Название: Die Jägerin - Blutrausch (Band 2)
Автор: Nadja Losbohm
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Die Jägerin
isbn: 9783738033724
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„Michael, sie ist stark. Ihr seid es beide”, erwiderte Mister Hawk.
Der Pater lachte verächtlich. „Ich bin nicht so stark wie du und Ada glauben.”
Ich hörte den Schmerz und die Enttäuschung in seiner Stimme. Auf einmal kam ich mir furchtbar egoistisch vor, weil ich mich nie bemüht hatte, ihm zu helfen, und nur an meinen eigenen Verlust gedacht hatte. Nicht einen Gedanken hatte ich daran verschwendet, dass auch er darunter leiden könnte. Und nun machte er sich Vorwürfe, war enttäuscht von sich selbst und schämte sich für die Dinge, die er getan hatte, um mir zu helfen.
„Wenn es so weitergeht, werde ich sie gehen lassen”, fügte Pater Michael mit einem Seufzen hinzu. Er klang gefasster und entschlossen.
Mir stockte der Atem, und mein Herz machte einen Hüpfer. Er würde mich tatsächlich gehen lassen?
„Du liebst diese Frau, Michael. Das würdest du nicht übers Herz bringen”, bemerkte Mister Hawk.
„Ja, ich liebe sie über alles! Mehr als alles andere auf dieser Welt. Aber soll ich zusehen, wie sie sich zu Tode hungert, weil sie sich nach ihrem Baby sehnt und ich es ihr verweigere?” Ich hörte, wie sein Stuhl knarrte, und Schritte erklangen hinter der Tür. Sie waren nervös und unruhig. Mit Sicherheit lief der Pater in seinem Büro auf und ab. „Sie hat sich so sehr verändert. Ich vermisse ihre Stimme, ihr Lachen. Aber nun ist nur noch Stille hier. Wo ist nur das fröhliche Mädchen hin, das mich zum Lachen bringen konnte und das mein Herz eroberte?”, fragte er, aber er erhielt keine Antwort von seinem Gesprächspartner. Aber ich hatte eine!
Aufgebracht stieß ich die Tür auf. Mit Schwung knallte sie gegen die Wand und kam mir wieder entgegen. Ich stoppte sie mit meiner Hand. Pater Michael stand vor dem Wandteppich mit dem Abbild der Heiligen Maria, Mutter Gottes, und sah mich mit offen stehendem Mund und großen Augen an. Mister Hawk saß auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch des Paters. Seine Hände lagen mit verschränkten Fingern auf dem Gehstock, von dem ich wusste, dass er ihn in Wirklichkeit nicht brauchte. Mit seinen wässrigen Augen blickte er mich aufmerksam an. Er wirkte nicht überrascht, mich hier zu sehen. Es war unheimlich. Als wenn er wüsste, dass ich hinter der Tür gestanden und gelauscht hatte.
„Ada”, hauchte Pater Michael überrascht und trat auf mich zu. Abrupt blieb er stehen, als er erkannte, wie fuchsteufelswild ich war.
„Du willst wissen, wo das Mädchen ist, in das du dich verliebt hast?”, fragte ich und funkelte ihn wütend an. Er starrte mich nur an, immer noch fassungslos über mein Auftreten, und wahrscheinlich bereute er seine Entscheidung, dass er mich doch nicht wieder eingeschlossen hatte. „Dieses Mädchen gibt es nicht mehr, Michael! Es ist in dem Moment gestorben, als du ihm das Kind weggenommen und es in sein Zimmer gesperrt hast wie eine Gefangene! Du wolltest doch, dass ich erwachsen werde. Und um dich zu zitieren: Ich bin nicht dein Kasper, der dich unterhält!”, warf ich ihm an den Kopf, so wie er es einst mit mir getan hatte. Wütend wirbelte ich herum und knallte die Tür hinter mir zu. Mit stapfenden Schritten stieg ich die Treppe hinunter und verschwand wieder unter der Erde. Das Letzte, was ich hörte, war Pater Michaels Stimme, die flehentlich meinen Namen rief und mich bat, zurückzukommen. Aber ich wollte nicht. Und er folgte mir auch nicht.
8. Eine Standpauke vom Feinsten
Meine Hände zitterten, und mein Herz raste, weil ich so wütend über die Dinge war, die der Pater gesagt hatte. Hatte er ernsthaft geglaubt, dass mich die Ereignisse nicht verändern würden? Dass mich das Geschehene nicht prägen würde? Aufgebracht lief ich in meinem Schlafzimmer umher. Ich brabbelte vor mich hin und schimpfte und meckerte so laut, dass ich nicht mitbekam, wie jemand in mein Zimmer trat. Erst als die Tür krachend ins Schloss fiel, fuhr ich herum und starrte auf den alten Mann, der dort stand.
