Schleuderkurs. Christina Hupfer
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Название: Schleuderkurs

Автор: Christina Hupfer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783748561392

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СКАЧАТЬ Ex — schon wieder spukt er in meinen Gedanken, obwohl ich seit Wochen versuche, das zu vermeiden.

      Immer noch lächelnd den Lego-Stein betrachtend, den mir Emil gerade vorher noch großzügig geschenkt hatte — „damit du nicht traurig bist!“ — stolpere ich im Büro als erstes über Gerd. Dieses Mal ist es mir leider nicht gelungen, ihm aus dem Weg zu gehen.

      „Na, dir geht‘s ja gut?“

      Was soll das jetzt? Was höre ich da heraus? War das gerade Eifersucht? Hat er von seiner Bille schon genug? Will er vielleicht zu mir zurückkommen? Ist das mein Herz, das da grade umeinander stolpert? Er liebt mich also doch noch! Wir waren immerhin über fünf Jahre zusammen. Die harten Kanten des kleinen Bausteins drücken sich in meine plötzlich verkrampfte Hand, und die Hoffnung, die in mir aufkeimt, lässt mich alles andere vergessen: Die ganze Wut auf ihn, diesen Besserwisser. Diesen Alleskönner und Egoisten. Gerade noch hatte ich mir gesagt, wahrscheinlich gut für mich, dass es vorbei ist. Ich schaffe das. Was andere können, unter schwereren Umständen, das schaffe ich auch. Und nun genügt ein Blick in diese blitzenden Augen, und ich will ihn wieder zurück.

      Gerd sieht mich immer noch fragend an.

      „Ja, mir geht es hervorragend. Finanziell und auch persönlich. Ich habe erst kürzlich eine wahnsinnig interessante Bekanntschaft gemacht!“

      Meine Verblüffung über diese spontane Antwort ist mindestens so groß wie seine.

      „Er ist natürlich etwas jünger als du“, schiebe ich beim Gedanken an den kleinen Emil lächelnd nach und sehe mit Genugtuung, dass er sich hastig mit der Hand über seine gestylten Haare fährt. Es ist nicht zu übersehen, dass die sich allmählich lichten.

      ***

      Das Telefon schweigt, und obwohl zwei meiner Kollegen heute Urlaub haben, hält sich der Arbeitsanfall in unserer Abteilung in Grenzen. Keiner stört mich, denn auch unser Chef ist nicht im Haus. Wegen eines Herzinfarkts wird er mindestens noch bis Ende des Monats abwesend sein. Zum Glück für mich, denn ich kann mich derzeit partout nicht auf Maschinenteile, Bestellnummern und Rechnungen konzentrieren. Zumindest nicht auf diese Art Rechnungen. Auf meinem Zettelkasten liegt der blaue Lego-Stein und blinzelt mich auffordernd an: ‚Paulina, jetzt mach schon. Fang noch mal an zu rechnen!‘

      Mein Schreibblock füllt sich rasant mit allen Beträgen, die jeden Monat fällig sind. Dabei darf ich auch nicht vergessen, dass es Ausgaben gibt, die erst in ein paar Monaten auf mich zukommen. Wenn ich den Durchschnitt nehme, bleiben mir für Essen und Unvorhergesehenes noch... Ich glaub es nicht und rechne nochmals nach, aber es wird nicht mehr: fünfunddreißig Euro. Nicht mal zehn Euro pro Woche! Dabei habe ich aber die Reparaturkosten für meinen fahrbaren Untersatz nicht mitgerechnet. Das Abo für die zwei Zeitschriften, die ich sowieso immer nur überflog, den Mitgliedsbeitrag für den Alpverein und die Zusatzversicherungen, die mir kürzlich ein kompetenter Makler dieser Branche aufgeschwatzt hatte, werde ich auf jeden Fall kündigen. Aber egal wie ich rechne, es bleibt kaum etwas übrig. Ich kaue trübselig auf meinem Bleistift und überlege. Wie kann ich, ohne dieses geheimnisvolle Geld anzunehmen, wieder auf die Füße kommen? Ohne dies stehe ich momentan mit ungefähr dreihundert Euro in der Kreide und der Monat hat gerade erst angefangen. Bald wäre mein Disporahmen von tausend Euro wieder ausgeschöpft. Herrn Bäuerles Igelhaare nicken bestätigend vor meinem inneren Auge. Der größte Brocken sind die Raten für meine Wohnung. Die drücken mich am meisten, denn dass sich mit Gerd als er verschwand, auch sein monatlicher Beitrag zu unserer Gemeinschaftskasse in Luft auflöste, hatte ich in meiner Verzweiflung erst mit Verzögerung mitbekommen.

