Schleuderkurs. Christina Hupfer
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Читать онлайн книгу Schleuderkurs - Christina Hupfer страница 6

Название: Schleuderkurs

Автор: Christina Hupfer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783748561392

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СКАЧАТЬ Er geht und lässt uns endlich arbeiten. Und ich stelle fest, dass die Stimme, die nach der ‚netten Kleinen’ gefragt hatte, dem Neuen, sehr groß, sehr kräftig, aber nicht dick, diesem Lukas Bohrer gehört. Nette Kleine! Ich mag das nicht. Hätte gleich nach der fragen können, die hier den Kaffee kocht. Ist das nicht auch der, von dem Mike gesagt hatte, er wäre so ein ‚Tüpfeles-Scheißer‘? Kaum da, und schon hätte er an seinen Prospektentwürfen herumkritisiert? Ich mag solche übertrieben gut aussehenden Männer zur Zeit sowieso nicht. Und dieser hier sieht aus wie ne Mischung aus einem Vorabendserienhelden und einem Bergsteigeridol. Die blauen Augen leuchten intensiv in einem kantigen Gesicht, das seine Bräune garantiert der Sonnenbank verdankt. Er gehört bestimmt zur gleichen Gattung wie mein Chef, den es, obwohl er schon über ein Jahr unsere Abteilung leitet, immer noch erstaunt, dass Frauen nicht nur in der Küche werkeln können. Der kaum glaubt, dass sie eine Küchenmaschine bedienen, geschweige denn eine entwickeln können. Und erst recht keine für ein Flugzeug! Aber wenn doch, dann natürlich nur mit Hilfe von Männern.

      Überhebliches Mannsbild! So langsam stinkt es mir gewaltig, dass ich immer nur die ‚Nette‘ bin. Immerhin haben die Herren der Konstruktion und Entwicklung mir einige gute Ideen zu verdanken. Auch wenn unser Abteilungsleiter, der Weber, es immer so hindreht als sei alles auf seinem Mist gewachsen. Aber momentan ist er außer Gefecht. So leid er mir tut, er kann ruhig noch ein Weilchen fortbleiben. Doch ich habe im Moment wirklich andere Sorgen. Wenn ich nochmals unangenehm auffalle, kann ich mir bald auch noch einen neuen Job suchen.

      Die Stunden bis zum Mittag sind ausgefüllt mit der Vorstellung der neuen EDV, der Verteilung von Anweisungen und der Beantwortung unzähliger Fragen, die wiederum weitere Fragen nach sich ziehen. Als wir um dreizehn Uhr endlich unsere Besprechung auflösen und unsere Papiere zusammenpacken, bin ich restlos erschöpft. Höre nur halb, wie sich kleine Grüppchen bilden, neue Erkenntnisse besprochen werden, man sich zum Essen verabredet und wie eine weibliche Stimme im Hintergrund fragt: „Weiß niemand von Ihnen, ob irgendwo in der Nähe eine Wohnung frei wird? Oder auch ein Zimmer in einer WG. Ich finde nichts, es ist zum Verzweifeln. Auf die Dauer im Hotel, das geht gar nicht!“

      „Ja, das glaube ich“, antwortet einer. „Der Bohrer hat unglaubliches Glück gehabt. Er hat ein Appartement in dem neuen Wohngebiet am Stadtrand ergattert.“

      Natürlich, so einem Schleimbeutel fällt ja alles in den Schoß. Im Moment höre ich überall nur von Wohnungsproblemen. Ich schaue aufmerksamer in diese Richtung und sehe die neue Einkaufssachbearbeiterin mit ein paar Kollegen zusammenstehen. Wie heißt sie noch mal? Luise Irgendwas. Burschikoses Outfit, die braunen Haare zu in einem kleinen Dutt oben auf dem Kopf zusammengedreht. Wache Augen. Eine Idee beginnt in mir zu keimen.

      Kapitel 3

      Mein Hirn arbeitet auf Hochtouren. Wie ich zu meiner Schande gestehen muss, nicht mit Belangen der Firma. Dabei sollte ich mich dran machen, die Schulungsunterlagen für den nächsten Termin vorzubereiten. Mit dem laufenden Geschäft bin ich mittlerweile auch im Hintertreffen, aber ich kann nicht anders. Zeichne den Grundriss meiner Wohnung auf meine Schreibtischunterlage: Das geräumige Wohnzimmer mit Küchentheke. Vorn Balkon, hinten das große Schlafzimmer, daneben das kleine Arbeitszimmer. Den winzigen Eingangsbereich. Bad und Toilette extra.

      Wenn ich ein Zimmer vermieten würde…? Das Schlafzimmer böte Platz genug. Das Wohnzimmer als Gemeinschaftsraum wäre mehr als groß. Aber mir bliebe dann nur dieser kleine, schmale Schlauch. Ein großer Kleiderschrank für meine vielen Kleider und die Schuhe, und er wäre überfüllt. Das kann ich vergessen!

