1979 Transit ins Ungewisse. Bernhard Wilhelm Rahe
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Название: 1979 Transit ins Ungewisse

Автор: Bernhard Wilhelm Rahe

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783750209428

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СКАЧАТЬ Jahren dabei. Ich habe meine eigene Wohnung und mein Auskommen. Mir fehlt es an nichts.“

      „Siehst Du“, sagte Grabert. „Mir geht es ebenso. Wenn wir das Geld, von dem wir nicht wissen, wie viel es ist, nicht nötig brauchen, appelliert man an unsere Neugier oder eine Art Abenteuerlust, einen Hang zum Risiko.“

      „Übrigens, Angehörige habe ich ebenso wenig wie Du, Martin. Wenn ich es tue und nicht zurückkomme, wird keiner fragen, wo ich geblieben bin. Höchstens mein Arbeitgeber. Im Moment weiß ich noch nicht, was ich tun soll. Ich schlage vor, wir gehen in die Kantine und trinken ein Bierchen. Vielleicht fällt uns die Entscheidung dann etwas leichter.“

      Grabert stimmte zu. Gemeinsam gingen sie über den großen Kasernenhof. Vorbei an den vielen Fahrzeugen, die dort standen, große Lastkraftwagen, Unimogs, VW-Kübel, zahlreiche zwei- und einachsige Anhänger, auf denen man in Übungen Raketen und Maschinengewehre montierte.

      Es war 17.00 Uhr, nach Dienstschluss. Ein Wachsoldat drehte gelangweilt seine Runde.

      In der Kantine floss das Bier. Auf den Tischen war gerade genug Platz, um eine Zigarettenschachtel hinzulegen. Sonst fand man nur leere und volle Biergläser vor. Die Soldaten, die aus irgendwelchen Gründen die Kaserne an diesem Abend nicht verlassen konnten oder wollten, machten ihre Stemmübungen, wie sie das Biertrinken nannten, in der Soldatenkantine. Dort war das Bier auch nicht allzu teuer.

      Einigen Rekruten und Soldaten sah man ihre Frustrationen deutlich an. Stumm starrten sie in das Bierglas vor sich, sie dachten vielleicht an zu Hause, träumten von ihren Mädchen. Manche hockten auf Barhockern an der Theke unter dem Tarnnetz. Sie kamen aus Hessen, Bayern, aus dem Ruhrgebiet und aus den letzten Winkeln der Bundesrepublik. Einige verfluchten ihren Dienst, der noch bis zum Wochenende andauern sollte. Dann gab es auch solche Kameraden, die mit allen Konsequenzen nur ans Saufen und Bumsen dachten, egal, wo dies stattfand. Eine Art Heimatgefühl hatten diese Typen nicht mehr.

      Einige nahmen den Dienst, die Ausbildung, sehr ernst. Sie sahen ihre große Chance, im Gegensatz zu denen, die den ganzen Mechanismus der Bundeswehr als notwendiges Übel betrachteten.

      Haake bestellte zwei Bier und nickte Grabert zu, der sich gerade an einen frei werdenden Tisch setzte. Die Männer, die eben noch den Tisch besiedelt hatten, erhoben sich mühselig und wankend von ihren Plätzen, sie waren offensichtlich bedient, würden garantiert bis zum nächsten Morgen durchschlafen; und wenn es in der Wäschekiste war.

      Haake stellte die Gläser auf den Tisch.

      „Na dann einen guten Durst – bei dieser Hitze.“

      Das kühle Bier rann durch die Kehlen der beiden Männer, die eben damit konfrontiert worden waren, dass sie ein ähnliches Schicksal teilen könnten. Grabert trank nie viel, aber gerne mal ein kühles Bier vom Fass. In den letzten Minuten hatte er einen großen Widerspruch in sich entdeckt. Dieses ganze Soldatenleben hatte ihm nie gefallen. Am Tage Dienst schieben und in der Nacht, wenn man keine Freunde hatte, keine Familie auf einen wartete, das Bierchen. Dann ein weiteres und noch eines und so fort.

      Erich Haake prostete Grabert zu. Er schaute zu den anderen Soldaten rüber und hob sein Glas erneut.

      „Ihr armen Schweine, Tagebären, Krieger, Killer und Rotärsche“, sagte er leise. „Ich habe einen mächtigen Durst.“

      Für Grabert schienen die Fragen Gestalt anzunehmen, von Sekunde zu Sekunde. Sie verlangten eine Antwort, eine plausible Erklärung dafür, dass er sich bereits dem „Ja“ seines Unterbewusstseins gefügt hatte. War es das Geld, wie viel Geld eigentlich? War es der kleine Keim der Abenteuerlust, der sich in ihm ausbreitete, der immer mehr Nahrung bekam? Mit dem Geld würde er der Freiheit ein gutes Stück näherkommen. Freiheit ist käuflich. Dafür musste er sich aber in Gefahr begeben, seine Zukunft, wie sie auch immer aussehen sollte, sogar aufs Spiel setzen.

