Der Fluch des Nazigoldes. Anselm Weiser
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Fluch des Nazigoldes - Anselm Weiser страница 8

Название: Der Fluch des Nazigoldes

Автор: Anselm Weiser

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783741807343

isbn:

СКАЧАТЬ Mal, dass er nicht mit ausgestrecktem Arm salutierte, sondern wie die Amerikaner mit der Hand an der Schirmmütze.

      E. R. stand unbewusst auf, nahm Haltung an und salutierte. Er hielt diese von ihm als persönliche Ehrung empfundene Geste als einen der erhebendsten Augenblicke seines Lebens. Er kam nicht darauf, dass dieser Respekt nicht ihm, sondern dem geschlagenen Gegner galt. Eine absurde Situation. Gleichzeitig war es auch, pathetisch gesehen, das gestand E. R. sich ein, das Ende seines ersten Ichs. Es war das Ende des stolzen SS-Sturmbannführers Dr. Franz Stielhammer.

      Ein neben ihm stehender amerikanischer Offizier, der seine Rührung bemerkte, legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte nur, »O.K. - the war is over!« Aus diesem eigenartigen Hochgefühl, das ihn für einen kurzen Augenblick ergriff, wurde Stielhammer durch den Anruf eines Sergeanten geweckt. Dieser sagte ihm, »Sie kommen jetzt mit mir!«

      Die Feindseligkeit, die aus diesen deutsch gesprochenen Worten zu hören war, brachte dem Sturmbannführer, als der er sich noch eben sah, den Ernst der Situation zu Bewusstsein. Die amerikanischen Offiziere, die eben noch kameradschaftlich gewirkt hatten, wandten sich grußlos ab. Sie hatten das ganze Schauspiel nur für sich als Selbstdarstellung genossen und nicht als versöhnliche Geste. Die MPs zweier Soldaten, die den Sergeanten begleiteten, zielten auf Stielhammers Beine und ließen keinen Zweifel darüber aufkommen, dass die Sache ernst zu werden versprach. Man schritt auf einen Bauernhof zu, wo ein erstes Verhör stattfinden sollte. Die schnittige Uniform mit den Auszeichnungen, die ihm bisher viel Selbstvertrauen und Machtgefühl verliehen hatte, war ihm jetzt nicht nur wegen seines Schweißausbruchs unangenehm.

      E. R. spürte in diesem Augenblick die mit Übelkeit verbundene Beklemmung seines ersten Ichs. Er konnte sich davon nur mit einem weiteren Schuss aus seiner Pistole befreien. Er fuhr dann in seiner Rückschau fort.

      Die kleine Gruppe hatte den Bauernhof erreicht, als etwas Unerwartetes eintrat, das den Amerikanern vorübergehend das Gesetz des Handelns entriss. Die auf den Feldern neben der Straße kampierende, entwaffnete und spärlich bewachte deutsche Heerschar geriet durch den Ruf »die Russen kommen« in Panik. Sie stürmte in Richtung Westen, in Richtung Enns, in Richtung Überleben. Die Flüchtenden riefen, »die liefern uns den Russen aus!« In die Luft abgegebene Warnschüsse der wenigen Bewacher übertönten das Geschrei. Mit dem Mut der Verzweiflung missachteten sie die Gefahr. Eine geschlossene Einheit überrannte die Gruppe um Stielhammer. Die beiden US-Soldaten hatten keine Möglichkeit, von ihren MPs Gebrauch zu machen. Stielhammer ergriff sofort die Chance und rannte ebenfalls los. Zu dicht war die flüchtende Menge für seine Begleiter. Sie konnten ihn weder fassen noch erschießen.

      Im Laufen entledigte er sich seiner Schirmmütze und der Uniformjacke. An der Hochwasser führenden Enns angekommen, warf er seine Stiefel und Hose weg und stürzte sich, wie Hunderte neben ihm, in den reißenden Fluss. Nicht alle erreichten das rettende Ufer. Wer konnte es sich in einer solchen Situation leisten Ertrinkenden zu helfen? Es galt, rette sich wer kann!

      Sonst nicht empfindsam, schauderte es E. R. bei der Erinnerung an die entsetzlichen Szenen, die sich abgespielt hatten. Er war nur stolz auf seine Heldentat. Er hatte einem Mann, der nicht mehr genug Kraft hatte um sich an Land zu ziehen, die Hand gereicht und ihn herausgezogen. Es war eher eine Reflexbewegung als eine überlegte Hilfeleistung. Diese Situation galt ihm, wenn er dies als notwendig empfand, als Beweis von Stielhammers Opferbereitschaft. E. R. benötigte solche Selbstbetrügereien.

