Название: Mailys' Entscheidung
Автор: Katie Volckx
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783741804687
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»Toni war mein Traummann.« Sie registrierte meinen skeptischen Blick, denn das sagte sie nicht zum ersten Mal. Gleichzeitig erinnerte ich mich vage daran, den Namen Toni schon einmal aus ihrem Mund gehört zu haben. »Ja, das war er wirklich!«
»Ich sag ja nix!« Ich stellte das Glas wieder auf den Couchtisch zurück. Solange ich diesen leichten Schwindel verspürte, traute ich mir keinen weiteren Schluck zu. Die gesamte Situation schüttete Adrenalin aus: Hannas Geheule, meine Erinnerungslücken und der Wein.
Sie zog eine Augenbraue hoch. »Deine Mimik spricht für sich, Püppi.« Dann zuckte sie mit den Schultern und leerte ihr Glas bis auf den letzten Tropfen. »Das tut verdammt gut. Musst du auch mal probieren, vielleicht wirst du dann etwas lockerer.«
»Ich bin locker«, verteidigte ich mich mit heller Stimme. »Nur weil ich mein Glas nicht auf ex trinke?« Außerdem sah es ja im Moment eher danach aus, als wenn Hanna Heulsuse hier die Verspanntere von uns beiden wäre.
Okay, das war fies: Ihr ging es wirklich miserabel!
Sie schenkte sich nach und warf einen flüchtigen Blick auf mein Glas. »Klar, du kannst mit diesem Thema nichts anfangen. Für dich läuft Liebe und Sex auch jetzt noch unter ferner liefen.« Ihrem Ausdruck nach zu urteilen erklärte sie sich gerade für verrückt, weil sie ausgerechnet mich – hochgradig unqualifiziert für Beziehungsprobleme – angerufen und um Beistand gebeten hatte.
Meine Züge verfinsterten sich, denn mit ihrer Äußerung traf sie einen wunden Punkt. Durchaus war es unleugbar, aber das hieß noch lange nicht, dass sie meine Meinung dazu in Frage stellen musste.
»Toni ist nur einer von vielen Traummännern. Immer steigerst du dich in deine Liebschaften so rein.«
Entgeistert riss sie die Augen auf. Hatte sie mir meine Offenheit nicht zugetraut oder hasste sie es, mit Fakten konfrontiert zu werden? Doch sie sagte nichts, setzte nur das Flötenglas an die Lippen und leerte es wieder in einem Zug. Als sie es auf die Tischplatte zurückstellte, hatte sie schon die ersten motorischen Schwierigkeiten und kippte beinahe nach vorn über. Es sah so aus, als würde sie sich an dem kleinen, zerbrechlichen Glas festzuhalten versuchen. Das gelang ihr auch irgendwie. Nur kurz wippte sie und schwang sich dann wieder nach hinten.
Auf einmal umging sie meine Äußerung und gab mir dafür eine Info, die mich möglicherweise endgültig davon überzeugen sollte, dass ihre Trauer sehr wohl berechtigt war. »Er hat mich für dieses Flittchen Cäcilia verlassen.« Sie schaute mich erwartungsvoll an, doch ich kapierte nicht das Mindeste. »Kennst du sie denn nicht mehr? Das junge Ding von der Tanke.«
Ich wusste noch immer nicht, von wem sie sprach, besonders da ich gar kein Auto besaß und auch anderweitig keinen Grund hatte, mich an einer Tankstelle blicken zu lassen. Nur vorsichtshalber gab ich ihr das zu verstehen, damit sie nicht glaubte, ich wäre restlos bescheuert.
Dann fasste sie sich an die Stirn. »Natürlich kennst du sie nicht. Ich habe dich mit Kristin verwechselt.« Kristin war Hannas ältere Schwester. Dass sie mich mit ihr verwechselte, erschütterte mich nicht, denn das Verhältnis zwischen Hanna und mir war nicht weniger geschwisterlich nach so vielen Jahren der Freundschaft. »Kristin hat sie nur vom Auto aus gesehen, und auch ihre Silikontitten und Tonis unnötigen Aufwand beim Bezahlen. Er hat in den höchsten Tönen von ihr gesprochen, obwohl er sie gar nicht kannte. Cäcilia hier, Cäcilia da. Ich hätte es wissen müssen!«
Sie hätte es wissen müssen? Sollte ich mich darüber wundern, dass Hanna Tonis offene Schwärmerei für dieses Silikonwunder nicht schon vor der Trennung äußerst suspekt gefunden hatte?
Ich hielt mich besser zurück, denn sie war gerade so in Redelaune.
