer Fremden in ihrem eigenen Volk geworden...“
Lyanas Augen leuchteten auf. Die Kriegerin, über die wir gesprochen hatten, kam über den Platz ans Feuer. Sie setzte sich neben Lyana und blickte mit unbewegter Miene in die Glut. Die beiden Mädchen wechselten ein paar Worte. Lyana sah mich an. Sie verzog keine Miene, aber aus ihrer Stimme hörte ich die unbändige Freude heraus.
„Aeolin und ich gehen in die Wälder zum Jagen. Wir werden wohl den Tag über unterwegs sein.“
Mit einem Mal war es, als fiele mir ein Stein vom Herzen.
Lyana, ich freue mich so für dich!
„Viel Glück,“ lächelte ich ihr zu. „Macht's gut, ihr beiden!“
Sie lächelte kurz zurück. Die beiden jungen Frauen standen auf, um ihre Waffen zu holen.
„Wie...?“ rief Kat, die Aeolin erst jetzt bemerkte. „Wo geht Lyana hin?“
„Alles in Ordnung,“ meinte ich. „Die beiden machen einen Jagdausflug.“
***
„Und wir?“ fragte Kat, als Aeolin und Lyana zwischen den Hütten verschwunden waren.
Ohne Begeisterung meinte sie: „Wir könnten auch auf die Jagd gehen.“
Ich streckte die Beine dem Feuer entgegen. „Die letzten Tage sind wir von frühmorgens bis zum Anbruch der Dämmerung auf den Beinen gewesen. Ehrlich gesagt, ich hätte nichts dagegen, einfach mal ein paar Tage auszuruhen - falls dieser Tamelund sich mit seiner Entscheidung noch ein bisschen Zeit lässt.“
„Wir können uns ja mal ein bisschen in der Siedlung dieser angeblichen Elben umsehen,“ schlug Sven vor.
Wir blieben noch eine Weile am Feuer sitzen, schlürften heißen Tee und sahen den Frauen bei der Arbeit zu. Als die ersten Sonnenstrahlen zwischen den Spitzen der Berge aufleuchteten, standen wir auf. Die Elbenfrauen ließen nicht zu, dass wir unsere Holzschalen selber abspülten. Lächelnd aber entschieden nahmen sie uns das Essgeschirr aus den Händen.
„Ihr seid Krieger. Ihr habt andere Aufgaben.“
Kat rollte mit den Augen, aber sie sagte nichts.
Die Krieger und Frauen, denen wir auf unserem Erkundungsgang begegneten, grüßten uns kopfnickend, manche mit ernster Würde, manche freundlich. Niemand ignorierte uns oder starrte uns an wie am Abend zuvor, als wir von den Kriegern durchs Dorf geführt wurden. Wir gaben uns Mühe, die Höflichkeit der Siedlungsbewohner zu erwidern und an niemandem ohne Gruß vorbeizugehen.
Am Rand der Siedlung erregte ein knapp mannshoher, bauchiger Schlot aus Lehm, aus dem dicker Rauch quoll, Svens Interesse. Ein grauhaariger Mann in der Tracht der Krieger - Lederhosen, ledernes Fransenwams, Mokassins und Stirnband mit zwei Federn daran - schob durch einen Lehmschacht am Boden Feuerholz in den Schlot. Lächelnd betrachtete er unsere rätselnden Mienen.
In dieser Siedlung lächeln nur die alten Männer und die Frauen, ging es mir durch den Kopf.
„Dies hier ist die Magie Gehwdyns, des roten Sterns,“ erklärte der Grauhaarige.
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