      Die Ereignisse dieses Tages, das Wegwerfen von Uniform, Soldbuch und Erkennungsmarke, waren das symbolische Ende von Sturmbannführer Dr. Franz Stielhammer. Den gab es ab jetzt nicht mehr. Wer er in Zukunft sein würde, wusste er nicht. Er ging instinktiv in Richtung Donau. Der Auwald bot ihm Schutz. Die Amerikaner hatten genug mit den Tausenden Gefangenen zu tun. Er war keiner von ihnen. Er hielt sich versteckt und wartete bis es dunkel wurde. Dann ging er die Donau aufwärts, bis er auf ein kleines Haus stieß, in dem noch Licht brannte. Der Bauer ließ ihn übernachten und gab ihm am Morgen, als er weiter wollte, Hose und Jacke eines abgetragenen Anzuges. Als ihm der Mann noch ein altes Hemd reichte, sagte er, er habe eines. »Mit diesem Hemd wirst du auffallen, so etwas trägt kein armer Schlucker und kein einfacher Soldat« war der gute Rat. Da fiel ihm der Spruch ein, »der wechselt seine Meinung wie ein anderer sein Hemd.«

      Er war im Begriff nicht nur die Meinung zu wechseln, sondern auch sein Ich! Sollte er den Amerikanern in die Hände fallen, würde er einen Idioten mimen. Eine Woche später traf er im Schloss im Grünen ein. Frau Elisabeth, die Witwe des Generals, war nicht erfreut ihn wiederzusehen. Sie musste ihn, da amerikanische Offiziere im Haus einquartiert waren, verstecken. Das Versteckspiel missfiel ihm, und nach zehn Tagen überredete er die Hausherrin, ihn als ihren Neffen auszugeben. Niemand fragte nach Papieren.

      Auf eine schriftliche Anfrage in Dresden erfuhr er später, dass seine Mutter, der Stiefvater und sein Stiefbruder bei dem verheerenden Luftangriff vom Februar 1945 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit umgekommen waren. Bei mehr als fünfundzwanzigtausend verkohlten Leichen war es nicht möglich, die Personalien festzustellen. Mit Bedauern wurde ihm mitgeteilt, dass auf längere Zeit keine Sterbeurkunden ausgestellt werden können. Eigenartig unberührt nahm er diese Nachricht hin, und spontan kam ihm der Gedanke, in die Identität seines jüngeren Halbbruders zu schlüpfen. Es war zu diesem Zeitpunkt nicht schwierig, sich unter dem Namen Ewald Rudloff polizeilich anzumelden. Sein Wissen und seine finanziellen Mittel aus dem Baseler Dollarkonto halfen ihm dabei.

      Er begann ein zweites Jurastudium in Heidelberg. Für seine neue Identität nahm er diese Belastung gern auf sich. Schließlich schloss er 1952 das Studium mit dem Doktortitel ab. Es war für ihn trotz der schwierigen Nachkriegsjahre die schönste Zeit seines Lebens.

      Dass er seinen Schatz im Silbersee - wie dieser später von den Medien genannt wurde - ruhen ließ, war nicht nur eine Vorsichtsmaßnahme - er benötigte ihn noch nicht.

      Allerdings ärgerte es ihn heute noch, dass er sich - Jahre später - mit zehn Prozent Finderlohn zufrieden gegeben hatte. E. R. schnaubte verdrießlich. Den Schatz zu heben, ohne großes Aufsehen zu erregen, war zu jener Zeit unmöglich.

      So hatte er im ersten Jahr seines Aufenthaltes in Basel Kontakt mit seinem späteren Schwiegervater Dr. Simon Karpinski aufgenommen und ihn von seinem Wissen um den Schatz unterrichtet. Diesem teilte er mit, dass er Informationen von anonymer Seite - die Quelle dürfe er nicht verraten - erhalten hatte. Er hätte Dr. K., wie Karpinski unter den Mitgliedern der Seilschaft genannt wurde, mit seinem Wissen unter Druck setzen können. Er zwang ihn, das Mandat zu übernehmen. Obwohl das ein schönes Honorar und einen Schwiegersohn einbrachte, kam es Karpinski nicht gelegen. Das mit dem Schwiegersohn, fand E. R., war kein guter Schachzug. Er hasste Vera von Jahr zu Jahr mehr und ihre häufig gestellte Frage, »wer bist du eigentlich« blieb ohne Antwort. Ihm lag die Antwort auf der Zunge, aber er konnte sie ihr nicht geben. Wenn sie es wüsste, würde sie sich wünschen, nicht geboren worden zu sein.

      E. R. schaltete die Stehlampe wieder an. Eine Fliege, die laut summte, an seinem Ohr vorbeiflog und sich am Lampenschirm niederließ, unterbrach seinen Gedankengang. Am liebsten hätte er mit dem Revolver, den er noch in der Hand hielt, nach ihr geschossen. Wenn es Vera gewesen wäre, hätte er lustvoll abgedrückt.

      Was war aus ihm geworden? Ein alter Mann, der langsam müde wurde. Müde allein mit den quälenden Erinnerungen. Das verdrängen fällt ihm schwerer und dann immer wieder die Angst entlarvt zu werden. Das Lügen und sich verstellen müssen kostet Kraft. »Ich werde es ihr sagen« ging es ihm plötzlich durch den Kopf. »Ihr die Last des Wissens aufbürden, als Rache für ihre Erniedrigungen. Sie kann dieses Wissen nicht weitergeben, ohne sich selbst zu schaden, ohne die Familie zu zerstören. Das wird sie nicht tun. Sie mag zwar stark genug sein es zu ertragen, es wird ihr wie ein Dorn im Fleisch sitzen. Vera - mit ihrem Selbstbewusstsein, ihrer Selbständigkeit, ihrer verdammten Lebenslust und ihren Erfolgen. Mit ihren siebenundfünfzig СКАЧАТЬ