„Was wollen Sie hier? Hat er sie geschickt?”, fuhr ich ihn an und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust.
„Nein, Pater Michael hat mich nicht geschickt. Es war mein Vorschlag, mit dir zu reden. Denn auf ihn willst du ja nicht hören, Mädchen”, gab er mir zur Antwort. Langsam kroch er über den Boden und näherte sich mir.
„Sie sollten gehen, Mister Hawk. Denn ich werde auch nicht auf Sie hören! Es ist mir egal, was Sie zu sagen haben!”
Missbilligend schnalzte er mit der Zunge. „Ich weiß, dass es dir egal ist. Dir ist alles egal! Ich bin dir egal. Pater Michael ist dir egal. Und die Welt da draußen ist dir auch egal! Du bist sehr selbstsüchtig, Ada”, bemerkte er und wedelte mit erhobenem Zeigefinger herum.
Seine Worte verschlugen mir die Sprache. Ich japste nach Luft bei dieser Beleidigung. Ich und selbstsüchtig??! „Wie können Sie es wagen? Ich habe gerade erst mein Kind verloren!”, schrie ich ihm wütend entgegen.
Plötzlich setzte er sich wieder in Bewegung und kam auf mich zugeeilt. Ich konnte gar nicht so schnell gucken, wie er bei mir war und mir eine schallende Ohrfeige verpasste! Mein Kopf flog zur Seite, und ich glotzte ungläubig die Tür zu meinem Badezimmer an. Ich hielt mir die brennende Wange und wandte meinen Blick wieder Mister Hawk zu. Fassungslos sah ich ihn an.
„Auch Pater Michael hat sein Kind verloren! Hast du auch nur einmal darüber nachgedacht, wie es ihm dabei geht? Nein. Natürlich nicht! Wieso auch? Es ist dir egal, dass er um das Baby weint und nun auch um dich. Du denkst nur daran, was du brauchst, um glücklich zu sein. Aber was er braucht, daran denkst du nicht! Er könnte dir den Trost spenden, den du benötigst, und du könntest das Gleiche für ihn tun. Ihr solltet für einander da sein, damit diese Wunden, die dieselben sind, verheilen können”, blubberte er mich voll, ohne einmal Luft zu holen. Sein Gesicht war ganz rot angelaufen, weil er sich so in seinen Vortrag hineingesteigert hatte. „Reiß dich gefälligst zusammen! Sei für ihn da. Hilf ihm!”, fügte er energisch hinzu.
Aber seine Rede zeigte Wirkung. Erst durch sie hatte ich begriffen, was ich getan hatte - oder besser gesagt nicht getan hatte. Der alte Mann hatte absolut Recht. Ich war eine egoistische, blöde Kuh, und ich schämte mich dafür. Während ich vor Selbstmitleid fast ertrank, hatte ich vergessen, wer Pater Michael ist und was er einst für mich gewesen war. Aber nun erinnerte ich mich wieder daran: Er war mein Engel, der mich retten würde.
9. Lass mich dir helfen
Mister Hawk hatte mein Zimmer schon vor einiger Zeit verlassen. Aber ich konnte mich nicht rühren. Vor Entsetzen über mich selbst war ich wie gelähmt und konnte nicht aufhören, über seine Worte nachzudenken. War es Pater Michael in der vergangenen Zeit wirklich so schlecht ergangen? Hatte er wirklich um unser Kind geweint und sehnte sich ebenfalls danach, es in den Armen zu halten? Und hatte ich wirklich solche Macht über ihn, dass er mich tatsächlich gehen lassen würde, um meinem Kind nahe zu sein und meine Aufgabe zu vergessen?
Als ich durch die Tür zu seinem Büro trat, blendete mich das helle Tageslicht, das durch das Glas ins Zimmer einfiel. Der wundervolle Wandteppich war nach oben gehoben worden. Pater Michael stand regungslos vor der Tür zu meinem Garten und starrte hinaus.
„Hi”, sagte ich.
Er zuckte beim Klang meiner Stimme zusammen, und ich sah, wie er mit den Händen in seinem Gesicht herumfummelte. Dann erst drehte er sich zu mir herum, und mir wurde bewusst, was er gerade getan hatte. Er hatte sich die Tränen weggewischt, die seine Augen immer noch feucht glänzen ließen, und rote Flecken leuchteten auf seinen Wangen. Mit großen Augen sah mich der Pater an. Er zwang sich zu einem Lächeln, was aber nur kurz währte.
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