      Er schlug mit der Faust auf den Tisch und sagte: „Ich tu's, frag' mich nicht warum.“

      Es klang unterschwellig zwar erwägend – aber nichtsdestoweniger fest entschlossen.

      Haake erschrak, auch er war mit dem Gedanken beschäftigt, sich zu verkaufen, damit er sich die Erfüllung seines Traumes kaufen konnte.

      „Wie…, was meinst Du, ist das wahr? Du hast Dich etwa entschieden?“

      „Ja, ich nehme das Angebot an, weil ich es nicht abschlagen kann. Ich muss es tun, frag nicht weiter nach.“

      Das „frag nicht, warum“ war mehr an Lisa gerichtet. Grabert würde kein Wort davon erzählen, und keiner sollte hinter die Wahrheit kommen.

      „In zwei Wochen ist alles Vergangenheit“, dachte er, „schließlich bin ich kein Verräter oder so was. Vielleicht habe ich in wenigen Wochen soviel Geld zusammen, um mir endlich das ersehnte Grundstück auf dem Lande zu kaufen und mich dort mit Lisa niederzulassen.“

      Grabert fantasierte noch eine Weile von seinem Traum, den ihm niemand nehmen sollte, bis Haake ihn nachdenklich anstieß: „Du, Martin?“

      „Ja, was ist los?“

      „Ich schließe mich Dir an. Was soll ich mir noch lange den Kopf zerbrechen, ich steige auch ein in den Job.“

      „Dann sind wir also Partner, Martin. Komm, darauf müssen wir noch einen trinken. Ich bin froh, dass Du Dich so entschieden hast. Wir werden den Wagen schon sicher ins Ziel schaukeln; und wenn wir direkt zum Kreml müssen, zusammen schaffen wir's.“

      Die beiden Männer tranken noch ein weiteres Bier, stießen auf ihre kommende Zusammenarbeit an und gingen zur Unterkunft.

      Am nächsten Morgen erschienen Grabert und Haake, wie verabredet, in Kellermanns Dienstzimmer. Er blickte beinahe erfreut – so empfand es Grabert – vom Schreibtisch auf.

      „Treten Sie näher, ah, erstmal guten Morgen, meine Herren, wie haben Sie geschlafen in den bescheidenen Betten der Bundeswehr?“

      „Nicht anders als damals, als Wehrpflichtiger“, meinte Grabert. „Damals schlief ich immer recht gut. Nur die Umstände haben sich geändert.“

      Kellermann lächelte freundlich, aber mit Zurückhaltung. Schon bei einem geringen Lächeln bekam er viele kleine Lachfältchen in den Mund- und Augenwinkeln. Er schien gerne zu spaßen und im Privatleben sicher ein humorvoller Mensch zu sein.

      „Okay, ich will Sie nicht drängen, aber man sitzt mir mit gewissen Entscheidungen im Nacken. Also, wie haben Sie sich entschieden?“

      „Ja“, sagte Haake, „ich erkläre mich einverstanden.“ „Das gleiche gilt auch für mich“, kündigte Grabert an, bevor er gefragt wurde. „Wir haben unsere Entscheidung bereits miteinander besprochen. Nun sind wir neugierig, worum es im Genauen geht und was wir im Detail zu tun haben.“

      „Nun“, Kellermanns Miene wurde sehr ernst, „wie schon kurz angedeutet, überbringen Sie Lebensmittel an eine kleine Gemeinde namens Krosno in Polen. Sie brauchen sich dabei um nichts zu kümmern. Ihre Papiere, Ihr Fahrzeug, alle möglichen Bescheinigungen, Pässe und Visa werden vollkommen in Ordnung sein. Um nicht aufzufallen oder die Aufmerksamkeit auf Ihr Fahrzeug zu lenken, müssen Sie sich absolut nach den Verkehrsregeln richten. Die kleinste Übertretung kann für Sie und unsere gemeinsame Operation Komplikationen bringen. Sie haben während der Fahrt durch die DDR und Polen, wobei Sie in der DDR immer auf der Transitstrecke bleiben müssen, keine Möglichkeit, mit uns Kontakt aufzunehmen. Aber – bitte, unterbrechen Sie mich, wenn Sie irgendwelche Fragen СКАЧАТЬ