      Ich würde die Wohnung verkaufen müssen. Es bliebe, wenn Makler und Bank sich bedient hätten, sicher noch etwas übrig, und ich könnte eine günstige mieten. Aber zuerst mal eine finden! Der Wohnungsmarkt in unserer Gegend ist wie leergefegt. Ich habe Horrorgeschichten von überhöhten Mietpreisen, üblen Löchern und unverschämten Vermietern gehört. Manche meiner Kollegen haben eine halbe Tagesreise hinter sich, wenn sie in der Firma eintreffen. Dazu kommen die Kosten für Benzin und der Wertverlust des Autos durch die vielen gefahrenen Kilometer. Ich höre sie fast täglich darüber stöhnen.

      Dann muss ich eben doch wieder bei Papa einziehen. Er würde mich bestimmt aufnehmen. Sie fahren erst morgen. Ich könnte ihn noch erreichen. Es wäre bestimmt nur vorübergehend, und falls es länger ginge, würde ich mich ganz arg zurücknehmen, damit ich seine Elfi nicht verscheuche. Hoffentlich versteht sie das.

      Aber er würde nicht unbeschwert losfahren können. Es muß eine andere Lösung geben! Vielleicht reicht es, meinen kleinen Flitzer zu verscherbeln. Das Gefühl von Großartigkeit und Freiheit ist sowieso den Bach runter. Es gibt Leute, die haben nicht mal ein Auto und schon gar kein so flottes Gefährt. Und die halbe Stunde Fußweg hierher wird mich schon nicht umbringen. Weitere große Reisen kann ich mir grade sowieso nicht leisten, und ich könnte mir dazu gleich noch das Fitnessstudio und den Anblick von Frau Müller-Oberbauer im heißen Sportdress ersparen!

      Viel würde ich für den Wagen wahrscheinlich nicht mehr bekommen: Die Reparatur, das Alter, der Wertverlust. Ich hätte zwar nur noch vier Raten abzubezahlen, aber wenn die sofort wegfallen würden? Kein TÜV wäre mehr fällig, keine Versicherung, keine Steuern, keine neuen Reifen, keine Reparaturen. Warum eigentlich nicht? Ein kleines Licht fängt an zu flackern. Das erste Mal seit den vergangenen Tagen atme ich etwas freier. Ich rechne von vorne.

      „Hallo, Paulina!“ In der geöffneten Tür steht Carola, unsere Buchhalterin und rauft sich die modisch kurz geschnittenen schwarzen Haare. „Ich habe meine Unterlagen für das Meeting verlegt. Darf ich deine schnell kopieren?“

      „Oh.“ Ich bin völlig überrumpelt, habe ich den Termin zur Info über die Einführung der neuen Software doch glatt vergessen. „Schon so spät? Ich muss sie erst raussuchen. Dann kopiere ich sie und bringe sie mit.“

      „Danke, du bist ein Schatz! Bis gleich.“

      Sie dreht sich nochmals um: „Hast du dich schon in die Liste für den Wochenendausflug nach Davos eingetragen? Morgen wird sie abgehängt. Es ist ja schon in einer Woche!“

      Jetzt heißt es, stark sein...

      „Nein, habe ich nicht. Ich fahre nicht mit.“

      „Nein? Das ist aber schade. Wieso denn?“

      Weil ich mir den Anblick von Gerds knackigen Waden, die neben denen Billes vor mir her stapfen würden, ersparen will. Und weil ich mir die Zusatzkosten sowieso nicht leisten kann.

      „Keine Lust. Ich habe nicht die Absicht, schon wieder zur Belustigung aller zitternd über einem Abhang zu hängen.“

      Nur Mike, mein Kollege aus der Abteilung Marketing, der Wagemutigste von allen — er hat schon einige Klettersteige bezwungen und war kürzlich sogar Fünfter bei irgendeinem Autorennen — hat damals nicht gelacht. „Nicht jeder braucht das, sich die Flügel zu verbrennen“, hat er vor den anderen zu mir gesagt, und mir über die schwierige Passage geholfen. Die Erinnerung an meine schmachvolle Darbietung bei der letzten Wanderung mit der Betriebssportgruppe treibt mir jedoch immer noch die Schamröte ins Gesicht.

      „Und du kannst dir sicher denken, dass ich die Plantschbecken in den engen Schluchten sehr gerne den anderen überlasse.“

      „Ich doch auch. Aber wenn uns die Geschäftsleitung schon mal zur Belohnung einen Ausflug finanziert. Du hast dir doch an dem Projekt auch einige Zähne ausgebissen. Und es geht doch in die Schweiz! In diesem Hotel soll es eine traumhafte Wellness-Anlage geben. In eine warme Decke eingewickelt, einen Drink dazu und die prachtvolle Berglandschaft von unten betrachten. Das hat doch was!“

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