»Als er sich von mir getrennt hat, hat er keinen Hehl draus gemacht, dass Cäcilia der Grund dafür ist.« Eine einsame Träne kullerte über Hannas Wange. Sie kniff die Augen kurz und fest zusammen. »Was hat sie, was ich nicht habe?« Sie sah an sich herunter und zeigte mit beiden Händen auf ihre Brüste. »Ich habe genauso viel wie die! Also habe ich ihn direkt gefragt. Das hätte ich lieber nicht machen sollen.« Von Neuem platzte sie los, noch viel herzergreifender als die Male davor.
Ich blieb stumm, ließ ihr die Zeit, sich wieder zu fangen, auf dass sie mit der Geschichte an der Stelle fortfahren konnte, an der sie diese unterbrochen hatte. Um mich zu beschäftigen, nahm ich mein Glas auf. Mehr als ein Nippen traute ich mir nach wie vor nicht zu. Doch unverhofft stellte ich fest, dass ich die Süße des Weins nun sehr angenehm fand. An den Geschmack konnte ich mich glatt gewöhnen.
Mit zitternder, aufgeregter Hand füllte sie ihr Glas ein drittes Mal bis oben hin, nahm es zur Hand und sprach mit einigen Schluchzern mittendrin weiter. »Er schwärmte von ihrem neunzehnjährigen, knackigen Hintern. Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass sie fünfzehn Jahre jünger ist als er, aber er nennt das schlicht Herausforderung.«
Sie prostete mir zu, da ich noch immer mein Glas in der Hand hielt. Ich nippte weiterhin, während sie ihr Glas bis zur Hälfte leerte. Allmählich war ich ernsthaft besorgt.
Was Toni genau unter Herausforderung verstand, war mir ein Rätsel. Wie viel Mühe kostete es schon, mit Geldscheinen offen vor Cäcilias niedlichem Püppchengesicht herumzuwedeln, nur um sie langfristig für sich zu begeistern? Außerdem war nicht zu übersehen, dass er die Sorte Mann war, die sich nur solange reinkniete, bis seine Beute ihm willenlos verfiel. Danach war jeder Reiz verflogen. Genuss empfand er lediglich im Zusammenhang mit unverbindlichen Kontakten. Denn um ehrlich sein, war Hanna schon eine echte Wucht. Ihre Augen waren rund, offen und honigbraun, ihre Haut war selbst in der Winterzeit leicht gebräunt (ohne dafür etwas tun zu müssen, versteht sich) und butterweich, sie war fünf Zentimeter größer als ich (mit ihren sieben Zentimeter hohen Keilabsatz-Sandaletten, die sie den Sommer über fortlaufend trug, überragte sie mich allerdings um stolze 12 Zentimeter), hatte damit endlos lange Beine, eine Figur wie ein Topmodel, nur mit der Ausnahme, dass sich die Rundungen dort zeigten, wo sie auch hingehörten, und war geschmeidig wie eine Katze; ja sogar in ihrem gegenwärtigen Zustand – meistens. Sie war das, was man im Volksmund eine Märchengestalt nennt, zu schön, um wahr zu sein. Auch wenn sie es nicht wahrhaben wollte: es lag weder an ihrem Alter noch an ihrem Erscheinungsbild, dass Toni sie sitzengelassen hatte. Es lag ganz allein an dem Affenarsch selbst. Anderenfalls hätte er längst erkannt, dass es ihn besser als mit Hanna nicht hätte treffen können.
Ich fuhr mir vorsichtig über meine gepuderte Stirn. Eine Geste, die meine nervliche Anspannung durchblicken ließ. Mit mitleidigem Blick begutachtete ich das Häufchen Elend mir gegenüber. Ich suchte nach Worten, doch es kamen mir nicht die richtigen in den Kopf. Ich wusste natürlich, dass ich sie aufbauen müsste. Ich war nur völlig außer Fassung geraten, weil sie sich selbst so viel vormachte und nicht von selbst sah, wie irrational ihre Sicht der Dinge war. Derart platt kannte ich sie gar nicht, wenngleich sie schon immer eitel und ihr Männergeschmack recht primitiv gewesen war. Es schien mir fast, als wäre sie gar nicht darauf aus, etwas Festes zu finden, als würde sie selber nur nach Abenteuern suchen, um sich nicht festlegen zu müssen. Sich festzulegen, bedeutete nämlich auch, dafür ein kleines Stück von sich selbst aufgeben zu müssen.
»Willst du denn gar nichts dazu sagen?«, ermahnte Hanna mich jetzt und schaute mich erwartungsvoll an.
Ich war wie aufgerüttelt, schwenkte meinen Blick hysterisch über ihre gesamte Gestalt. Dabei fiel mir auf, wie zuckersüß sie in diesem Augenblick aussah: kindlich, fragil und unbescholten, wie das fünfzehnjährige Mädchen, das ich einst kennen gelernt hatte. Statt Empathie, löste ihr Anblick in mir das große Bedürfnis aus, СКАЧАТЬ