      Aber — wenn ich einen leider nicht vorhandenen Schrank mit einem Meter Abstand vor die Tür stellen würde, seitlich ein dichter Vorhang, dann hätte ich als Eingang zu meinem Zimmer sogar einen begehbaren Kleiderschrank. Und dass sich Gerd mit den zwei Waschbecken im Bad durchgesetzt hatte, war wohl ein Glücksfall. Was könnte ich für dieses Zimmer an Miete verlangen? Ich google...

      ***

      Meine schwere Tasche mit dem Laptop schlägt mir dauernd in die Seite als ich nach Hause haste. Ich achte weder auf die inzwischen in der Sonne glänzenden Hecken, noch auf die erbosten Radfahrer, die mich klingelnd vom Radweg scheuchen wollen. Meine Gedanken kreisen permanent um Möbel, Mieten, Mitbewohner. Weil ich mich wirklich nicht mehr auf so was Banales wie meine Bürotätigkeit konzentrieren konnte, hatte ich mir den Rest des Tages frei genommen. Will nachmessen, eventuell mit dem Bus zu Ikea fahren und nochmals alles durchrechnen. Aber wenn ich noch richtig rechnen kann hätte ich jeden Monat das Geld von Untermiete und Auto übrig und könnte sogar etwas davon sparen.

      Zu Hause angekommen leere ich beklommen den Briefkasten. Wie immer ist er überfüllt mit Werbung von Discounter, Baumarkt, Kleider- und Möbelgeschäften. Dazwischen ein weißer Umschlag ohne jeglichen Aufdruck, der die Neugier anheizen soll. Die Masche ist auch nicht mehr neu. Aber wie ich erleichtert feststelle, ist darunter kein Brief, der nach einer Rechnung aussieht. Ich stopfe alles in meine Tasche und nehme mit Schwung die erste Treppe, da läuft mir schon wieder der kleine Emil über den Weg. Mit einem kurzen „Hallo, kleiner Mann“ will ich an ihm vorbei. Seine Mutter eilt mit einem Ballen Stoff auf den Armen hinterher. „Emil, warte! So warte doch!“ Ich bemerke wie aufgelöst sie aussieht, und als das Bündel zu weinen beginnt, sehe ich das erhitzte Köpfchen von Emils Schwester.

      „Was ist los, ist sie krank?“, frage ich erschrocken.

      „Ja. Sie hat auf einmal angefangen zu spucken. Hat Durchfall und Fieber. Ich muss unbedingt mit ihr zum Arzt.“ Sie zögert. „Ich muss das Fahrrad mit dem Anhänger aus dem Unterstand holen. Wären Sie so lieb und würden kurz auf Emil aufpassen? Dann bin ich schneller.“

      „Aber sicher.“

      Und anstatt auf Knien mit dem Metermaß in meiner Wohnung rumzurutschen, hüpfe ich nun mit dem kreischenden Emil die Treppen rauf und runter. Gott sei Dank ist in den anderen Wohnungen keiner zu Hause, denn niemand beschwert sich. Seine Mutter, die ihn gleich darauf abholen und in den Radanhänger zu seiner Schwester stecken will, schicke ich alleine los.

      „Ist sicher einfacher für Sie, wenn Sie sich nur um die Kleine kümmern müssen. Ich nehme den Jungen mit zu mir. Klingeln Sie nachher einfach.“ Ich reiche ihr die Hand. „Paulina Werner.“

      „Kim Auberg. Danke. Danke vielmals!“ Ihre Erleichterung ist regelrecht fühlbar und sie verschwindet wie der Blitz.

      Kurz darauf stehe ich ratlos in meiner halb leeren Bleibe und überlege wie ich das Kind beschäftigen soll. Es kann ja eine Weile dauern bis seine Mutter wieder zurück ist, und ich wollte doch... Ein prüfender Blick reicht immerhin, um festzustellen, dass das mit dem begehbaren Schrank klappen müsste.

      „Hast du Lust zu malen?“

      Emil schaut mir neugierig zu, wie ich aus den Tiefen meines Schlafzimmerschranks Blöcke und Farbstifte in allen Variationen hervor krame. Ich habe sie schon lange nicht mehr benutzt. Meine Bilder in den unzähligen Mappen stehen fast vergessen im Keller. Gerd hatte über meine Volkshochschulkünste stets milde gelächelt. Ich muss zugeben, in unsere gestylte Wohnung passten meine sanften Aquarelle wirklich nicht, und meine Experimente mit Acrylfarben waren im Anfangsstadium stecken geblieben. Im Wohnzimmer nervte mich dafür bis vor kurzem ein riesiger greller Druck eines bekannten Künstlers. Auch noch eine Hinterlassenschaft Gerds, der nun meinen Bildern im Keller Gesellschaft leisten darf.

      Ich sitze mit meinem Gast am Tisch und zeichne Hasen. Hasen und noch mal Hasen.

      „Was soll ich jetzt noch?“

      „Hase. Auf’m Traktor!“

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